10.11.2023
13. Spieltag 2. Bundesliga
FC Schalke 04 - SV Elversberg
Arena Auf Schalke
Endergebnis: 1:2 (1:2)
Zuschauer: 61.110 (1.500 Gäste)
Ticket: 16,50€
Fotoalbum
Mittlerweile kann ich meine Gefühlslage vor den meisten Auswärtsspielen gar nicht mehr richtig einordnen. Vorfreude aufgrund beeindruckender Stadien, Respekt aufgrund sportlich namhafter Gegner und Zweifel, inwiefern der Elversberger Gästeblock ansatzweise eine gute Figur abgeben könnte, die dem Unterhaus entspricht. All diese Gedanken mit dem anstehenden Auswärtsauftritt auf Schalke ergaben einfach eine absolut surreale Situation. Bereits vier Mal beehrte ich die neue Arena, sah dabei große Bundesligaduelle oder auch Abende im Europapokal. Und jetzt mit dem eigenen Verein dieser königsblauen Wand gegenüberstehen? Surreal, phantastisch, unglaublich. Gleiche Attribute flogen beim Ende des Vorverkaufs der Gästetickets durch den Raum, der schließlich 1.500 Saarländer an einem Freitagabend bedeutete. So viel kamen vor vier Jahren nicht zu manchen Heimspielen. Klar, das wird natürlich DAS Eventpublikum des Jahres, aber wann bringt Elversberg schonmal eine solch große Zahl weiter als bis nach Lautern oder Saarbrücken?
Schließlich kam der Freitagmittag, der Arbeits-Laptop wurde fest verschlossen und von Frankfurt aus per Vehikel in Richtung Westen gedüst. Im Schlepptau viel Verkehr und noch mehr Baustellen, dazu ordentliches Mistwetter auf der stauverseuchten Strecke von Lüdenscheid bis Gelsenkirchen. Trotzdem gut zwei Stunden vor Anpfiff am Gästeparkplatz aufgeschlagen und wenige Schritte durch den Regen später die große Arena In Sicht. Leider ohne Tageskasse, weshalb die Karten im voraus aus dem Drucker gezogen werden mussten. Bleibt für mich weiterhin unverständlich, warum Tickets für den Steher, die sowieso nicht an den Heimverein zurückgeschickt werden können, nicht vor Ort verkauft werden. Da wird wohl gespart wo es nur geht, und zwar überall…
Wenig später ging’s durch den Tunnel hinein in den Gästeblock im Süden. Da lag sie wieder vor uns, diese über 62.000 Zuschauer fassende Schüssel in Grau und Blau. Genauso beeindruckend wie die letzten vier Mal, bei denen man die Augen über die großen Traversen schweifen ließ. Wahrlich eine spektakuläre Bühne für ein Meisterschaftsspiel der SVE! Während sich die Plätze so langsam füllten, testeten wir die Verpflegung in Form der ordentlichen Frikadelle und der recht guten Currywurst, deren Soße mit viel Zwiebeln und Jalapeños bestach. Industriequalität beschreibt es am Besten, aber auch nicht wirklich schlecht. Sättigte und gab Kraft für die kommenden Minuten, in denen sich auch der Gästeblock allmählich füllte.
Leider verhinderten etliche Staus die rechtzeitige Ankunft aller 11 Busse, sodass einige Schwarz-Weiße das Spektakel zum Steigerlied verpassten. Die Dunkelheit im Stadion, lediglich erfüllt von zahlreichen Handylichtern, ergab eine schöne Atmosphäre zu einem auch für das Saarland höchst emotionalen Lied. Eben auch für Elversberg, einst als Kolonistensiedlung für den Bergbau gegründet und einem Stadion, das wortwörtlich auf Kohle gebaut wurde (und dadurch einige Stadionpläne zunichte gemacht wurden). Laut wurde es zudem durch das geschlossene Dach, was allerdings nicht nur Vorteile bot. Denn es wurde warm und diesig im Stadion, wobei vor allem Letzteres die Sicht auf die Ränge der großen Bude zusehends einschränkte.
