2. Bundesliga: 1.FC Union Berlin – 1.FC Kaiserslautern

16.04.2017
29. Spieltag 2. Bundesliga
1.FC Union Berlin - 1.FC Kaiserslautern
Stadion an der Alten Försterei
Endergebnis: 3:1 (1:0)
Zuschauer: 21.379 (ca. 2.000 Gäste)

An einem schönen Sonntag während unseres Berlin-Trips war es endlich so weit: Das Highlight und der eigentliche Grund für die Reise stand an. Der Besuch der alten Försterei war schon jahrelang ein kleiner Traum, der aufgrund der Entfernung und anderweitigen Hindernissen bisher nicht erfüllt werden konnte.

Irgendwie freut man sich ja auf jeden Besuch eines neuen Stadions, doch an diesem Morgen war es natürlich etwas ganz besonderes. Denn es war vor allem eine große Euphorie um Union entbrannt, da das erste Mal seit langem der Aufstieg in die Bundesliga zum Greifen nahe schien.

Mit der Hoffnung auf ein richtig gutes Spiel inklusive Gänsehautatmosphäre gings von der Innenstadt in Richtung Berliner Ostkreuz, wo man in die S-Bahn in Richtung Köpenick umstieg. Am dortigen Bahnhof sah man schon viele Fans in Rot in Richtung Stadion pilgern. Wenige Minuten später waren auch wir ein Teil des Stromes und legten den etwas längeren Weg in Richtung Wald zurück. Die Routen zum Stadion verlaufen fast alle über Waldwege durch Stock und Stein, was dem Namen der Arena natürlich alle Ehre macht.

Am Eingang beanspruchten die Kontrollen etwas mehr Zeit als üblich, worauf man sich aber schon vorher eingestellt hatte. Nach einem kurzen Rundgang ums Gelände betrat man auch schon den Sektor 3, unweit der Mittellinie. Man war sehr froh, dass man sich einen knappen Monat vorher schon um die Karten gekümmert hatte, da die guten und bezahlbaren Plätze nur wenige Tage später alle vergriffen waren. Die Tickets für Union sind im Ligavergleich eigentlich recht günstig, wenn man bedenkt, dass es fast nur Stehplätze gibt.

Denn die alte Försterei hat nur auf der großen Haupttribüne Sitzplätze, der Rest des Stadions ist nicht bestuhlt. Das Stadion an sich gehört, vor allem aufgrund seiner bewegten Geschichte, zu den besonderen Spielstätten im deutschen Profifussball. Zu Beginn der 1920er Jahre errichtet, folgten sukzessive weitere Ausbauten 1952-1955, 1968-1970, und 1979-1983. Nach der Wende sah es jedoch schlecht um das Stadion an der alten Försterei aus, da es den immer strenger werdenden Anforderungen der DFL nicht entsprach. Dabei wurden Politik und Clubführung sich zunächst nicht einig, wodurch der Umzug in andere Stadien Berlins im Raum stand, womit die Fanszene der Unioner natürlich nicht einverstanden war.

Im April 2008 gab es schließlich die notwenigen Zusagen der Politik, womit einem Ausbau nichts mehr im Wege stand. Außer Eines: Geld. Um bei dem Umbau Kosten zu sparen, halfen mehr als 2.000 freiwillige Helfer und leisteten unglaubliche 140.000 unentgeltliche Arbeitsstunden, wodurch das Stadion in nur 13 Monaten Bauzeit fertiggestellt werden konnte. Vier Jahre später begann mit dem Neubau der Haupttribüne der letzte Schritt des Umbaus, welcher 2013 abgeschlossen wurde. Dadurch wurde das Fassungsvermögen auf nun 22.012 Plätze erhöht, von denen immer noch beachtliche 18.395 Stehplätze sind.

Und gerade die Art des Stadions ist es, was den Club ausmacht. Union ist kein Verein, bei dem die Reichen und Schönen auf gigantischen VIP-Tribünen Platz nehmen. Union ist ein Arbeiterverein, rau, und das schon immer. Der heutige Club wurde 1966 unter dem Namen 1.FC Union Berlin gegründet und sollte vor allem ein Verein für die Berliner Werktätigen sein. Ihm gingen die Vereine Union 92 Berlin, SC Union Oberschöneweide und schließlich der, unter der DDR-Führung gegründete BSG Motor Oberschöneweide voraus, wodurch die vorherigen blau-weiße Vereinsfarbe in das heute typische rot-weiß geändert wurden.

Danach folgte ein Namens-wirrwarr, was heute wahrscheinlich keiner so wirklich versteht: 1955 wurde die Mannschaft in den SC Motor Berlin integriert, während nur zwei Jahre später Motor Berlin selbst, inklusive anderer BSGen, zum TSC Oberschöneweide zusammengefasst. Dieser Verein wiederum fusionierte 1963 mit dem SC Rotation Berlin sowie dem SC Einheit Berlin zum TSC Berlin. Verstanden? Das alles führte natürlich zu einem Identitätsverlust seitens der Anhänger und einer sportlich bedingten Talfahrt des Clubs, die erst 1966 mit der Gründung des 1.FC Union aufgehalten werden konnte.

