2. Bundesliga: Kieler SV Holstein – SV Elversberg

08.10.2023
9. Spieltag 2. Bundesliga
Kieler SV Holstein - SV Elversberg
Holstein-Stadion
Endergebnis: 1:1 (1:0)
Zuschauer: 12.675 (100 Gäste)
Ticket: 17€
Fotoalbum

Auswärts an die Ostsee – da wurden direkt Erinnerungen an das letzte Spiel der SVE vor fast exakt 10 Jahren wach, als man in jungen Jahren im vollbesetzten Auto gen Norden ballerte, aufgrund von Staus erst zum Anpfiff das Stadion erreichte, einen von lediglich drei Auswärtssiegen der Saison feiern durfte und bis zur Vervollständigung des 24-stündigen Trips wieder zurück ins Saarland gondelte. Nun ist es nicht die dritte, sondern die zweite Liga, die Elversberg erneut nach Schleswig-Holstein und somit auf eine der weitesten Strecken im deutschen Profifußball führte. Für uns natürlich Grund genug, nach einer Dekade der nördlichsten Landeshauptstadt etwas mehr Zeit einzuräumen und das gesamte Wochenende dort zu verbringen. Die Wahl des Anreisemittels fiel dabei auf den Zug, wobei die wilde Mischung aus Flixtrain, RE und ICE tatsächlich ohne allzu große Verspätungen funktionierte. Kann ja auch mal gut gehen.

Somit erreichten wie Kiel am frühen Nachmittag, checkten im im Vorfeld günstig geschossenen Hampton in der Innenstadt ein und flanierten wenig später entlang der Hafenmauern. Wirklich schicker Blick auf die zahlreichen Werften und gigantischen Pötte, die hier von Schwedenkai bis Schloßgarten vor Anker lagen. Da fühlt man sich schon recht klein, wenn ein solcher Ozeanriese mal eben den höchsten Punkt der Stadt markiert. Und sicherlich ein Anblick, den man in der aktuellen Wahlheimat Frankfurt nur schwer begreifen kann. Leider spielte das Wetter nicht unbedingt mit, sodass die anschließende Runde durch die überschaubare, aber äußerst einladende Altstadt kurz gehalten und wenig später im Jan&Hein&Klaas&Pit eingekehrt wurde.

Gutes Bier und noch besseres Essen eröffneten den Abend, der wenig später im Ratskeller mit einigen bekannten Gesichtern fortgesetzt wurde. Die Suche nach einer Kneipe im Anschluss gestaltete sich jedoch schwierig, denn zumindest in der Innenstadt schien irgendwann tote Hose zu sein. Daher dauerte es eine ganze Weile, ehe das Grüppchen mit dem Hafenjunge an der Bergstraße (hä, der Norden ist doch flach?!) einen Laden zum versacken fand. Aufgrund der Distanz fast schon im Europapokalmodus wurden einige Runden über den Durst gebechert und die Auswärtsfahrt sicherlich unvergesslich gestaltet. Rächte sich natürlich am nächsten Morgen, da der Kopf pausenlos dröhnte und das Frühstücksbuffet obendrein einem Kampf um die letzten Brötchen glich. Nie wieder Alkohol war das gebetsmühlenartige Mantra, auch während der kurzen Busfahrt in Richtung Westring. Immerhin sahen wir unterwegs ein paar nette Wohngebiete, ehe es per Pedes die letzten Meter in Richtung Gästeblock ging.

Vor Ort fix die Tickets gezogen und die penible Kontrolle überstanden (samt Check des Geldbeutels!), standen wir auch schon auf der Stahlrohtribüne, deren Eingang etwas an den Mainzer Bruchweg erinnerte. Ein Jahrzehnt ist vergangen und genauso viel hat sich auch verändert: Aus der Nordostkurve, die früher den nicht überdachten Gästeblock beherbergte, wurde nun eine große, in Steher und Sitze zweigeteilte Heimtribüne für Normalos. Die Westkurve, Heimat der aktiven Szene der Kieler, als auch die Gegengerade, die den Gästeblock am nördlichen Ende beheimatet, bestehen aus den gleichen, überdachten Stahlrohrtribünen und machen einen äußerst provisorischen Eindruck.

Gleiches für die Haupttribüne, die mit ihrem wilden Mix aus Tribünenelementen an die komplette Regionalligazeit erinnerte. Der größte Teil der blau bestuhlten Haupt mit geschwungenem Dach könnte in Trier stehen, die kleinere daneben in Steinbach, die Stehränge im Süden in Völklingen und der kleine Bereich im Norden samt Tribüne auf einem Anhänger (!) gleicht jedem x-beliebigen Dorfsportplatz. Hatte was von Saarlandpokal, so der geteilte Eindruck der Mitfahrer. Etwas über 15.000 Zuschauer gehen trotzdem hinein, wenn das Holstein-Stadion auch nur noch mit Ausnahmegenehmigungen bespielbar ist. Mal schauen, was sich hier in den nächsten Jahren ändern wird.

Die Kulisse war auf jeden Fall schonmal anständig und auch der rockige Vereinssong fetzte ganz schön, während im Gästeblock deutlich mehr Saarländer eintrafen als erwartet. Gut 100 waren es am Ende, in etwa zu gleichen Teilen auf den Sitzen und im Steher. Lässt sich eben gut mit einem Urlaub in Norden verbinden, entsprechend zeigte sich aber auch die Besetzung des Gästeblocks. Denn so richtig an Stimmung interessiert waren vielleicht 25, die daher auf sporadischen Support setzten und generell den Spaß regieren ließen.

