Testspiel: England – Australien

13.10.2023
Testspiel
England - Australien
Wembley Stadium
Endergebnis: 1:0 (0:0)
Zuschauer: 81.116
Ticket: 35£
Fotoalbum

In all den Jahren der Regionalliga als auch in der dritten Liga nie ein Problem, erhalten seit dieser Saison Länderspielpausen Einzug in den sonst so schönen Rhythmus aus Heim- und Auswärtsspielen. Musste man sich früher keine Gedanken drüber machen, gilt es nun auch diese Tage mit etwas Leben am Fußballhorizont zu füllen. In anderen Worten: Diese Samstage und Sonntage sind zumindest in der aktuellen Saison die einzigen, die wir für einen Abstecher ins Ausland nutzen können und wollen. Die so genannten Luxusprobleme…

So wirklich viel geht abseits von Länderspielen natürlich auch wieder nicht, sodass zwangsläufig diese sonst eher gemiedenen Partien in den Fokus rückten. Damit einher gingen auch ein paar Optionen der eigene Wunschliste größerer Stadionperlen Europas, die teilweise als Nationalstadion nahezu gänzlich dem Vereinsfußball vorenthalten bleiben. Wembley war der erste Name, der mir im Anfangsstadium der Planungen durch den Kopf schwebte. Passte mit dem Freitagabendspiel ganz gut in den Tee, zudem gab’s für das unbedeutende Testspiel gegen Australien noch massig Tickets und der Familie wollte man in der Wahlheimat auch nochmal einen Besuch abstatten. Von da an ging’s wie üblich fix, Tickets und Flüge landeten im Warenkorb und die Vorfreude auf die Insel dominierte die folgenden Wochen.

Und schon war er da, der ganze frühe Zeitpunkt der Abreise noch vor fünf Uhr am Freitagmorgen. Aus Zeit- und Bequemlichkeitsgründen via Uber zum Frankfurter Flughafen, fix beim goldenen M gestärkt und durch die verwaisten Kontrollen nahezu direkt in den Flieger. Zwangsläufig ein paar Runden über London gedreht, landete der Kranich mit etwas Verspätung in Heathrow und spuckte uns an den Passkontrollen aus, die wir in rekordverdächtigen fünf Minuten passierten. Dauert sonst, je nach Andrang, gerne mal die volle Stunde. Daher mit ordentlich Zeit auf der Uhr per Tube nach London gedüst, wo uns nun ein voller Tag in der englischen Hauptstadt erwartete. Standesgemäß war ein Wetherspoons unsere erste Anlaufstelle, dieses Mal der vorzügliche Laden am Bahnhof Cannon Street direkt an der Plattform. Hatte ordentlich Charme und auch das servierte English Breakfast erfüllte alle Erwartungen. Klare Empfehlung!

Der anschließende Verdauungsspaziergang entlang der Themse führte uns bei echt britischem Wetter vorbei am Tower of London bis hin zur oft gesehenen Tower Bridge, wo sich auch an diesem Vormittag wieder die Massen entlang der Promenaden schoben. Nette Gegend, nur deutlich zu viel los. Daher schlenderten wir ein wenig durchs Viertel und umliefen die großen Massen, ehe wir zu unserem Besuch im auf den kuriosen Namen „Walkie-Talkie“ hörenden Wolkenkratzer ansetzten. In diesem befindet sich auf den obersten Etagen der Sky Garden, ein vorab buchbarer, aber kostenloser Aussichtspunkt über gesamt London. Einen richtigen Garten fanden wir hoch oben zwar nicht vor, dafür erfreuten wir uns am Ausblick von einem der höchsten Punkte der Stadt. Das nun etwas besser werdende Wetter lud entsprechend zum Verweilen ein, ehe der kulinarische Part des Tages seine Fortsetzung fand.

Erst eine gute Portion Udon in der Nähe, dann ein Abstecher nach Chinatown inklusive original taiwanesischem Bubbletea von Xing Fu Tan – für uns wahrlich der siebte Himmel! Entsprechend pappsatt gen Green Park Station gestapft und dort mit der noch recht leeren Jubilee Line gen Ziel des Abends: Wembley. Ankunft nach knapp zwanzig Minuten an der Wembley Park Station mit bestem Blick auf den ikonischen Olympic Way, der geradewegs auf den monumentalen Bau hinführt. Mittlerweile umgeben von einem komplett neu gebauten Viertel, was durch gläserne Fassaden zwar nicht mehr viel des altbekannten englischen Charmes versprühte, dank unzähligen Malls aber immerhin genügend Anlaufstellen für die erwarteten Fanmassen zwecks Abendessen bereit hielt. Auch wir suchten uns – Überraschung – für die gefühlt fünfte Mahlzeit des langen Tages ein geeignetes Etablissement, vervollständigten wenig später unsere Gruppe auf vier Personen und ließen uns im Pizza Express nieder. Qualität dem Namen der Kette entsprechend, hielt aber den restlichen Abend vor.

