Ekstraklasa: Zagłębie Lubin – RTS Widzew Łódź

29.04.2023
30. Spieltag Ekstraklasa
Zagłębie Lubin - RTS Widzew Łódź
Stadion Zagłębia Lubin
Endergebnis: 2:0 (1:0)
Zuschauer: 8.011 (1.000 Gäste)
Ticket: 45 PLN
Fotoalbum

Polen ist auch so ein Land, was mindestens seit den wirklich spannenden Lektüren aus Zwickauer Feder eine steigende Faszination in mir auslöst. Raue und harte Kurven, graue Häuserblöcke und die mitunter verwirrendsten Beziehungen zwischen den Szenen die es nur irgendwie geben kann. Einzig die weite Distanz ins Land der Kibice und Kielbasa verhindert ein häufigeres Aufschlagen unsererseits in diesen Breitengraden, wodurch der Ausflug nach Stettin 2018 der erste und bisher einzige bleiben sollte. Wenn man schon Urlaubstage verbraten muss, ging es zuletzt primär in neue Länder. Aber in diesem Jahr packte es uns wieder, weshalb recht früh ein langes Wochenende in Krakau angepeilt wurde.

Doch Flug- und Hotelpreise durchkreuzten die jähe Vorfreude, während Wisła Kraków gar Probleme mit der eigenen Bude vermeldete und zwei Tribünen sperrte. Entsprechend auf eine Auto-Tour umdisponiert und sich schließlich für Breslau entschieden, da auch in der Region einige gute Partien am Wochenende der Wahl steigen sollten. Entsprechend ein Hotel rausgesucht und alles fix gemacht, ehe der überaus spontane Trip nach Seoul nochmal für etwas Bewegung vorab sorgte. Denn lediglich drei Tage nach meiner Rückankunft aus Ostasien, bzw. 12 Stunden nachdem meine bessere Hälfte am Frankfurter Flughafen landete, sollte es am frühen Freitagmorgen auf die über 700 Kilometer lange Anreise gen Osten gehen. Recht harter Schnitt, doch die Abende zuvor ließen auch nach der Arbeit noch genügend Zeit für Detailplanung und Ticketbeschaffung für zumindest zwei der drei ausgesuchten Erstligapartien.

Über Thüringen und Sachsen ging es schließlich bis zur Grenzen, während das letzte Stück der A4 in Polen mehr einem Parkplatz statt einer Autobahn glich. Aus den sieben Stunden plus zwei Stunden Pause wurden schließlich satte 11, ehe wir die Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien und unsere Bleibe erreichten. Statt einer Bruchbude wurde es hier mal ein klein wenig luxuriös, was im Osten jetzt nicht unbedingt den finanziellen Rahmen sprengt. Daher ins „The Granary“ eingebucht und eine schicke Suite für vier Tage unser eigen genannt. Die eigenen Akkus waren durch die lange Anreise samt den überlangen Flügen der Vortage recht aufgebraucht, sodass es abends, nach dem einige Złoty abgehoben wurden, lediglich in einen gemütlichen Schuppen für polnische Gerichte und lokales Bier ging. Im Targowa konnten somit ein paar Runden angetestet und für gut befunden werden, während schmackhafte Piroggen mit Entenfüllung den ganz großen Daumen nach oben verdienten. Gesättigt endete der Freitag zu früher Stunde mit dem Gang in die bequeme Federn.

Der Samstag startete mit einem der besten Frühstücksbuffets der letzten Jahre, wobei selbst solche Spezialitäten wie Eggs Benedict frisch zubereitet auf den Tellern landeten. Somit schonmal gut für den Tag vorgesorgt, während die eigentlich geplante Runde durch die Altstadt dank des Regens sprichwörtlich ins Wasser fiel. Eine nahe Shopping-Mall blieb daher als Alternative übrig, wo allerhand lustige, chinesische Importware bestaunt werden konnte, während im Supermarkt bereits die Einkäufe für die Heimat inklusive größerer Bierauswahl in die Taschen wanderten. Zeit also sinnvoll genutzt, ehe es mittags wieder ins Auto und auf die ungeliebte A4 gen Westen ging. Wirkliche Unmengen an LKWs, die sich hier den Weg gen Deutschland bahnen und teilweise beide Fahrspuren komplett für sich einnehmen.

Ab Legnica und dem Wechsel auf die S3 war der Verkehr zwar kein Problem mehr, allerdings gerieten wir kurz vor Lubin in die einrollende Bus-Kolonne aus Łódź. Immerhin war somit die Anwesenheit der Gäste geklärt, auch wenn die Weiterfahrt nun mit einiger Wartezeit verbunden war. Denn jede Ausfahrt wurde durch die Cops abgeriegelt, während pro Bus immer mindestens zwei Sprinter der Staatsmacht als Begleitung abgestellt wurden. In Lubin selbst dann ein ähnliches Bild, wobei wir kurz vor dem Stadion mitsamt den anderen Autos, die sich zwischen die Busse einreihen mussten, herausgewunken wurden und warten mussten. Grauer Regen peitschte auf die Windschutzscheibe, während die bewaffneten Einheiten die Autos kurz nach irgendwas Rot-Weißem absuchten und letztlich mittels schwingendem Gummischrot-Gewehr zur Weiterfahrt aufforderten. Willkommen in Polen, wo man sich als Fußballfan einmal wie Schlachtvieh fühlen kann!

