Nationaldivision: Jeunesse Esch – CS Fola Esch

18.02.2018
11. Spieltag Nationaldivision
Jeunesse Esch - CS Fola Esch
Stade de la Frontière
Endergebnis: 3:3 (1:0)
Zuschauer: 1.503 (ca. 300 Gäste)
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Früher mochte ich den Winter. Kühlere Temperaturen, die das Leben in einer Dachgeschosswohnung erträglicher machten, dazu eine fast schon gespenstische Stille beim Öffnen des Fensters. Und natürlich die Hoffnung, dass es am nächsten Morgen für den Schulbus kein Durchkommen gibt. Mit dem Älterwerden bedeutet Winter aber vor allem Chaos auf den Straßen und Spielabsagen. Dazu friert man bei eisigen Temperaturen gerne mal am Sportplatz fest, was das eigentlich ach so geliebte Hobby zur Kraftprobe werden lässt.

Nun ist‘s immerhin schon Mitte Februar. Der größte Teil der kalten Jahreszeit sollte schon hinter uns liegen und der Frühling nicht mehr weit sein. Dennoch wollte es der Wettergott nochmal wissen und schickte auf den Samstagmorgen ein paar Wolken voll Schnee. Daher fiel der eigentlich geplante Heimspielbesuch bei der SVE dem Neuschnee kurzfristig zum Opfer.

Ärgerlich, doch die Absage kam glücklicherweise knapp drei Stunden vor Anpfiff. Und es war nur ein Heimspiel. Andere Partien wurden eine halbe Stunde vor Beginn abgesagt, bei teilweise über 200 Kilometer langer Anreise für Gästefans. Dennoch wurmte es uns gewaltig, da man sich nach einer stressigen Woche sehr auf das Spiel freute. Alternativen in der näheren Umgebung gab es keine und für eine weitere Strecke war man schon zu spät dran. Daher musste man sich wohl oder übel mit einem Tag Fussball auf dem Sofa begnügen.

Hatte immerhin den Vorteil, dass nun die volle Konzentration auf Sonntag lag. Das Spiel im benachbarten Luxembourg stand zwar auch noch auf der Kippe, doch am frühen Sonntagmorgen kam die Entwarnung: Es wird gespielt. Mit dem eigenen Gefährt gings vom Saarland aus in den Westen Luxembourgs nach Esch-sur-Alzette, wo im Stade de la Frontière der Jeunesse das lang ersehnte Escher Derby anstand. Im Übrigen auch ein Nachholspiel, da sowohl der ursprüngliche Termin im November als auch ein angedachter Nachholtermin im Dezember dem Wetter zum Opfer fielen. Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass ich den Winter nicht mehr mag?

Im Gegensatz zu den dunklen Wolken des Vortags waren strahlender Sonnenschein und blauer Himmel unsere ständigen Begleiter für den Rest des Tages. Ein Kontrastprogramm, was seines Gleichen sucht. Nach einer Durchquerung der zweitgrößten Stadt des Landes parkten wir unser Gefährt unweit des Spielortes an einer Bahntrasse. Die nähere Umgebung der Anlage kann sich übrigens mehr als sehen lassen: Überall zeugen verfallene Ruinen von der Escher Vergangenheit als Kohle- und Stahlstadt. Ein kurzer Gang dorthin lohnt sich allemal.

Für uns gings danach für den typischen Zehner ins Stadion, was seinen Namen von der nur 200 Meter entfernten Grenze zu Frankreich hat. Eine halbe Stunde vor Anpfiff war noch nicht viel los, weshalb wir uns erstmal zur Buvette begaben und eine leckere Salciccia verspeisten. Das Stadionfutter in Luxembourg ist einfach bombastisch, ehrlich. Kann ich jedem einfach nur empfehlen.

Danach bezogen wir unsere Plätze am Fuße der Haupttribüne, was uns einen perfekten Blick auf die gegenüberliegenden Heim- und Gastbereiche eröffnete. Einzig das sich über uns befindliche Netz, was die Zuschauerränge vor Tauben schützen sollte, erfüllte seine Aufgabe etwas zu gut. In ihm hingen etliche halbverweste Vögel, andere flogen innerhalb des Netzes umher. Riecht im Sommer unterm heißen Dach bestimmt besonders gut. Sonst nix Neues im schicken und altbekannten Rund, was man nun schon zum dritten Mal besuchte.

Bis auf das Duell auf dem Rasen, denn dieses Mal stand für uns das erste Escher Derby auf dem Programm. Aufgrund der Geschichte und sportlichen Hintergründen wohl eines der, wenn nicht sogar das wichtigste Stadtduell des Landes. Und die beiden Vereine könnten gegensätzlicher nicht sein. Auf der einen Seite die Jeunesse, Arbeiterverein aus einem Industriegebiet nahe der Landesgrenze und Rekordmeister. Auf der anderen Seite die Fola, ansässig auf dem noblen Escher Galgenberg, umrandet von Villen der Reichen und auch selbst mit viel Geld gesegnet.

Kein Wunder also, dass sich in Sachen Fanszene bei der Jeunesse mehr tut. Jedoch muss man diese Aussage mit Vorsicht genießen, da die glorreichen Zeiten des Luxembourger Fussballs mit vollen Stadien auch schon längere Zeit Geschichte sind.

