Ligue 1: Racing Strasbourg – AS Saint-Étienne

19.08.2018
2. Spieltag Ligue 1
Racing Strasbourg - AS Saint-Étienne
Stade de la Meinau
Endergebnis: 1:1 (0:0)
Zuschauer: 25.385 (ca. 500 Gäste)
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Da der eigene Verein am DFB-Pokalwochenende selbst ran durfte und damit längere Touren von vornehinein vom Tisch waren, hoffte man zumindest auf das eine oder andere weitere interessante Spiel im Südwesten. Die Ernüchterung folgte jedoch alsbald, da sämtliche Pokalspiele in der Region ebenfalls auf den Samstag terminiert werden sollten. Da die einzig verbliebenen Sonntagsoptionen mit RW Koblenz und dem KSC lediglich Revisiten schon gemachter Grounds und schon gesehener Gegner beinhalten würden (und das bei gar nicht mal so geringen Kosten), horchten die Lauscher schnell auf, als man von der wiedergewonnenen Freizügigkeit französischer Anhänger im Ligageschäft hörte.

Die Partie zwischen Racing Strasbourg und der AS Saint-Étienne fiel dabei zwangsläufig ins Blickfeld, da man mit dem Stade de la Meinau den letzten verbliebenen Erstligaground in der näheren Umgebung machen könnte. Auch mit der Anstosszeit von drei Uhr Sonntagmittags konnte man sich anfreunden, da so einer entspannten An- und Abreise inklusive Stadtbesichtigung nichts im Wege stand. Lediglich bei den Tickets hatte man kurze Zeit Bammel, da der freie Verkauf erst montags in der gleichen Woche starten sollte. Für 16€ pro Person konnte man aber am Ende des Tages zwei Billets sein eigen nennen und sogar schon in Händen halten, hässlichen e-Tickets sei Dank.

Erfreulich war dabei auch gleich die Tatsache, dass das Stadion zum ersten Heimspiel der noch jungen Saison nahezu ausverkauft schien. Auch aus dem Süden Lyons sollten wohl die einen oder anderen Busse den Weg in den Norden finden, sodass die Vorfreude auf den Sonntag in der Vorwoche nahezu omnipräsent schien. Zwecks Anreise entschied man sich aufgrund guter Verbindungen und einer ansonsten für das Auto benötigten Plakette (ohne wird’s teuer!) für die Schiene. Dabei sollte es zunächst per Auto an den Saarbrücker Hauptbahnhof gehen, von dort per Tram nach Sarreguemines über die Grenze, wo der Zug nach Strasbourg bestiegen werden sollte um am Ende per Tram das Stadion zu erreichen. Im ersten Moment ein organisatorischer Brocken, bei näherer Betrachtung aber eigentlich ganz easy.

Dennoch musste man sich zügig vom Gedanken an genügend Schlaf verabschieden, denn der Wecker warf uns sonntags früh aus den Federn. Nach kurzer Stärkung gings über die Autobahn an den hauptstädtischen Bahnhof, wo man das Gefährt zum Nulltarif auf dem Vorplatz abstellen konnte. Als nächstes wollte noch das günstige Bahnticket gezogen werden, welches am Wochenende für gerade einmal 29€ eine Hin- und Rückfahrt für bis zu fünf Personen vom Saarland ins Elsass beinhaltete. Auch zu zweit preislich unschlagbar. Auch enthalten war damit die Fahrt in der Saarbahn, mit der es in der Folge bis zur Endstation ins französische Sarreguemines (Saargemünd) ging. Dort hatte man direkt mal eine Umstiegszeit von etwas über einer Stunde, die man zur Besichtigung des kleinen Städtchens nutzte. Viel mehr Zeit bräuchte man auch nicht zur Begehung der verschlafenen Gässchen und alten Gemäuer, sodass man zügig wieder den Weg zum Bahnhof antrat.