Der erste große Erfolg konnte schon 1968 mit dem Gewinn des FDGB-Pokals gefeiert werden, dem gute Platzierungen in der Oberliga und Teilnahmen am internationalen Wettbewerb, vor allem in den 80ern folgten. Nach der Wende verpasste Union vor allem aus finanzieller Sicht den Aufstieg in die 2.Bundesliga und galt lange Zeit als „unaufsteigbar“. 1997 konnte nur durch die engagierte Hilfe vieler Fans eine Insolvenz des Clubs verhindert werden, womit eine der schwärzesten Saisons doch noch ein positives Ende fand.

Die Saison 2000/2001 sollte dann aber zu einer der Besten der Vereinsgeschichte werden: Zum einen stand mit einem souveränen ersten Platz der Aufstieg in die zweite Liga zu buche, zudem erreichte Union das DFB-Pokalfinale und die damit verbundene Qualifikation für den UEFA-Cup. Danach folgten drei Jahre im Unterhaus, bevor ein Absturz bis in die Oberliga und erneute finanzielle Probleme folgten.

Über die neugegründete dritte Liga gelang 2009 schließlich wieder der Einzug in die zweite Liga, in der Union bis heute spielt. Die bisher beste Platzierung war ein siebter Platz, der wohl allem Anschein nach in dieser Saison überboten wird. Denn Union befand sich zum Zeitpunkt des Spiels gegen Kaiserslautern auf dem vierten Platz, nur wenige Punkte hinter dem Ersten der Liga. Die Pfälzer dagegen hatten immer noch Schwierigkeiten, den Abstand zu den Abstiegsrängen zu vergrößern.

Beim Eintreten in die Arena schlugen die schon lauten Gesänge wie Wellen ins Gesicht und hinterließen direkt ein breites Grinsen. Überall, wo man auch nur hinschaute, sangen sich die rot-weißen Berliner die Seele aus dem Leib und präsentierten ihre Schals. Trotz aller Begeisterung musste man sich aber noch schnellstmöglich ein Plätzchen suchen, was sich als schwieriger herausstellte, als man zunächst annahm. Die tickende Uhr im Kopf, die laut schallende Vereinslieder und die klar sichtbare Vorbereitung einer Choreo liesen während der Suche schon den ein oder anderen Tropfen Schweiß von der Stirn rinnen.

Im Endeffekt brauchte es gute fünf Minuten, bis man einen zufriedenstellenden Platz finden konnte. Zeit zum Durchatmen war nicht wirklich, denn die Mannschaften kamen direkt auf den Rasen. Auf der Waldseite zeigten die Ultras rund um das Wuhlesyndikat eine aufwendige Doppel-Choreo. Den ersten Teil bildete eine große Blockfahne, auf der der obere Teil eines Trikots mit dem Club Logo abgebildet wurde. Auf einem farblich passenden Banner stand dazu „Union in Rot – Das Stadion schallt“.

Nach einer Minute wurde die Blockfahne wieder heruntergezogen und gab freien Blick auf ein großes Fahnenmeer. Geschätzt tausende kleine Fahnen in den Vereinsfarben rot und weiß wurden im gesamten Fanblock geschwenkt. Mit Hilfe eines Seilzugs wurde dazu ein Abbild eines bandagierten Boxers heraufgezogen, der die Worte „Kämpfen & Siegen“ auf der Brust tätowiert hatte. Dazu wurde ein neues Banner mit dem Spruch „Ziel anvisiert – Die Faust geballt“ gezeigt, was den Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga verdeutlichte. Die Choreo wurde dabei sehr lange oben gehalten, schätzungsweise über fünf Minuten lang.

Danach legte der Anhang der Eisernen mit einem der bessten Supports los, die ich jemals erleben durfte. Die Gesänge wurden fast immer vom gesamten Stadion mitgesungen, erreichten eine enorme Lautstärke und wurden sehr lange gehalten. Die beiden bekannten Wechselgesänge „Eisern Union“ und „Wir lieben Union, jawohl“ waren dabei in Hälfte eins die lautesten. Mein persönliches Highlight war der Song „Hey FC Union stürme hinaus“, der sowohl von der Melodie als auch vom Text her überzeugen konnte.

Das restliche Liedgut war, im Vergleich zu anderen besuchten Stadien, eher einfacher, was aber auch absolut passte. So konnten einige Stimmungsversuche der Gegengerade schnell aufs gesamte Stadion überschwappen, da jeder sofort den Text kannte. Ebenfalls erstaunlich war die Tatsache, dass man über die komplette Spielzeit keinen Gesang zwei Mal hörte, was von einer unglaublichen Vielfalt zeugt.

