Ekstraklasa: KKS Lech Poznań – KS Górnik Zabrze

30.04.2023
30. Spieltag Ekstraklasa
KKS Lech Poznań - KS Górnik Zabrze
Stadion Miejski Poznań
Endergebnis: 0:1 (0:1)
Zuschauer: 28.112 (1.218 Gäste)
Ticket: 70 PLN
Fotoalbum

Eigentlich schaute man bei der Planung des Breslau-Trips nur mit einem Auge auf die machbare Partie in Posen, denn der Zeitpuffer nach dem fix geplanten Kick von Śląsk machte in Relation zu Fahrtzeit und Parkplatzsuche nicht unbedingt einen entspannten Eindruck. Da hätte man sich beinahe das Wochenend-Highlight entgehen gelassen, wäre da nicht meine bessere Hälfte samt Faszination für Lukas Podolski gewesen, den sie noch nie live im Stadion spielen sah. Also Tickets sowie Parkplatz die Tage zuvor vorab besorgt und schließlich direkt nach Schlusspfiff in Wrocław gen Norden aufgesattelt. Knapp zwei Stunden zeigte das Navi an, während bis zum Anpfiff noch drei Stunden übrig blieben. Sollte also reichen, vor allem an einem Sonntag. Klappte den Großteil der Fahrt auch ohne Probleme, doch knapp vor Posen schnellte die Ankunftszeit durch die Staus in der Stadt immer weiter nach oben.

Gleichzeitig machten wir im Netz die eine Info klar, an die natürlich niemand vorher gedacht hat: Poldi spielt gar nicht, Rotsperre sei Dank. Was ein Mist, ging aber voll und ganz auf unsere Kappe. Zumindest sehen sollten wir ihn, denn im Netz kursierten Bilder des Bahnhofs in Zabrze, wo er die Auswärtsfahrt per Zug gemeinsam mit der Torcida antreten sollte – geile Aktion, die sich sicherlich kaum ein Profispieler in Polen trauen würde! Daher hellte sich die zwischenzeitlich geknickte Stimmung wieder auf und spätestens als wir die Zufahrtsstraßen zum Stadion erreichten, wich jegliche Enttäuschung der generellen Vorfreude auf die Partie. Denn das Treiben um die imposante Bude war wirklich stark und wiedermal deutlich über den Erwartungen. Geparkt wurde auf einem Schotterparkplatz direkt neben dem Stadion, der für drei Euro im Vorfeld reserviert wurde. Allerdings war das Thema Schotter hier wörtlich zu nehmen, denn unter Allrad ging ab einem gewissen Punkt nichts mehr. Zwei Mal fast stecken geblieben, bugsierte man das Auto eher glücklich auf eine letzte verbliebene Grasfläche und hoffte für die Abfahrt einfach mal das Beste, denn dank der Staus waren es plötzlich nur noch knapp dreißig Minuten bis zum Anpfiff.

Der kurze Fußmarsch ging flott von den Beinen, ein Vereinsschal konnte ebenso fix erstanden werden und der Eingang zu unserem Block J4 im obersten Bereich der Gegentribüne war auch schnell gefunden. Überraschend lasch war die Kontrolle, dann ging’s auch schon auf den steilen Anstieg direkt unters Dach der EM-Arena von 2012. Von unseren Plätzen für knapp 15€ die Nase hatten wir alle relevanten Ecken des Stadions im Blick und ließen, leise nach Luft schnappend, die monumentalen, blau bestuhlten Ränge auf uns wirken. Zahlreich sammelte sich die Fanszene der Hausherren im Unter- und Mittelrang der dreistöckigen Heimtribüne, während Haupt- als auch Gegengerade die gleiche Höhe mit nur zwei Rängen erreichen.