Parken konnten wir unterdessen für lau direkt am Spielort, der zwecks Ticketbeschaffung noch einmal umrundet werden musste. Aus irgendwelchen Gründen wollten der Online-Ticketshop meine Kreditkarte nicht akzeptieren, während es für die anderen beiden Partien des Wochenendes problemlos klappte. Daher galt es die Tickets an der Tageskasse zu ordern, was an sich kein Problem darstellt, allerdings eine langwierige Prozedur dank Personalisierung mit Pass oder Personalausweis darstellt. Knapp 10 Taler pro Person wanderten für die Sitze in Block A2 über den Tresen, die uneingeschränkte Sicht auf Heimkurve und Gästeblock versprachen. War mir an dem Tag auch wichtiger als die in sämtlichen anderen Bereichen erhältlichen Karten für 5 Złoty, also lediglich einem Euro. Die paar Kröten sparen und am Ende nix von den Gästen zu sehen kam nicht in Frage.

Weitere acht Euro wurden in einen netten Schal investiert, dann ging’s, nach erneuter Umrundung der Bude, hinein in die gute Stube. Selbige ist so ein typisches Teil von der Stange, ohne wirkliche Schnörkel oder irgendwelche, erwähnenswerte Besonderheiten. Exakt 16.068 Sitze in der Vereinsfarbe Orange ziehen sich ringsum, während auf der Gegentribüne der Vereinsname in großen Lettern prangt. Aber ja, man bleibt trocken und förderlich für die Stimmung ist so ein simpler Bau allemal. Kleine Randnotiz: Als das Stadion Zagłębia Lubin 2009 eröffnet wurde, war es das erste Stadion Polens mit einem Sponsorennamen. Hielt aber lediglich drei Jahre, seitdem trägt die Spielstätte wieder den Namen des traditionellen Runds, das für den Neubau weichen musste.

Interessant ist hingegen die Geschichte der Kupfernen („Miedziowi”), deren Spieler und Anhänger in den Anfangsjahren des Vereins größtenteils bei den örtlichen Kupferminen beschäftigt waren. Seit der Vereinsgründung 1946 und bis heute ist der polnische Bergbauverein KGHM Hauptsponsor des Clubs und somit eng mit dem sportlichen Erfolg verwoben. Sowohl 1991 als auch 2007 durfte man sich zum Meister Polens krönen, ehe es im Zuge einer Korruptionsaffäre in die zweite Liga ging. Aus dieser stieg man, trotz Strafen und zehn Punkten Abzug zu Saisonbeginn, direkt wieder auf und hält sich, mit kleiner Unterbrechung, seit vielen Jahren im Oberhaus.

Entsprechend der Geschichte als Bergbauverein existiert auch eine beachtliche Fanszene, die zu den größeren Kalibern Niederschlesiens zählt. Verbündet ist man dabei mit Polonia Bytom und Arka Gdynia, was gleichzeitig die Feindschaft zu der benachbarten Freundschafts-Achse Śląsk Wrocław und Miedź Legnica sowie Lechia Gdańsk bedeutet. Wahrscheinlich hab ich da jetzt noch mindestens zehn Verbindungen vergessen, allerdings wissen Interessierte ja sowieso, in welchen Werken man zum Selbststudium des aktuellen Status Quo nachschlagen kann.

Wir erfreuten uns dagegen vor Ort an der Anwesenheit zweier Fanszenen, was auch nicht unbedingt die Regel darstellt. Auswärtsfahrten werden leider häufig genug nur Tage oder Stunden vorher verboten. Bevor es allerdings auf den Rängen und auf dem Rasen losging, testeten wir noch die angebotenen Kielbasa, stilecht auf Kohlefeuer gegrillt. Ein Hammer Teil, sowohl in Sachen Größe als auch geschmacklich. Das knusprige Baguette-Brötchen passte ebenso hervorragend dazu und sättigte gut und gerne für den Rest des Tages.

Währenddessen füllten sich die Ränge beachtlich, wobei die Ticketaktion im Abstiegskampf die Wirkung nicht verfehlen sollte. Über 7.000 Anhänger der Kupfernen säumten die Ränge, wovon sich ein guter Haufen auf der Hintertortribüne ansiedelte und mittels weniger, dafür aber umso größerer Zaunfahnen anflaggte. Mittig die „Wielkie Zagłębie“ (großartiges Zagłębie), daneben die der Orange City Boys sowie der Fraktion für körperliche Ertüchtigung samt einiger Sektionsfahnen und fertig war der ansehnliche Zaun. Schwenkfahnen oder sonstiges Tifo-Material suchte man in der Folge zwar vergebens, dafür machte die Schalparade des ganz in Orange gekleideten Haufens einen starken Eindruck.