Auf der Heimseite versammelte sich dennoch ein guter Haufen rund um die Gruppe „Grenz United“, der ein paar vereinzelte Gesänge zum Besten gab. Mit einer großen Trommel und ein paar mehr Nasen als noch in vorherigen Partien konnte eine teilweise respektable Lautstärke erreicht werden, die man dennoch mit „stark spielgebunden“ und maximal sporadisch beschreiben muss.

Klar, so wirklich viel kann man in Luxembourg nie erwarten, doch manchmal wird man auch positiv überrascht. Die Gruppe um Jeunesse, die an diesem Tag auch eine Fahne von Standard Lüttich hängen hatte (Bezug unbekannt), gehört im Übrigen zur Elite der Fangruppen des Landes in Sachen Gruppenstärke und Spielsupport. Viel mehr wird im Großherzogtum aktuell leider nicht geboten.

Auf der Gegenseite stand mit der Fola das reiche Gegenstück zur Jeunesse auf dem Rasen und auf den Rängen. Insgesamt dürften gut 300 Anhänger ihre rot-weiße Mannschaft ans andere Ende der Stadt begleitet haben. Im Gepäck hatten sie eine sehr schicke Fahne mit dem Vereinsnamen, ein großes Logo sowie den Lappen „Boxclub Esch“. Akustisch gabs jedoch nichts außer vereinzelter Fola-Rufe nach Großchancen.

Dementsprechend lag unsere Hauptaufmerksamkeit auf der Partie und auf den Reaktionen der beiden Parteien. Und was passt wohl besser in eine spielbezogene Unterstützung als ein packendes Spiel? Darauf musste man aber zu Beginn noch ein wenig warten. Die beiden Escher Vereine, die momentan auf den Tabellenplätzen drei und vier vorzufinden sind, starteten mit einer ausgewogenen Abtastphase, in der die einzige Unbekannte der rutschige und vorher gesandete Rasen vor dem Gehäus der Fola darstellte. Somit wäre die erste Hälfte kommentarlos abgehakt, wäre da nicht die Nachspielzeit. Denn in dieser schaffte es die Jeunesse endlich mal einen gescheiten Angriff zu Ende zu spielen und netzte zum schmeichelhaften 1:0 Pausenstand. Große Freude des Heimanhangs inbegriffen.

Im zweiten Durchgang verabschiedeten sich beide Teams vom taktikgeprägten Standfussball und gingen in die volle Offensive. Was folgte war ein Torspektakel vom feinsten: Zunächst gelang der Fola das 1:1 in der 52. Minute, bevor Jeunesse im Gegenzug wieder in Führung ging. Wenig später netzten die Gäste zwei Mal und drehten das Spiel. Als besonders Hilfreich stellte sich dabei der rutschige Rasen vor dem Tor heraus, das nun der Torwart der Gastgeber hüten musste. Der Torschütze der Gäste schnürte in der zweiten Hälfte übrigens einen Hattrick.

Und auch danach gings munter weiter. Beide Teams rannten pausenlos nach vorne, wodurch die zweite Hälfte in gefühlt zehn Minuten verstrich. In der 83. Minute gelang den Gastgebern mit einem weiteren Tor der Ausgleich zum 3:3, was auf Seiten der Spieler und auch Fans zu großen Jubelstürmen führte. Akteure und Anhang der Jeunesse feierten das Tor fast schon wie den Derbysieg, während Fola mit dem Unparteiischen haderten.

Anscheinend sah man ein vorangegangenes Handspiel und wollten daraufhin die Spieler der Jeunesse zur Rede stellen. Was folgte waren minutenlange Rennereien und Handgreiflichkeiten zwischen beiden Parteien, die jedoch vollkommen ohne gelbe Karten endeten. Bei einem ähnlichen Vorfall in Brasilien setzte es zeitgleich sieben Mal rot, so zum Vergleich.

Nachdem der Schiedsrichter das Tor endgültig den Gastgebern zusprach, setzte Fola nochmal alles auf Angriff. Und es sollte auch tatsächlich ein Tor fallen, doch der Linienrichter hatte etwas dagegen. Der Abseitstreffer stellte die letzte nennenswerte Szene in einer berauschenden Partie dar, die völlig verdient mit 3:3 endete. Wenn man mal von der müden ersten Hälfte absieht.

Die Heimseite feierte das Unentschieden wie einen Sieg und brannte eine Pyroshow aus schwarz-weißem Rauch, Strobos und zwei Bengalos ab, während die Gäste wortlos ihre Fahnen einpackten. Auch die Spieler der Jeunesse liesen es sich nicht nehmen und feierten ein wenig mit ihrem Anhang. Nachdem wieder Ruhe an der Grenze einkehrte, machten wir uns auf den Weg nach draußen. Zufrieden war man mit dem Besuch allemal, da sowohl das Spiel als auch das Geschehen abseits des Platzes einiges Sehenswertes bereithielten.

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Auf der Rückfahrt gabs noch den obligatorischen Tankstopp mit billigem Sprit und Kaffee, bevor man wenig später wieder das heimische Trierer Umland erreichte.