30.04.2023
30. Spieltag Ekstraklasa
WKS Śląsk Wrocław - RKS Radomiak Radom
Stadion Miejski w Wrocławiu
Endergebnis: 0:1 (0:1)
Zuschauer: 10.478 (100 Gäste)
Ticket: 45 PLN
Fotoalbum
Auch der Sonntag startete mit einem wirklich vorzüglichen Hotelfrühstück, ehe unsere kleine EM-Stadiontour im Westen Polens startete. Sowohl Breslau als auch Posen sollten an einem Tag machbar sein, weshalb leider auf das Auto gesetzt werden musste, anders wäre der Doppler zeitlich nicht schaffbar gewesen. Somit also vom Hotel durch den Stadtverkehr in den Nordwesten Breslaus gekämpft, wo das Gefährt für schmale 10 Złoty auf die Hand des Kontrolleurs einen Platz auf dem P+R nahe des Bahnhofs fand. Neben dem preislichen Vorteil entfiel hier das vorherige runterladen einer App, was bei sämtlichen anderen Kategorien Rund ums Stadion notwendig gewesen wäre.
Von dort sollten es nur wenige Minuten zu Fuß sein, ehe wir das von außen monumental wirkende Rund erblickten. Weitläufige Wege dominieren dabei das Außengelände, an dessen Wände sich hier und da die Fanszene von Śląsk verewigte. Die Tickets für Block 300 der Tribüne A orderten wir bereits für einen knappen Zehner pro Nase vorab, wäre bei der frühen Ankunftszeit aber nicht wirklich notwendig gewesen. Immerhin blieb so noch genügend Zeit für einen Blick in den Fanshop, vor dessen Türen aufgespießte Kielbasa über Holzfeuer in alten Ölfässern brutzelten. Geiler Anblick, der die noch nicht wirklich hungrigen Gemüter allerdings nicht zum Kauf animieren konnte.
Dafür ging’s recht früh rein in die gute Stube, wobei wir bei Betreten des Umlaufs beinahe befürchteten, die Einzigen auf der auserwählten Tribüne zu sein. Sollte sich zum Glück aber nicht bewahrheiten, denn Minute für Minute strömten die heimischen Anhänger samt vieler Familien die Traversen. Sonst dominiert viel grauer Beton die Aufgänge, während die durchlässige Außenhülle den Blick auf die dicht befahrene Autobahn offenbarte. Vielleicht nicht der Traum eines Stadionromantikers, allerdings ist das 2011 für die EM 2012 eröffnete Rund in Sachen Größe und Baustil dann doch irgendwie beeindruckend. Von unseren Plätzen offenbarte sich ein perfekter Anblick der gesamten, ganz in grün bestuhlten Bude, die durch den Aufbau aus lediglich einem Rang nochmal deutlich größer wirkt als es die Kapazität von 45.105 Plätzen vermuten lässt.
Für die Bedürfnisse des WKS Śląsk natürlich deutlich überdimensioniert, da außerhalb von Derbys oder großen Namen nur selten mehr als 10.000 Schaulustige die Ränge säumen. Da überraschte der heutige Andrang gegen den kleinen Club aus Radom dann schon, ebenso wie die Öffnung wirklich aller Sektoren. Einzig die Verpflegungsstände im oberen Umlauf blieben verschlossen, weshalb wir die steilen Treppen noch einmal beehren mussten. Als Belohnung sollte es aber eine wahrlich schmackhafte Kielbasa in einem frischen Baguette sowie eine Art überbackenes Brot mit Pilzen geben, was zwar preislich der deutschen Stadionlandschaft kaum nachstand, dafür geschmacklich absolut überzeugte.
Gesättigt stöberte man ein wenig im Netz und beschäftigte sich mit ein paar Eckpunkten der Geschichte der Hausherren, die 1946 als Armeesportclub gegründet wurden, ehe die Trägerschaft der Armee 1997 endete. Das „WKS“ stand dabei zunächst für „Wojskowy Klub Sportowy” (Armeesportclub), änderte sich aber ab 97 zu „Wrocławski Klub Sportowy“ (Breslauer Sportclub). Die größten Erfolge waren der zweifache Gewinn der Meisterschaft 1977 und 2012 sowie die beiden Pokalerfolge 1976 und 1987, während in der aktuellen Saison die Blicke eher in Richtung Abstiegszone gehen müssen. Ist ja generell sehr volatil außerhalb Warschaus, der polnische Fussball.
Sehr stabil ist hingegen der Anhang der Grün-Weiß-Roten, der unangefochten die Vormachtstellung in Niederschlesien inne hat und mit Miedź Legnica auf einen lokalen Verbündeten zählen kann, während die Achse Śląsk – Lechia – Wisła das Drei-Königs-Bündnis („Trzej Królowie Wielkich Miast“) und damit eine der größten Koalitionen des Landes formt. Weitere Kontakte bestehen nach Lublin, Opava (Tschechien) und Budapest (Fradi). Viele Freunde bedeuten entsprechend viele Feinde, die hier aber alle aufzuzählen würde wahrscheinlich die eigenen Server-Kapazitäten überlasten. Somit kann sich der „Adel aus Breslau“ (Szlachta z Wrocławia), wie sich die aktive Anhängerschaft nennt, auf eine ordentliche Gefolgschaft verlassen. So auch am Sonntag zur Mittagsstunde, als sich die Kurve deutlich besser füllte als man es sich im Vorfeld ausmalte. Dennoch geht der zahlenmäßig sicherlich ordentliche Haufen in der großen Kurve gnadenlos unter. Auf vorher recherchierten Aufnahmen klafften sogar noch mehr Löcher. So ein Neubau ist eben Fluch und Segen zugleich, denn trotz des mageren Kurvenbildes hallten die Schlachtrufe absolut wuchtig durch die weniger als ein Viertel gefüllte Bude.