Und das Hauptaugenmerk liegt bekanntlich sowieso auf dem lautstarken Support. Einfache Lieder, brachial und in tiefen Tönen vorgetragen. Dazu Klatsch- und Hüpfeinlagen mit dem Rücken zum Spielfeld sowie minutenlange Wechselgesänge innerhalb der Kurve. Überragende Quote vom Zentrum bis an den Rand, auch wenn sich außerhalb der Kurve wirklich niemand beteiligte. Hasstiraden gegen die Gäste, bei denen der Stadionsprecher jedes Mal aufs Neue versuchte zu intervenieren. Schon ein starker Auftritt, den ich hier nicht in der Form erwartet hätte. Einzig die Liedauswahl gestaltete sich etwas dünn, aber da wird jeder Polen-Kenner nur müde mit den Achseln zucken. Ist hier eben nicht wichtig, weder bei den Kupfernen, noch im Gästeblock.

Letzterer beheimatete für polnische Verhältnisse herausragende 1.000 Schlachtenbummler, die den Eckblock mittels roter und weißer T-Shirts in drei Bereiche einteilten. Auch hier umrahmten ausschließlich große Zaunfahnen den Haufen der Widzewiacy, die ebenso eine dichte Schalparade zeigten. Im Gegensatz zur Heimseite kamen auch Schwenkfahnen zum Einsatz, teils mit Vereins- und Gruppenlogo, teils aber auch simple Karo-Schwenker. Was allerdings wahrlich das Highlight des Nachmittags markierte, war diese unfassbare Sangeskraft der Gäste. Geschlossen bis in die letzte Reihe beteiligte sich jeder an den unfassbar lauten Schlachtrufen für die eigenen Farben und gegen die der Hausherren, während vor allem die Klatscheinlagen unfassbar gut rüberkamen.

Generell wirkt der Support dank der beständigen Bewegung, des Hinhockens und Aufspringens, fast wie ein Cardio Training, nur eben mit einer Lautstärke, die teilweise die eines Böllers übersteigt. Da kam selbst die Lautsprecherbeschallung des Stadions nicht mehr gegen an. Mitunter einer der lautesten Auftritte eines Gästeblocks, den ich jemals hörte. Ab der zweiten Hälfte startete dann die optische Aktion des Tages, bei der zunächst eine neue Zaunfahne mit Vereinsname im gleichen Muster wie die T-Shirts den vorderen Zaun bedeckte, ehe nach einer guten Stunde eine rote Blockfahne das zu erwartende Spektakel ankündigte. Etliche weiße Blinker erhellten zunächst den Eckblock, ehe wenig später zahlreiche rote Fackeln dem Haufen einheizte. Trotz negativem Spielverlauf blieben die Gäste klar tonangebend, zogen kurz vor Schluss allesamt blank und präsentierten die Motto-Shirts.

Phänomenaler Auftritt der Jungs aus Widzew und Lubin, was nur bedingt die Leistung auf dem Rasen widerspiegelte. Zagłębie, mitten im Abstiegskampf steckend, zeigte sich von Beginn an aktiver und erzielte die nicht unverdiente Führung, während bei den Gästen wenig zusammen lief. Somit machten die Kupfernen den Sack im zweiten Durchgang zu und durften sich nach neunzig Minuten über die wichtigen Punkte freuen, während Widzew dem eigenen Team die eiskalte Schulter zeigte. Kein Applaus, keine Buh-Rufe, kein Ton, einfach nichts. Hart für die Mannschaft, die sichtlich enttäuscht gen Kabine trabte.

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Wir schauten dem Treiben noch einige Augenblicke zu und machten uns schließlich auf dem Weg zurück zum Auto. Die anfängliche Euphorie, direkt vorm Stadion zu parken, schwappte nun in Frustration über, denn Regeln oder sowas wie Fahrspuren schienen auf dem Schotterparkplatz nicht zu existieren. Nur pure Anarchie. Somit versuchten sich zeitgleich hunderte Autos und etliche Busse durch den einzigen Ausgang zu quetschen, was an Ineffektivität nicht zu überbieten war. Nach beinahe dreißig Minuten keine fünf Meter geschafft, ging’s schließlich mit einigen anderen über die Offroad-Variante hin zum VIP-Ausgang, der gegenüber dem Pöbel auch noch Vorfahrt hatte. Die Abkürzung über die nasse Wiese ersparte uns mindestens eine Stunde Lebenszeit, sodass wir nach einer weiteren Stunde Autobahn unsere Bleibe in Breslau erreichten. Starker Auftakt ins Wochenende, der uns mit Vorfreude auf den nächsten Tag in die Nacht entließ.