Oberliga: Altonaer FC 93 – FC Türkiye Wilhelmsburg

24.02.2024
25. Spieltag Oberliga Hamburg
Altonaer FC 93 - FC Türkiye Wilhelmsburg
Adolf-Jäger-Kampfbahn
Endergebnis: 5:1 (1:1)
Zuschauer: 1.018
Ticket: 8€
Fotoalbum

Ganze 19 Jahre ist es her, als ich von Hamburg mehr als nur den Hauptbahnhof von Innen begutachten durfte. Und diese Stippvisite in damals jungen Jahren sollte bis zu diesem Wochenende gar die einzige bleiben. Da verstand es sich von selbst, das Auswärtsspiel der SVE beim großen HSV mit einem längeren Aufenthalt zu verbinden, auch wenn wir im April gleich wieder an der Elbe gastieren sollten. Somit gleich nach Neujahr und mit Bekanntgabe des Spielplans via Kranich ab Frankfurt von Freitag bis Sonntag eingebucht, während eine Unterkunft am Berliner Tor ebenso schnell festgezurrt werden konnte. Der Plan stand also früh, doch die Arbeit versuchte sich im Vorfeld kurzerhand als Partycrasher und setzte eine Workshop-Woche in München in den noch leeren Outlook-Kalender. Aber auch das ließ sich irgendwie lösen, wenn auch mit ganz heißer Nadel gestrickt.

Freitagmittag hieß es somit Aufbruch im Münchner Zentrum und ab an den Flughafen, wo der erste Flieger des Tages bereits ungeduldig wartete. Zum Glück überaus pünktlich wieder Frankfurt erreicht, fix in die eigenen vier Wände zum schnellen Tausch der Rucksäcke und zum Einsammeln der besseren Hälfte, dann ab in ein Uber und zurück zum Flughafen. Passte Arsch auf Eimer und ließ sogar ein wenig Zeit für das wohlverdiente Feierabendbierchen, bevor wir eine Stunde später die Hansestadt im Norden erreichten. Die hungrigen Mägen ordneten noch einen Abstecher in die Innenstadt an, ehe es, nach unfreiwilligem Blick in den Steindamm, der mal sowas von ans Frankfurter Bahnhofsviertel erinnert, ab in die Hotelkojen ging.

Dabei stand der Plan für den Samstag noch gar nicht wirklich, da die ursprünglich eingeplante Partie zwischen der Zweitvertretung des HSV und Oldenburg dem schönen Wetter zum Opfer fiel. Während alle anderen Spiele stattfanden. Is klar. Da pennte man wohl bei der Ansetzung, da sowohl der HSV, Lübeck, als auch Kiel am Samstag nichts zu tun hatten und sicherlich Bock auf einen gemeinsamen Spielbesuch mit den Oldenburgern verspürten. Was also nun? Für die Regio Nord Partie im Stadion Hoheluft fehlte dank ganz früher Anstoßzeit die morgendliche Motivation, also legten wir uns am Ende auf Altona fest. Stand sowieso im Fokus, zum einen aufgrund des kultigen Clubs, zum anderen aufgrund der Abrisspläne der ikonischen Spielstätte.

Da dort allerdings erst am Nachmittag die Kugel rollte, stapften wir zunächst ein wenig durch die Stadt. Zunächst entlang der Landungsbrücken mit Sicht auf die Elbphilharmonie, später durch die vielen Gassen St. Paulis. Erinnerungen hatten wir beide kaum noch, allerdings machte der kurze Rundgang Lust auf mehr. Ich setze schonmal auf gutes Wetter im April! Nun rief aber erstmal König Fussball aus dem Westen der Stadt, dessen Ruf nicht nur wir, sondern auch Kumpane Jo folgte. Zu dritt ging’s nun per S-Bahn nach Bahrenfeld, wo wir bereits nach wenigen Minuten Fußmarsch den ikonischen Eingang der Adolf-Jäger-Kampfbahn erblickten. Genutzt wird der aber anscheinend nicht mehr, denn die 8€ pro Nase für ein schickes Papierticket wurden einige Meter nebenan fällig.

Das es hier ein wenig anders abgeht wurde auch schnell klar, denn sowohl die schnellen Klänge des Punkrocks aus den Lautsprechern als auch die Tribünenbezeichnungen wie „Zeckenhügel“ offenbarten die politische Ausrichtung des Vereins, die hier von fast allen Stadiongängern gelebt wird. Wobei das Klientel als durchaus gemischt bezeichnet werden kann, was wir hier so rumlaufen sahen. Von waschechten Punks über Kutten, kleineren Truppen vom HSV samt blauen Schals bis hin zu Ex-Paulianern, denen die Kommerzialisierung bei den Braun-Weißen zu weit gegangen ist. Recht bunte Mischung, die sich auch durch verschiedene Zaunbeflaggungen ausprägt.