Angeflaggt wurde derweil mit großen Zaunfahnen am vorderen Ende des Blocks, worunter auch Lappen für die Freunde von Lech und Fradi auffielen, während eine eigene Konstruktion am oberen Ende des Blocks Platz für die Große „Herrscher Niederschlesiens“-Fahne ließ. Schwenkfahnen oder Sonstiges suchte man vergebens, dafür war die Mikrofonanlage der beiden Capos deutlich lauter als die des Stadionsprechers. Sowohl Schalparade als auch Klatscheinlagen waren unfassbar geschlossen, während ebenso ein absoluter Großteils des Anhangs die lautstarken Gesänge mittrug. Alles mindestens zwei Oktaven tiefer als in der Heimat, dafür mit deutlich weniger Abwechslung im Liedgut.
Lange gehaltene Gesänge, bei denen sich die Kurve häufig hinsetzte, nur um wenig später komplett zu explodieren, gleichzeitig aber auch einige Pausen und endlose Ansagen des Vorsängers, der die Lieder oftmals zwei oder drei Mal alleine sang, ehe der Rest mit einstieg. Nackte Haut zeigte man im zweiten Durchgang ebenso und trotzte der sich anbahnenden Niederlage mit Wechselgesängen innerhalb des Blocks entgegen. Einzig die Passivität der übrigen Bereiche des Stadions passte irgendwie nicht zum Kurvenauftritt, der deutlich über den Erwartungen liegen sollte.
Die Gäste reisten derweilen mit etwa 100 Schlachtenbummlern an, die sich sehr breit hinter den wenigen, mitgebrachten Zaunfahnen verteilten. Auch hier war von Schwenkfahnen keine Spur, dafür beteiligte sich wirklich jeder am Einklatschen sowie an den kurzen Schlachtrufen, die vereinzelt zum Besten gegeben wurden. Auch gegen die Heimseite wurde fleißig gepöbelt, was man sich bei dem Zahlenverhältnis mal vor Augen führen muss. Auch wenn der Auftritt eher aus sporadischen Anfeuerungen bestand, machte man sich definitiv im weiten Rund bemerkbar.
Feiern konnten die Gäste am Ende gar alle drei Punkte, denn das frühe 0:1 in einer mäßigen Partie reichte gegen die abstiegsbedrohten Hausherren für den Auswärtserfolg. Somit recht geknickte Stimmung auf der Heimseite, die die eigene Mannschaft nicht gerade mit warmen Worten empfangen sollte. Wir machten uns unterdessen recht zügig auf den Weg zum Auto, denn trotz drei Stunden Puffers trennten uns noch gut zwei Stunden Autobahn von der nächsten Partie und somit vom nächsten EM-Spielort.
Thematisch bleiben wir in diesem Bericht aber einfach mal in Breslau, denn die Stadt konnte am Tag darauf, dem 1. Mai, ausgiebig bei schönem Wetter besichtigt werden. Und das gut 650.000 Einwohner zählende Zentrum Niederschlesiens wusste im Verlauf des Tages absolut zu gefallen. Angefangen bei den Parkanlagen, die den südlichen Kanal umrahmen, über die Oper bis hin zum alten, deutschen Bahnhof, dem derzeit einige Bars neues Leben einhauchen, machte allein die erste Etappe Freude. Das wir dann beim erstmaligen Betreten der Altstadt gleich ein Rockfestival erblickten, machte den netten Tag perfekt. Zwischen dem alten Rathaus und dem großen Ring säumten nun mehre Bühnen die weiten Plätze, auf denen in der Folge ein Weltrekord gebrochen wurde. Fast 8.000 Menschen spielten auf ihren selbst mitgebrachten Gitarren gleichzeitig den Song „Hey Joe“ von Jimi Hendrix. Ein wirklich phänomenaler Augenblick, als der Rekord fiel und sämtliche Gitarren gen Himmel gestreckt wurden – Gänsehaut!
Den Abschluss unserer Runde markierten die Oder-Inseln, auf denen es sich hunderte Grüppchen grillend bequem machten und das gesamte Areal mit einem wohligen Duft einnebelten. Kulinarisch kamen insbesondere die Bierliebhaber in uns voll auf ihre Kosten, denn die Breslauer Craft Beer Szene gab eine mehr als ordentliche Visitenkarte ab! Besonders gefiel dabei das Konzept im Szynkarnia, das neben der gigantischen Auswahl am Zapfhahn ausschließlich Speisen aus lokaler Herstellung servierte, während im Stu Mostów echte, Breslauer Braukunst aufgetischt wurde. Und wer sowieso in der Altstadt unterwegs ist, sollte auch im Pijana Wiśnia vorbeischauen, denn der dort servierte Kirschlikör aus der Ukraine mundet absolut hervorragend!
Eine insgesamt wirklich empfehlenswerte Stadt in unseren Augen, auch wenn nach einem Tag so ziemlich alles abgelaufen werden konnte. Aber dank König Fussball gibt’s bekanntlich sowieso immer mehr zu tun als der Urlaub Tage hat, entsprechend schnell endete unser Trip nach Polen auch wieder mit der Rückfahrt am Dienstag gen Heimat.