Regionalliga: Rot-Weiss Essen – Wuppertaler SV

05.08.2018
2. Spieltag Regionalliga West
Rot-Weiss Essen - Wuppertaler SV
Stadion Essen
Endergebnis: 5:1 (4:0)
Zuschauer: 11.077 (ca. 2.000 Gäste)
Fotoalbum

Mit dem Start der neuen Saison warf man den Blick recht schnell in den Westen. Einige Partien in der dortigen Regionalliga versprachen gute Kulissen und Duelle in Stadien, die schon seit geraumer Zeit auf der engeren To Do-Liste geparkt wurden. Das neue Stadion an der Hafenstraße in Essen stellte für diese Kategorie sicherlich das Paradebeispiel dar. Große Bude, bei manchen Partien ordentlich was los… nur irgendwie erhielt immer eine andere Station den Vortritt oder die Duelle versprühten schlicht keinen nennenswerten Reiz.

Anders am zweiten Spieltag dieser Saison, als Rot-Weiss den Wuppertaler SV zum Tanz bat. Die Gäste kündigten eine Mottofahrt an, die Heimseite einen Fahnentag. Dazu noch die Aussicht auf bestes Wetter und fertig war der geplante Spielbesuch. Geht manchmal recht schnell und einfach, zumal man auf die Partie eine Woche vorher überhaupt erst aufmerksam wurde.

Als Mittel der Anreise wählte man zum ersten Mal seit langem mal wieder die Bahn, die sich trotz horrendem WE-Ticket für zwei Personen doch mehr rentierte als die eigenen vier Räder. Um kurz nach sechs am frühen Sonntagmorgen gings daher raus aus den Federn und auf den kurzen Weg zum Bahnhof Konz. Per Regionalexpress legte man die gut viereinhalbstündige Anreise über Koblenz, Köln und Oberhausen zurück, ehe wir eine gute Stunde vor Anpfiff am S-Bahnhof Essen-Bergeborbeck eintrudelten.

Mal wieder um die Erkenntnis reicher, dass Bahnfahren (solange alles läuft wie es soll) um einiges entspannter abläuft als eine Hin- und Rückreise per Auto, gings auf den kurzen Fußmarsch in Richtung Stadion. Unterwegs begegnete man einer so großen Anzahl an echten Ruhrpottoriginalen wie schon lange nicht mehr. In der rechten Hand ein Bier, in der linken Hand das Zweite, dazu eine goldene Sonnenbrille auf und ein T-Shirt an, welches möglichst viel der verschwitzten Brustbehaarung offenbart. Da bekommt man doch richtig Bock auf Fussball! So viel Authentizität auf einem Haufen bekommt man im heutigen Fussball auch nicht mehr oft unter die Augen.

Mit der Zeit erblickten wir schließlich den verbliebenen Flutlichtmast des alten Stadions an der Hafenstraße, der als einziges Relikt zumindest in Echtgröße an die alte Spielstätte erinnerte. Direkt dahinter erstreckte sich das neue Essener Stadion, welches von außen nur bedingt nach karger Betonwüste aussah. Vielmehr wusste die ungewöhnlich schnörkellose Bude mit ihren vier freistehenden Tribünen überraschend zu gefallen. Gerade die Stahlverkleidung ringsum ergab ein klasse Bild, was man so auch noch nicht gesehen hat. Ein reines Fussballstadion eben, aber im Gegensatz zu anderen Neubauten gleichzeitig gar nicht mal so austauschbar.

Für 18 Taler pro Nase gabs die vorher schon ausgesuchten Tickets für den R1-Block auf der Rahn-Tribüne direkt neben dem Gästeblock. Bevor man jedoch den ersten Fuß ins Stadioninnere setzte, trieb uns der Hunger zunächst an die Futterbuden. Für vier Euro gabs dort ein heißes Schnitzelbrötchen und für drei die knackige rote Krakauer. Geschmacklich ganz in Ordnung und auch im preislichen Rahmen, mehr aber auch nicht. Das erfreulich große und eiskalte 0,5L Stauder floss bei tropischen Temperaturen wohlwollend die Kehle hinunter und erwies sich als durchaus trinkbar.