Lediglich die Nordseite fällt mit ihren zwei Rängen samt tieferem Dach etwas aus der Reihe, wurde sie doch bereits 2004 als erste Tribüne des Neubaus errichtet, bevor der endgültige Ausbau überhaupt geplant wurde. Somit passt auch nicht wirklich alles zusammen, wodurch der Gästebereich als auch der Eckblock auf der gegenüberliegenden Seite mittels Stahlrohrtribünen, die auf den zweiten Rang gesetzt wurden, angehoben werden mussten. Wirkt etwas provisorisch im sonst phänomenalen Stadion mit imposanter Dachkonstruktion, das derzeit 42.837 Zuschauer fassen könnte. Auch hier stellte man sich im Vorfeld auf viele leere Plätze ein, doch der Andrang im Vorfeld belehrte uns eines besseren. Mehr als 28.000 Zuschauer strömten auf die Ränge und zeigten sich, zum ersten Mal an diesem Wochenende, sogar in allen Bereichen an Stimmung interessiert. Zu den Klängen von „Yellow Submarine“ wurde die Vereinshymne des KKS Lech mit wedelnden Schals zum besten gegeben, während in den letzten zehn Minuten bis zum Anpfiff weder Musik noch Werbung durch die Lautsprecher schallten. Alles, was man hörte, waren zwei großartige Kurven im direkten Gesangsduell.

Da hätte ich kein Spiel gebraucht, um mich hier dem Orkan der beiden Seiten hinzugeben. Als jemand, der wahrlich wenig Berührungspunkte mit der polnischen Kurvenkultur vorzuweisen hatte, war das hier einfach nur bombastisch! Lech verband man im Vorfeld immerhin bereits mit einer großen Kurve, was nicht zuletzt am sportlichen Erfolg der Blau-Weißen liegt. 1922 im heutigen Posener Stadtviertel Dębiec gegründet und nach dem Urvater Polens Herzog Lech benannt, war der Verein lange Jahre mit der polnischen Staatsbahn PKP verbunden, was dem Club den Beinahmen Kolejorz („Die Eisenbahner“ im lokalen Dialekt) einbrachte. Mit acht Meistertiteln und fünf Erfolgen im Pokal gehört man zu den erfolgreichsten Vereinen des Landes und streitet sich sportlich stets mit Legia Warschau um die Vormachtstellung im polnischen Fussball. Auch international haben sich die Blau-Weißen mittlerweile einen Namen gemacht, auch wenn in der Vergangenheit oftmals in der Qualifikation bei namenlosen Gegnern Endstation war. Bis zur Saison 22/23, denn da markierte das Erreichen des Viertelfinales in der Conference League den bis dato größten Erfolg.

Das entsprechend viele Fans dem Verein der fünftgrößten Stadt die Daumen drücken ist daher selbstverständlich, wobei die Fanszene im Konstrukt von Freundschaften und Bündnisse auch auf Verstärkung aus anderen Städten und Orten zählen kann. Neben zahlreichen Fanclubs, die in Polen eine ganz andere Bedeutung als hierzulande einnehmen, formt man mit Arka Gdynia und KS Cracovia eine schlagkräftige Truppe, die auf den Namen Wielka Triada („Große Triade“) hört. An diesem Tag machte man allerdings weder Fahnen der Verbündeten noch andere Farben außer Blau-Weiß im Heimbereich aus. Eindrucksvoll zeigte sich dadurch Unter- und Mittelrang der Tribüne, die mittels T-Shirts und Trikots in eben jene Farben streng unterteilt wurden. Noch vor Anpfiff überspannte eine große Blockfahne den kompletten Unterrang, der wenig später zahlreiche Sturmhauben nach oben entließ. Wenig später starteten die Vorbereitungen für die nun folgende Choreo, die als weitere Blockfahne zwischen beiden Rängen ausgebreitet wurde.