Aber vor allem die Geschlossenheit des gesamten Stadions bei den Gesängen ist das, was am aller Meisten gefällt. Wenn die Kurve das bekannte „FC Union – Unsre Liebe – Unsre Mannschaft, unser Stolz, unser Verein – Union Berlin“ anstimmt, macht augenblicklich das gesamte Stadion mit. Absolute Klasse.

Hier ein kleines Video vom Beginn des Spiels:

Auch der Block der Kaiserslauterner war sehr geschlossen und dürfte fast voll gewesen sein. Neben einen schicken Fahnenintro hing auch die Zaunfahne mit der Aufschrift „1.FC Kaiserslautern – Unzerstörbar“ während des gesamten Spiels am Zaun. Trotz unserer relativen Nähe zum Gästeblock war dieser jedoch die meiste Zeit kaum wahrnehmbar. In der ersten Halbzeit war aber in Teilen auch die Mitmachquote eher niedrig und es schien sich nur der Kern am Support zu beteiligen. Nach Chancen wurde es auch mal laut und Bewegung war eigentlich auch immer wahrnehmbar. Nach dem Ausgleichstreffer in der zweiten Hälfte wurde es dann auch mal richtig laut im Gästeblock, da sich natürlich alle beteiligten. Ansonsten hatte der Gästeblock akustisch eher wenige Chancen gegen den großen Rest des Stadions.

Auf dem Platz spiegelte sich zu Beginn in etwa das gleiche Machtverhältnis ab. Union war ab der ersten Sekunde drückend überlegen, die Pfälzer hatten Schwierigkeiten sich überhaupt aus dem eigenen Strafraum zu befreien. Nach 13 Minuten war es schließlich ein Kullerball, der den Berlinern die mehr als verdiente Führung bescherte. Danach verwalteten die Gastgeber das Spiel ein wenig, wodurch auch die Gäste zu ersten Halbchancen kamen. So wirklich viel passierte aber nicht mehr.

In der Halbzeitpause blieb man auf den Plätzen, da man nicht unbedingt wieder Neue suchen wollte. Die normalerweise recht nervigen mobilen Bierverkäufer, die sich sonst immer und überall direkt im Blickfeld befinden und die Sicht blockieren, erwiesen sich in diesem Fall mal als nützlich.

In der zweiten Halbzeit nahmen die Gäste zunächst das Heft in die Hand und erspielten sich deutlich mehr Spielanteile. Union blieb aber unterm Strich gefährlicher, jedoch lies die Chancenverwertung zu wünschen übrig. In der 68. Minute bestrafte Kaiserslautern die Nachlässigkeiten der Berliner Abwehr und glich das Spiel zum 1:1 aus.

Kurze Zeit später lag der Ball im Netz der Gäste, doch der Unparteiische entschied auf eine Abseitsposition. In der Schlussphase warfen beide Teams alles nach vorne, was das Spiel sehr unterhaltsam, aber auch komplett unberechenbar machte. In der 86. Minute konnte sich dann doch Union zum viel umjubelten erneuten Führungstreffer durchsetzen, bevor das Team in der 88. Minute den Deckel drauf machte. Am Ende stand ein durchaus verdienter Heimsieg zu buche, der, nach Chancen, auch hätte höher ausfallen können. Für Kaiserslautern ein definitiv bitterer Nachmittag, da man bis zuletzt knapp an einem sportlich sehr wichtigen Punkt dran war.

Nach dem Abpfiff zog sich die Feier mit der Mannschaft über eine sehr lange Zeit. Unter den lauten Gesängen des Stadions absolvierten die Spieler von Union zwei volle Runden und feierten mit jeder Seite individuell. Zudem zeigten sie das Trikot der wieder an Krebs erkrankten Lisa Görsdorf, ihres Zeichens ebenfalls Spielerin von Union. Diese großartige Geste wurde von den Fans mit viel Applaus und Sprechchören honoriert.

Hier findet ihr mehr Fotos vom Spiel

Nachdem sich das Stadion fast vollkommen geleert hatte, machten wir uns auf den Weg in Richtung des Geländes vor dem Stadion. Dort gabs noch schnell ein sehr gutes und überraschend billiges Schweinesteak, bevor man die alte Försterei verlies. Mit der Tram wurde der halbstündige Weg nach Karlshorst zurückgelegt, wo man sich im Hotelzimmer erstmal ein wenig erholte, bevor es wieder in Richtung Berlin ging.

Der Besuch bei Union wird auf jeden Fall noch lange in Erinnerung bleiben, vielleicht wird auch eine weitere Visite stattfinden. Vielleicht in der nächsten Saison dann in der Bundesliga, wer weiß?