Gesättigt gings nun endlich hinein in die gute Stube, aus der erste gegenseitige Schmähgesänge immer wieder nach draußen drangen. Und schon beim ersten Anblick beider Kurven schien man seiner Vorahnung sicher zu sein: Da geht heute was! Für Essen das erste Heimspiel, für Wuppertal das erste Mal auswärts in dieser Saison. Dazu noch ein Duell, was von mancher Seite als Derby angesehen wird. Den passenden Rahmen dafür fand man allemal vor: Mehr als 11.000 Schaulustige bevölkerten die Ränge, wovon es ungefähr 2.000 mit den Gästen hielten. Eine Kulisse, von der manch Erstligist aus anderen Ländern nicht mal zu träumen wagt. Und, ums direkt mal vorweg zu nehmen: Es war einiges los auf beiden Seiten!

Die Heimseite startete mit hunderten rot-weißen Schwenkfahnen hinter dem Spruch „Wenn rot-weisse Fahnen weh’n in der Kurve West, wissen alle ganz genau, unser Sieg steht fest!“. Dazu gabs zum Einlaufen der Mannschaften eine volle Ladung weißes Konfetti über die gesamte Westtribüne. Nach der gelungenen optischen Aktion startete der motivierte Mob rund um die Rude Fans und Vandalz hinter einer schicken Zaunbeflaggung auch akustisch stark in die Partie. Natürlich auch vom Spielverlauf getragen gelang es dem Mob recht häufig, die komplette Westtribüne in Gesänge, Klatscheinlagen und Schlachtrufe miteinzubinden.

Allgemein zeigte sich die Mitmachquote recht ansehnlich, auch wenn sich in Halbzeit eins die Gesänge ab und an lediglich auf den dennoch großen harten Kern beschränkten und somit nicht immer zu uns durchdrangen. Lag vielleicht aber auch am eigenen Standort unweit des Gästeblocks. Doch dann waren da wieder die Augenblicke, in denen weite Teile des Stadions in die Lieder einstiegen und damit die Hafenstraße förmlich zum Beben brachten. Astreiner Auftritt der Heimkurve, den man so nicht auf dem Schirm hatte.

Im Verlauf des Spiels erblickten zudem zahlreiche Spruchbänder das Tageslicht, die unterm Strich auf zwei Themen runtergebrochen werden können: Zum einen wäre da das zehnjährige Jubiläum der Rude Fans, zu dem einige andere Fanclubs und Gruppierungen gratulierten. Zum anderen brachten die Gruppen ebenso ihre Abneigung gegenüber dem heutigen Gegenüber zum Ausdruck, die ebenso in Form einer Schwenkfahne und etlichen Schmähgesängen ausgelebt wurde. Die Spruchbänder findet ihr allesamt in unserer Fotogalerie!

Die Gäste rund um die Ultras Wuppertal riefen zu einer Trikottour auf, dem auch ein Groß der Mitgereisten folgte. Dadurch fiel natürlich schnell der befreundete Haufen aus Fenerbahçe auf, der mit seinem gelb-schwarzem Dress im ansonsten einheitlichen rot-blau deutlich hervorstach. Auch hier sollte zu Spielbeginn durch eine optische Aktion der eigenen Mannschaft noch die Extraportion Motivation auf den Weg geben werden. Hinter dem Spruch „Wir stehen immer für dich ein! – Ganz egal in welcher Liga!“ wurde eine einfache, aber wirkungsvolle rot-blaue Folienschalchoreo gezeigt.

Danach startete der Gästeblock hinter einer eher dünnen Zaunbeflaggung ebenso stark in die Partie wie sein Gegenüber. Mit vom Fleck weg hoher Mitmachquote schmetterte das Liedgut ins weite Rund, wobei dessen bauliche Struktur der Atmosphäre sehr in die Karten spielte. Die recht einfachen und durchweg bekannten Gesänge wurden vergleichsweise lange gehalten, wobei sich der Block immer wieder selbst zu neuen Höhepunkten pushte.