Unter dem Motto „Kolejorz Lifestyle“ erstrahlten zahlreiche Symbole aus der Welt der Ultras und Hooligans, während die übrigen Bereiche mit blauen und weißen Zetteln den farblich passenden Hintergrund bildeten. Nur Momente später verriet das Klacken und Zischen den Start der Pyroshow, die mit einer reihe roter Fackeln am oberen Ende des Mittelblocks das starke Kurvenbild abrundete. Nach dem tollen optischen Start war der akustische Part schlichtweg brachial. Hinter den nun langsam erscheinenden Zaunfahnen vermeldeten beide Ränge pausenlos die maximale Mitmachquote, die das gesamte Stadion in nahezu ohrenbetäubender Lautstärke mit ihren tiefen Gesängen und Schlachtrufen beschallte. Oft ging’s in die Knie, nur um wenig später mit vollem Körpereinsatz alles für die eigenen Farben gen Himmel und Rasen zu schreien, während auch hier der Vorsänger locker den Stadionsprecher in Sachen Lautstärke zu überstimmen musste. Schön ebenso, dass auch die anderen Bereiche ab und an den ein oder anderen Gassenhauer mittrugen.

Und auch der Gästeblock reihte sich nahtlos in den stimmungsvollen Nachmittag ein, auch wenn die 1.218 Gäste aus Zabrze ihre liebe Mühen hatten, der Heimkurve etwas entgegenzusetzen. Mit Unterstützung zahlreicher Freunde (94x GKS Katowice, 31x Wisłoka Dębica und 3x ROW Rybnik nach Selbstangabe), die allesamt in eigenen Vereinsfarben aus der rot-weiß-blauen Karo-Masse herausstachen, konnte ein sehr geschlossener Auftritt abgelegt werden, stets mit wirklich 100% Quote in allen Bereichen. Alle Bereiche? Nicht ganz, denn ganz am Rand erblickte man eine Person, die weder die Hände in die Höhe streckte, noch sich im späteren Verlauf den Klamotten entledigte. Lukas Podolski hielt Wort und schaute das Spiel aus dem Gästeblock! Zwischenzeitlich hatten wir ihn irgendwo im VIP-Bereich vermutet, aber so einen Typen wie Poldi findet man dann eben neben freidrehenden Kanisterköpfen mit Sturmhauben. Einfach ein geiler Typ!

Umringt von recht vielen Anhängern aus Katowice sah er auch hautnah die Blockfahne der Torcida zur 65. Minute, die das nächste Spektakel auf den Rängen ankündigen sollte. Denn wenig später setzte auch Zabrze den Block vollkommen in Brand und nebelte das gesamte Stadion ein, ehe die Meute, mit der Führung im Rücken, komplett freidrehte. Vor allem der Gesang auf die Melodie des Karaoke-Klassikers „Tequila“ blieb in Erinnerung, die nach dem einzigen Torerfolg des Tages das Stadion erhellte. Ein wirklich starker Auftritt beider Kurven, die vom faden Kick ablenken konnte. Aber wer kommt schon wegen Fussball hier her…

Der Treffer kurz vor der Pause reichte für Górnik zum wichtigen Punktgewinn im Abstiegskampf, während in Teilen der Heimtribüne ein paar Emotionen gegenüber der eigenen Mannschaft überkochten. Wir schauten dem Treiben noch eine ganze Weile zu, auch in der Hoffnung, einen etwas leereren Parkplatz vorzufinden. Dem war zum Glück auch so, sodass wir, gänzlich ohne Schieben oder Schaufeln zu müssen, wieder festen Boden unter die Räder bekamen. Auch wenn der folgende Abfahrtsstau nervte, blieb zumindest der Blick auf das im Sonnenuntergang liegende Stadion. Und der Gedanken an die Gäste, die dank Blocksperre eine gute Stunde warten durften, ehe sie die lange Rückreise antreten durften. Auswärtsfahrten sind hier nochmal eine andere Hausnummer als in der Heimat…

Hier gibt’s weitere Bilder!

Für uns ging’s wenig später wieder in gut zwei Stunden zurück nach Breslau, wo abschließend in einem KFC gar nicht mal so typisch polnische Kost die Mägen für die Nacht füllten. Den nächsten, sonnigen Tag verbrachten wir ganz entspannt in Breslau, ehe es dienstags wieder zurück in die Heimat ging. Was bleibt, ist der grandiose Eindruck der drei Partien und die Hoffnung, alsbald wieder im Land jenseits von Oder und Neiße aufzuschlagen!