Selbiger machte im ersten Moment den Anschein, als hätte der letzte Zug vor einigen Jahren die Stadt verlassen. Grasbewachsene Gleise, gammlige Dächer und bröckelnder Beton sind Zeugen der romantisch-maroden Grenzgegend, die wohl nur aufgrund ihrer Nähe zu Saarbrücken nicht vollends verlassen wurde. Obwohl die Vegetation den Bahnsteig zurückzuerobern schien, fuhr unser Regionalexpress dennoch pünktlich an seinen Startbahnhof ein. Alle zwei bzw. drei Stunden fährt hier ein Zug, der letzte verlässt um kurz nach acht Uhr abends den Bahnsteig. Mal kurz den Zug verpassen is also nicht. Das Gefährt wirkte dann eigentlich recht modern und unterschied sich von seinen deutschen Pendants lediglich durch eingebaute Eck-Sofas (!), die für den nötigen Coolnessfaktor sorgten.

Entspannt gings durch grüne Täler und malerische Landschaften gen Strasbourg, wobei lediglich das ständige Rattern der nicht verschweißten Gleise uns am Einschlafen hinderte. Nach etwas über einer Stunde erreichten wir schließlich die Hauptstadt Elsass-Lothringens, gleichzeitig Sitz des europäischen Parlamentes und mit etwas über 270.000 Einwohnern größte Stadt im Nordosten Frankreichs. Aber so viel zu den harten Fakten, denn die folgenden zwei Stunden gings auf einen kurzen Rundgang durch die Altstadt ohne großen Plan. Der Vorbau des Hauptbahnhofs schien dabei das so ziemlich einzig moderne Gebäude zu sein, denn den überwiegenden Großteil der Stadt stellen schmucke alte Fachwerkhäuser und ebenso viele alte französische Häuser da. Die Grenznähe ist somit auch in der vorherrschenden Architektur spürbar.

Obligatorisch bewaffnet mit einem frisch gekauften Baguette mit Schinken und Käse gings durch enge Gassen und große Plätze zum großen Straßburger Münster, ehe man ein wenig an den Kanälen der Ill flanierte. Insgesamt eine schöne und vor allem alte Stadt, jedoch auch sehr von Touristen überladen. Hat jedoch den Vorteil, dass die meisten Geschäfte auch sonntags offen haben. Die zwei Stunden vergingen wie im Flug, weshalb man als nächstes eine Tramstation ansteuerte. Dort erwarb man zwei Tagestickets a zwei Euro, die es lediglich an Spieltagen des RCS in Verbindung mit den Tickets gibt. Mit der A-Linie gings auf die kurze Reise in den Süden der Stadt, wo man in Krimmeri die übervolle Bahn schon wieder verlassen konnte.

Per Pedes erreichten wir den alten Betonklotz namens Stade de la Meinau in unter fünf Minuten. Von außen recht unscheinbar und ohne viel Schnickschnack, wusste das reine Fussballstadion gut zu gefallen. Eine knappe Stunde vor Anpfiff enterten wir bereits die Anlage und suchten uns Plätze, wohl wissend, dass sich die Geschichte in unserer Kategorie wohl als schwierig herausstellen sollte. Denn für die eingangs erwähnten 16 Tacken gabs lediglich einen Stehplatz mit freier Platzwahl auf der Nordtribüne, genauer gesagt innerhalb einer Art Safe-Standing Areal. Selbiges zieht sich mit zwei bzw. drei Stufen einmal durchs komplette Stadion und ist den eigentlichen Tribünen vorgelagert, befindet sich also quasi direkt am Spielfeldrand. Davor geht’s gut drei Meter in den Abgrund, der wohl Flitzer vorm Ausüben ihrer Haupttätigkeit abhalten soll.