Dafür knallte die Schalker Hymne samt Schalparade auf allen Rängen umso besser und die ersten Gesänge, bei denen so ziemlich alle mitzogen, erreichten eine unfassbare Lautstärke. Auch wenn die Momente, in denen wirklich alle mitmachten, doch eher rar gesät waren, ist die Nordkurve im deutschen Fussball sicherlich das Maß der Dinge und ganz weit oben anzusiedeln. Unzählige Schwenker und Doppelhalter im Großteil der Kurve, dazu pausenlos Bewegung und eine gigantische Masse, die eigentlich immer mitzieht. Dazu viele Eigenkreationen bei den Liedern. Wer hat sonst schon Linkin Park im Repertoire? Einzig das Thema Zaunfahnen ist der Kurve gelinde gesagt unwürdig, allerdings ist das auch schon mindestens seit Bestehen der Arena eine unendliche Diskussion. Zusammenfassend ein bockstarker Heimauftritt und eine völiig andere Dimension dessen, was man in Elversberg unter einem Auswärtsspiel versteht.
Denn dagegenhalten war, trotz der überragenden 1.500, davon gut 1.100 im Steher, absolut unmöglich. Trotzdem gaben die Schwarz-Weißen alles, ließen eine gute Zahl Schwenker stetig Kreisen und feuerten die eigenen Mannen konstant und lautstark an. Kritisch muss man höchstens in Richtung Mitmachquote sein, allerdings fuhren eben auch eine ganze Menge nicht wirklich an Stimmung Interessierter mit, die erst im zweiten Durchgang aus dem Quark kamen. Was nämlich ab Minute 75 abging war nicht in Worte zu fassen. Lautstarker Dauergesang zu „2022“, dazu eine in pure Sangeskraft umgewandelte Energie aus dem spannenden Kick.
Unvergesslich für alle Anwesenden, wie auch das Spiel selbst, in dem Stock und Rochelt die SVE früh auf die Siegerstraße brachten. Der Anschluss durch Schalke noch vor der Pause war natürlich ein Dämpfer, doch die Elversberger Hintermannschaft samt Kristof entschärften jede noch so brenzlige Situation, zur Not auf der Linie. Ganze acht Minuten Nachschlag mussten am Ende ebenso überstanden werden, ehe ein unfassbar lauter Jubelschrei des Gästeblocks das für kurze Zeit stille Stadion erfüllte. Es war geschafft! Die SV Elversberg schlägt den großen FC Schalke 04 in dessen Wohnzimmer! Der gesamte Block setzte zur minutenlangen Jubelorgie an, Becher regneten aus den angrenzenden Heimbereichen und die Mannschaft auf dem Rasen beglückwünschte sich gegenseitig für ihre aufopferungsvolle Leistung. Pure Freude, purer Stolz. Ein wirklich geiles Gefühl, drei Punkte vor einer solch grandiosen Kulisse einzufahren.
Ein lautes „Auswärtssieg“ hallte durch die Bude, ehe schließlich ungläubige Ruhe einkehrte. Die Emotionen waren einfach aufgebraucht, die Akkus vollends entladen. Auch die unseren, weshalb es ohne viele Worte durch den peitschenden Regen zurück zum Vehikel ging. Erst nach einer ganzen Weile kam die Klarheit zurück in die Köpfe, die Freude über die drei Punkte, die Gedanken an das gerade erlebte. Hier wird Vereinsgeschichte geschrieben, und zwar jedes Wochenende. Und wir haben die Ehre, als derzeitige Generation live dabei zu sein. Diese Gedanken versüßten die Rückfahrt ungemein und lassen uns mit ungezähmter Vorfreude auf die restliche Saison blicken!