Obwohl das Spiel alles andere als rosig aus Wuppertaler Sicht verlief, zeigte der Anhang eine Trotzreaktion nach der anderen und steigerte gar seine Lautstärke nach den Gegentreffern. Verständlicherweise konnte dieses Niveau nicht unendlich lange gehalten werden, sodass gerade im zweiten Durchgang oftmals nur der untere Bereich des Blocks aktiv war. Dennoch Hut ab vor dieser Moral, seinen Verein selbst in einem solch aussichtslosen Spiel gegen einen verhassten Verein beständig weiter zu besingen.

Der sportliche Verlauf dürfte dem aufmerksamen Leser wohl schon zu genüge aufgefallen sein. Nach gerade einmal 25 Sekunden (!) legte Essen mit dem 1:0 den Grundstein für einen in allen Belangen verdienten Heimsieg. Die Treffer zwei, drei und vier folgten noch vor der Halbzeit, ehe die Mannschaft nach dem 5:0 nach genau einer Stunde ein paar Gänge zurückschaltete. Wuppertal, bis zu diesem Zeitpunkt nicht auch nur ein Mal vorm gegnerischen Kasten gewesen, nutzte die Chance und kam nach seiner ersten Ecke kurz vor Ende zum Ehrentreffer. Viele der Wuppertaler Normalos dürften das schon nicht mehr mitbekommen haben, denn mit größer werdendem Rückstand stieg die Zahl derer, die das Stadion vorzeitig verließen.

Der verbliebene Anhang packte kurz vor Ende seine Schals aus und schmetterte noch einmal sein Vereinslied, ehe das Spiel beendet wurde. Im Anschluss kippte die Stimmung im Gästeblock ein wenig, als die geschlagenen Spieler langsam zu ihrem Anhang trotteten. Trotz der anfänglichen Aufforderung des harten Kerns, dass man sich unnötige Worte am besten sparen und stattdessen lieber den Weg in die Kabine aufsuchen sollte, kamen die Akteure dennoch bis an den Zaun. Einige heftige Ansagen und Diskussionen später war man sich sicher einig, dass am nächsten Wochenende eine Leistungssteigerung angebracht wäre. Auf der Heimseite gestaltete sich die Geschichte natürlich wesentlich entspannter. Die Westtribüne feierte ausschweifend mit der Mannschaft, die die Auftaktniederlage aus der Vorwoche auf dem wahrscheinlich bestmöglichen Wege wieder gerade bügelte.

Was bleibt am Schluss? Auf dem Rasen krönten dominante Essener ihre starke Leistung mit einem hochverdienten 5:1, während man aus subjektiver Sicht auf den Rängen keinen wirklichen Sieger bestimmen konnte. Die Gäste gefielen vielleicht aufgrund der tollen Moral einen Tick besser, während die Heimkurve dann wiederum mit ihrer Stimmgewalt überzeugte. Aber was soll all das hin und her. Beide Kurven legten unterm Strich einen absoluten Sahneauftritt hin und verdienen den größten Respekt dafür, eine solche Show in der Regionalliga abzuziehen. Das ist der echte Fussball, wie man ihn einfach nur lieben kann. Und genau das ist auch der Grund dafür, weshalb man Woche für Woche durch die Stadien des Landes zieht. Ein Gänsehauterlebnis eben, das seines Gleichen sucht.

Nachdem an der Hafenstraße so langsam wieder Ruhe einkehrte, strichen auch wir die Segel und bahnten uns unseren Weg nach Draußen. Relativ spontan entschied man sich gegen eine sofortige Rückreise und fuhr stattdessen zunächst mit dem Bus in die Essener Innenstadt. In einer dortigen Mall besuchte man den Burgerladen Five Guys, wo man auf zwei vorher kontaktierte Bekannte aus dem rheinischen Raum traf. Bei saftigen Burgern, Fritten und Milkshakes verlaberte man einige Zeit, ehe man schließlich zu viert gen Düsseldorf düste. Dort gabs noch das ein oder andere kühle Bier, bevor am Ende die vierstündige Rückreise für uns anstand.

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Mit dem letzten Zug erreichte man schließlich das Trierer Umland um kurz vor Mitternacht, wo wir recht fertig wieder in die Federn fielen. Sonntage habens manchmal in sich… aber sie sind es wert!