Neben dieser eher ungewöhnlichen Eigenheit kam das Stade eigentlich recht schick rüber und überzeugte mit seiner großen Stehtribüne im Westen, während der Gästeblock eher wie ein Affenkäfig wirkte. Hohe Zäune und ein dichtes Fangnetz sind wohl als Präventivmaßnahme gedacht. Immerhin blieb der Gästeblock an diesem Tag nicht leer, wie es in den vergangenen paar Jahren fast überall im Land zumeist der Fall war. Erfreulich war zudem der Anblick von Choreovorbereitungen auf der Westtribüne, Heimat der aktiven Fanszene, sowie auf der Osttribüne. Bei letzterer handelte es sich jedoch anscheinend um eine gesponserte Aktion, da die weißen Zettel mit einem viel zu kleinen Trikot als Blockfahne keinen wirklichen Eindruck machen konnten.

Anders aber die Westtribüne rund um die Ultra Boys 90, die mit etlichen blauen und weißen Schwenkfahnen in unterschiedlichen Größen die Stehränge einfärbten. Passend dazu der Spruch „Für unsere Stadt, für unseren Club, für unsere Farben“. Danach folgte eine Gedenkminute an einen Verstorbenen, in welcher das gesamte Stadion inklusive Gäste klatschte. Erfreulich übrigens auch die Tatsache, dass in Strasbourg lediglich eine Kurve existiert, was so in Frankreich eher nicht zur Regel gehört.

Was sich in Sachen Akustik an diesem Tag abspielte, ließ die eigenen vorher gemachten Erwartungen fast schon als amateurhaft unwissend erscheinen. Nahezu die komplette Westtribüne beteiligte sich über die komplette Dauer an den Gesängen, Klatsch- und Hüpfeinlagen und erreichte eine enorme Lautstärke. Immer wieder wurden die zu Beginn verteilten Fahnen dabei eingebunden und teils die unterschiedlichen Farben abwechselnd eingesetzt. Mehrere Male gelang es der Kurve, das gesamte Stadion miteinzubinden und somit die Tribünen wortwörtlich zum Beben zu bringen. Ein astreiner Auftritt einer unglaublichen Kurve, die vor allem aufgrund ihrer Lautstärke überzeugte. Mit Blick auf das Liedgut bewährten sich wohl hier die bekannten und vor allem einfachen Melodien, wobei man auf schnelle Wechsel setzte und somit unabhängig vom Spielverlauf sich immer wieder selbst zu neuen Höhepunkten pushte. Alleine dafür hatte sich der Besuch quasi schon gelohnt.

Doch es kam sogar noch besser, denn ein mehr als ordentlicher Gästemob enterte einige Minuten vor Anpfiff den Käfig. Zunächst war lediglich eine Handvoll grün-weißer Anhänger anwesend, wobei auch zu diesem Zeitpunkt ein kleiner Mob aus etwa zwanzig Mann am abfeiern war. Kurze Zeit später folgte der große Rest und flaggte die Fahnen der führenden Gruppen Magic Fans und Green Angels 92 an die Wellenbrecher. Unter ohrenbetäubendem Dauergetrommel, das auf unserer ersten Position zumeist sogar die starke Heimkurve überdeckte, war der Gästehaufen ebenso hochmotiviert zu Gange und schmetterte sein Liedgut durchs weite Rund. Die ebenfalls einfachen Lieder, von denen man die meisten auch ohne Französischkenntnisse mitsingen könnte, wurden durchweg fünf bis zehn Minuten gehalten, ohne dass auch nur einmal die Lautstärke signifikant absackte. Einen solch feiernden Haufen bekamen wir schon lange nicht mehr unter die Augen.

Aufgrund des wirklich penetranten Trommelns und der stechenden Sonne (Notiz an uns selbst: Nordtribüne zur Mittagszeit = Knallende Sonne auf den Schädel) mogelten wir uns in der Halbzeitpause auf die Südtribüne, auch um einen besseren Blick auf den Gästeblock zu erhaschen und um von den Gesängen der Heimkurve etwas mehr mitzubekommen. Dank des Rundlaufes und fehlenden Ordnern ohne Probleme möglich. Mit neuem Standort übertönte nun die Heimkurve wirklich alles, doch der neue Blickwinkel machte sich direkt zu Beginn des zweiten Durchgangs bezahlt.