Das volle Spektrum des Regenbogens auf der Gegengeraden, Altona-Fahnen am Hügel sowie eher persönliche Stücke wie die vom „Pyro-Peter“ neben der Tribüne in der „Mecker-Ecke“. Nur richtige Stimmung wollte in keinem der drei Blöcke aufkommen. Ein, zwei Schlachtrufe hat man zudem nur in petto, während ein paar Kids eine handvoll Schwenkfahnen bemühten. Recht wenig für die respektablen 1.000 Zuschauer. Aber Highlight war für uns sowieso die abgerockte Bude, denn die Adolf-Jäger-Kampfbahn, benannt nach einem ehemaligen Nationalspieler, bietet so einige Blickfänge.

Angefangen natürlich bei der Haupttribüne mit 1.400 Sitzschalen, die, nach getaner Arbeit im alten Volksparkstadion, hier ein zweites Leben eingehaucht bekamen, über die massive Gegengerade, die sich bis hinters östliche Tor zieht, bis hin zum Westwall aus Matsch und Gras. 8.000 gehen aktuell noch hinein, Rekord waren 27.000 im März 1953 gegen den HSV. Bomben-Teil, das allerdings spätestens im Jahr 2026 Wohnbebauungen weichen muss. Umso glücklicher waren wir, hier in einer der ältesten noch bespielten Sportstätten Deutschlands vor dem Anrücken der Bagger aufschlagen zu können. Zugelangt wurde jedoch zunächst am Verpflegungsstand, wo eine astreine Currywurst mit Pommes sowie frisch gezapftes Astra zwar mundeten, aber überraschend stark auf den Geldbeutel schlugen. Zweitligapreise bei Speis und Trank, aber nur Oberliga auf dem Rasen.

War hier auch mal anders, denn die Historie von 93 zu frühen Jahren ist schon recht beeindruckend. Insgesamt 64(!) Jahre kickten die Schwarz-Weiß-Roten zwischen 1895 und 1963 in der damals höchsten Liga, erreichten zwei Mal das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft sowie des DFB-Pokals. 1968 folgte der Abstieg aus der damals zweitklassigen Regionalliga Nord, ehe sich der AFC über die Jahre zwischen vierter und fünfter Spielklasse einpendelte. Dabei hat man allerdings ein gutes Händchen für die Jugendarbeit, brachte z.B. die aktuellen Bundesliga-Akteure Jonathan Tah und Eric Maxim Choupo-Moting hervor. Und irgendwie passt die Oberliga auch deutlich mehr zum lockeren Flair, was hier vorherrschte und auch bei uns Gefallen fand.

So stellten wir uns auf den Hügel direkt hinters Tor, nur um wenig später direkt neben uns eine von Baumarbeiten vergessene Axt zu finden. Sicherheitsvorkehrungen par excellence. Aus den Lautsprechern röhrte derweilen „Antifa Hooligan“ von Los Fastidios, während die Mannschaften den Rasen betraten. Dazu ein Spruchband auf der Gegengeraden gegen die AFD, während die Spieler ebenso via Spruchband Solidarität mit den Betroffenen der Griegsstraße (Rassistischer Vorfall gegen eine direkt neben dem Stadion wohnende Familie) ausdrückten.

Danach ging das wilde Treiben auf dem Rasen los, während wir die Nähe zum Bierstand ausgiebig nutzten. Für mich wars der Startschuss für den Abend, während Jo eher zwecks Katerbehandlung Abstand von den gerstenhaltigen Kaltgetränken hielt. Eine Runde Schnapswürfeln für den guten Zweck war trotzdem drin, die am Ende sechs Kurze für ebenso viele Taler ausspuckte. Genauso viele Buden fielen derweilen auf dem Rasen, allerdings recht ungleich verteilt. Zur Pause schafften die am Tabellenende situierten Gäste gar den Ausgleich gegen den großen Favoriten, doch bei einsetzendem Fritz-Walter-Wetter, das uns zur Flucht direkt neben die Haupttribüne trieb, machte 93 schnell alles klar. Mit dem 5:1 schnappten sich die Hausherren die erneute Tabellenführung und somit eine gute Ausgangslage für das Rennen um die Rückkehr in die Regionalliga.

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Triefend nass stapften wir nun zurück zur S-Bahn und legten zwangsweise einen Zwischenstopp in den Hotels ein, ehe der Abend mit einer ganzen Reihe an Kumpanen standesgemäß auf der Reeperbahn begossen wurde. Über weitere Details hüllen wir einfach mal den Mantel des Schweigens. Die Gesichter am nächsten Morgen sprachen da sowieso schon Bände genug.