Dann war es endlich soweit: Es ging in Richtung blauer Zone, wo sich mit Eingang A unsere Pforten zum zweitgrößten Stadion Europas befanden. Dank tollem Orientierungssinn gab’s davor eine extra Stadionrunde, die beim Anblick der immer näher kommenden Regenwolken für ein deutlich schnelleres Schritttempo sorgte. Aber just mit dem Eintreffen der ersten Tropfen erreichten wir die engen Drehkreuze, überwanden die recht peniblen Kontrollen (eine volle Wasserflasche war trotzdem kein Problem) und bestiegen den Aufzug bis zur höchsten Ebene des Stadions. Keine Minute später standen wir nun am Mundloch des gewählten Block 520 auf der Südtribüne und schritten über die letzten Stufen hinein in das weite Rund.

Ein wahrlich beeindruckender Anblick auf das noch leere Stadion tat sich vor uns auf und lies uns für einige Momente innehalten. Wahrlich gigantisch, diese drei komplett in Rot bestuhlten Ränge, die sich wie ein Band um das weit entfernt wirkende Spielfeld schnüren und die Kapazität bis auf 90.000 Zuschauer ansteigen lassen. Ebenso gigantisch wirkt der 133 Meter hohe Bogen, der das nördliche Dach an Ort und Stelle hält. Gleiches gilt für die beiden Anzeigetafeln, die hinter den beiden Toren um die Wette leuchten. Ein beeindruckender Bau, der trotz seines noch jungen Alters (Eröffnung in 2007) zu den bekanntesten Tempeln des Kontinents zählt.

Viel los war gut neunzig Minuten allerdings noch nicht und auch das Beobachten des eben entflohenen Sturzregens war nur kurze Zeit unterhaltsam, sodass es bis zum Anpfiff nochmal in den Umlauf ging. Dort mit einem Pint beglückt und den Gesängen der sich langsam warmtrinkenden Engländern gelauscht, was die Hoffnung auf zumindest etwas Stimmung aufkeimen lies. Die Enttäuschung in der Hinsicht folgte allerdings mit Anpfiff, denn bis auf die mit Inbrunst vorgetragene Nationalhymne regierte Stille unter der für ein Testspiel grandiosen Kulisse. Ein einsamer Trommler im östlichen Unterrang versuchte zwar sein Bestes, doch bis auf kurze „England“-Rufe kitzelte auch er wenig aus der Masse heraus.

Gleiches galt auch für den Gästeblock, der zwar mit vielen größtenteils auf der Insel ansässigen Australiern und Sympathisanten gefüllt war, doch auch hier verfolgte man den unbedeutenden Test lieber schweigend. Insgesamt mehr Event-Charakter, viele Kids und die Laola am Ende durfte auch nicht fehlen. Lag aber, so ehrlich bin ich mit mir selbst, im Rahmen der Erwartungen für einen Test und war auch nur Beiwerk des Besuchs. Denn am Anblick der hoch aufsteigenden Tribünen konnten wir uns über die volle Spielzeit nicht satt sehen! Leider fehlte es auch auf dem Rasen an der notwendigen Ernsthaftigkeit, sodass das erste Aufeinandertreffen der beiden Länder in Wembley lustlos vor sich hin plätscherte. Die Gäste hatten tatsächlich ein paar mehr Chancen, England dafür nach einer guten Stunde das einzige Tor des Abends.

Das hielt allerdings gut die Hälfte aller Schaulustigen nicht davon ab, noch vor Schlusspfiff das Weite zu suchen. Glück für uns, denn so war nach Spielende deutlich weniger an den Ausgängen los, sodass wir recht fix den äußeren Stadionumlauf erreichten. Nun ging’s allerdings nicht zurück zur Tube, sondern zum direkt neben dem Stadion befindlichen Parkhaus und hinein in einen der schlimmsten Abfahrtsstaus, den ich im Zusammenhang mit einem Kick jemals erleben musste. Nicht nur dauerte die Ausfahrt aus dem Parkhaus über eine halbe Stunde, auch in den Straßen Londons ging lange Zeit so ziemlich gar nichts.

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Immerhin saß ich nicht selbst am Steuer und konnte es mir auf der Rückbank einigermaßen bequem machen, ehe mit erreichen der Autobahn gen Süden schließlich die Müdigkeit siegte und ich die gesamte Strecke durchpennte. Kann ich normal gar nicht, weder im Auto, Bus, Zug oder Flieger, aber die mittlerweile 24 Stunden auf den Beinen hinterließen heftigere Spuren als gedacht. Irgendwann gegen zwei Uhr erreichten wir schließlich unsere Bleibe bei der Familie in der Nähe von Southampton und fielen ohne Umwege in die Federn. Wembley erledigt und Haken dran!