Mit Wiederanpfiff präsentierte der Gästeblock eine große Choreo bestehend aus einer Blockfahne mit goldener Krone und grünen und weißen Folienbahnen, die quer hochgehalten den Block in die Farben der Gäste tauchten. Dazu gabs im Bereich der GA 92 einige rote, grüne und gelbe Fackeln. Eine sehr schicke Aktion und nebenbei die dritte Choreo im selben Spiel. Was will man mehr?

Sogar auf dem Rasen gings hoch her, wobei die erste nennenswerte Aktion eine rote Karte nach einer Notbremse aus der 18. Minute darstellte. Für Neven Subotić, mittlerweile im Dienst von ASSE, endete der Nachmittag somit bedeutend früher als erwartet. Die Überzahl der Hausherren merkte man jedoch kaum, sodass es ohne große Chancen torlos in die Halbzeitpause ging. In der 55. Minute durfte der Anhang der Elsässer dann aber endlich jubeln, und zwar so richtig. Nach dem 1:0 drehte die Westkurve und das restliche Stadion so richtig frei und verlieh mehr als einmal Gänsehaut. Doch für den Heimsieg sollte es am Ende nicht reichen. In der 88. Minute kamen die Stéphanoise zum nicht wirklich unverdienten Ausgleichstreffer, der wiederum den Gästeblock toben ließ.

Hätte man in diesem Moment nur den Heimblock betrachtet, hätte man das Gegentor womöglich gar nicht registriert, denn eine wirkliche Reaktion blieb von Seiten der Fans aus. Vielmehr feierte man umso mehr die eigene Mannschaft, wobei eine Hüpfaktion mit dem Rücken zum Spielfeld kurz vor Schluss nochmals mächtig Eindruck machte. Wenig später war leider Schluss und das Stadion leerte sich frankreichtypisch innerhalb von wenigen Minuten. Somit fiel es auch uns nicht schwer die Rückreise anzutreten.

Immer noch fasziniert vom gerade erlebten gings wieder per Tram zurück zum Hauptbahnhof, wo man sich in einem lokalen Fastfood Restaurant mit einem Milchshake runterkühlte. Der Durst konnte glücklicherweise an unzähligen Wasserspendern kostenlos gestillt werden, wodurch die zwei unwissend erworbenen Fläschchen Wasser die einzigen des Tages bleiben sollten. Mit dem nächsten Regionalzug gings zurück nach Sarreguemines, wobei man die Fahrt zur ersten Sichtung der gemachten Kurvenbilder nutzte. Zum Glück stellten sich die Fotos des Gästeblocks trotz greller Sonne als halbwegs brauchbar heraus, wirklich gut ist jedoch anders.

Wichtig ist jedoch sowieso nur das Erlebte, wobei man beim Gedanken daran noch heute Gänsehaut bekommt. Der Umstieg im Grenzort zurück in die Saarbahn gelang auf dem Rückweg ohne zu lange Wartezeiten, sodass man, nach Zwangshalt der Tram in Brebach („Ich hab jetzt Feierabend. Bitte nehmt die nächste Bahn in 15 Minuten“), um kurz nach neun wieder am Saarbrücker Hauptbahnhof ins Auto stieg. Die wohlverdiente Pizza bestellte man sicherheitshalber schonmal vor Abfahrt, bevor es die letzten paar Kilometer wieder ins beschauliche Elversberg ging.

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Völlig fertig, aber ebenso glücklich sackte man aufs Sofa und genoss das späte Abendessen. Ein Sonntag, wie er im Buche steht und wiedermal ein Beweis dafür, dass man sich seine Highlights im Leben einfach selbst setzen muss.