So wurden vor allem die neueren Lieder, die mitunter nicht unbedingt als massenkompatibel zählen, zelebriert, dann wiederum in einem Wechselgesang der Heimseite eingestimmt oder auch die Ost zum Gesangsduell aufgefordert. Zudem wurde ein neues Lied auf die Melodie von „Böhmischer Traum“ eingesungen, was zumindest im kleinen Kreis gut abging. Und wenn ich träum in der Nacht, träum ich immer von dir – Dir folge ich bis ans Ende dieser Welt – Schwarz-Weiße Fahnen die wehn, nur für dich SVE – Dir bleibe ich für immer treu! Ob’s einschlägt bleibt abzuwarten, Potential hat die Melodie allemal.

Somit blieben auch einige Momente, in denen der Heimkurve gelauscht werden konnte, die sicherlich keinen ihrer schlechteren Auftritte hinlegte. Auch hier bleibt mir nur der Vergleich zu vor zehn Jahren, als ich den Support noch mit 0815 betitelte. Heut ging da schon einiges mehr, angefangen beim dichten Zaunfahnenbild, das vom Dachverband des „Block 501“ bestimmt wird. Darüber hängen die Lappen der beiden Hauptgruppen „New Connection Ultras“ und „Compagno Ultras“, umrahmt von etlichen weiteren Fahnen dieser und weiterer (Jugend-)Gruppen. Definitiv ansehnlicher als irgendwelche LED-Werbebanden. Zu dieser Posse prangte auch zu diesem Spiel das „Fanrechte erkämpfen“ direkt vorm Capo-Podest.

Im Zentrum der Kurve war in der Folge auch am meisten geboten, da sich Schwenkfahneneinsatz als auch die Mitmachquote fast ausschließlich auf diesen Bereich beschränkten. Da war das restliche Publikum äußerst passiv unterwegs und musste gar vom Stadionsprecher für die Schalparade zu Beginn extra eingeladen werden. Allerdings konnte der Kern auch dank des niedrigen Daches für einen sehr stimmungsvollen Auftritt sorgen und teils gute Lautstärke erreichen. Besonders im Kopf blieb die Interpretation von Nenas „Leuchtturm“ und der schiere Gedanke an das Gekrächze, das der „Ahahahah“-Part des Songs wohl im eigenen Stadion auslösen würde. Auch erwähnenswert war der minutenlange Wechselgesang zwischen West und Ost im zweiten Durchgang, in den sich beide Seiten immer weiter hineinsteigerten. Das war schon sehr ordentlich und hielt locker fünf Minuten, wenn nicht sogar länger. Insgesamt ein starker Auftritt und deutlich über dem 2013 erlebten. Bleibt zu hoffen, dass bis zum nächsten Besuch nicht wieder so viel Zeit ins Land streichen wird.

Sportlich setzten die Störche rund um Lewis Holtby direkt ihre Duftmarke und waren derart dominant unterwegs, dass man sich zum Pausenpfiff auch über drei oder vier Gegentore nicht hätte beschweren können. Doch Kristof erwischte mal wieder einen Sahnetag und fischte fast jede Kugel von der Linie. Außer eine kurz vor dem Seitenwechsel, allerdings war er da einfach machtlos. Im zweiten Durchgang das gleiche Bild, bis – ja, bis zur 70. Minute, als Sahin aus dem eigenen Sechzehner den Ball direkt in den Lauf von Schnellbacher verfrachtete, der wiederum per Lupfer traumhaft für den Ausgleich sorgte. Und plötzlich hatte die SVE weitere Chancen, kam durch Sahin und später Martinovic zwei weitere Male brandgefährlich vor den Kieler Kasten. Doch am Ende blieb es bei der Punkteteilung, die sich aus Elversberger Perspektive wie ein Sieg anfühlte. Fünf Spiele in Folge ungeschlagen und dabei endlich mit stabiler Defensive (Kristof zähl ich jetzt einfach mal ins Gesamtbild der Defensive). Die gut 100 Schwarz-Weißen feierten demnach die eigenen Mannen ausgiebig, ehe so langsam die Rückfahrt rief.

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Also die restlichen, treuen Auswärtsfahrer verabschiedet, zurück zur Bushaltestelle, mit dem Bus ins Hotel und den deponierten Rucksack geschnappt, dann ab zum Bahnhof in den Regio. Gut neunzig Minuten später Hamburg erreicht und dort den ICE bestiegen, der uns in weiteren vier Stunden nach Frankfurt brachte. Dort schaffte die Bahn zum erheiternden Abschluss das Kunststück, aus einer zu frühen Ankunft und einer daraus resultierenden Gleisbelegung noch eine Verspätung rauszuholen. Somit eine S-Bahn später genommen und eine halbe Stunde nach Mitternacht wieder daheim. Zwei Tage unterwegs, den schönen Norden besucht, unvergessliche Zeiten erlebt und gleichzeitig einen wichtigen Punkt im Abstiegskampf mit nach Hause gebracht. Schlichtweg eine perfekte Auswärtsfahrt!