18.11.2017 20. Spieltag Regionalliga Südwest TSV Eintracht Stadtallendorf - SV Elversberg Herrenwaldstadion Endergebnis: 0:9 (0:1) Zuschauer: 897 (40 Gäste) Fotoalbum
Ja, was war denn das? Ein historischer Moment, so viel steht schonmal fest… Aber von Anfang. Während das frühe Aufstehen am Samstag Erinnerungen an die weiten Auswärtsfahrten in der dritten Liga aufleben ließ, gings mit dem Frühstück unterm Arm zu Fuß durch die Morgendämmerung zur Bushaltestelle. Ein Hauch der erfolgreichen Zeit lag in der Luft, der man immer wieder gerne wehmütig hinterher trauert.
Der Alltag heißt nun schon seit vier Jahren Regionalliga, was sich jedoch alles andere als erfolglos gestaltet. Alle möglichen Platzierungen des Siegerpodests wurden in den vergangenen drei Spielzeiten erreicht, während auch in dieser Saison eine Spitzenposition nicht im Rahmen des unmöglichen scheint. Dennoch tut man sichs momentan recht schwer, vor allem auf fremden Plätzen.
An diesem Tag gings gen Norden nach Hessen, wo die SVE beim Aufsteiger aus Stadtallendorf zu Gast war. Endlich mal wieder ein neues Stadion, in dem man noch nicht X-Mal war. Zudem ein Verein, der durch die große Euphorie durchaus über sowas wie eine Fanszene verfügt. Motivation genug also, um sich um halb neun in den Fanbus zu setzen.
Gute drei Stunden dauerte die gefühlt recht kurze Fahrt über Frankfurt und Marburg, bis man das Herrenwaldstadion erreichte. Selbiges bietet (offiziell) Platz für 6.600 Zuschauer und verfügt über einen neu errichteten Gästeblock. Happige neun Euro für ein Ticket später, welches eher einem Werbeflyer ähnelte und so ziemlich das Hässlichste ist, das ich jemals in Händen hielt, gings auch schon rein in die Anlage.
Das kleine Stadion verfügt über zwei ausgebaute Seiten: Auf der einen die kleine Haupttribüne mit zehn Stufen, deren vorgebaute Stahlstützen mit Sicherheit nicht für die beste Sicht sorgen, sowie eine Art Gegengerade mit fünf Stufen. Im Gästeblock geteert, im Heimbereich geschottert. Die bösen Gäste könnten ja was werfen. Die Stufen wurden dabei bis in die Kurve hinein gebaut, in welcher sich die aktive Heimszene der Stadtallendorfer niederlies.
Viele kleine grün-weiße Gruppenfahnen machten schnell auf die Fans aufmerksam, die wiederum erst kurz vor Spielbeginn ihren Block betraten. Der Haufen war recht groß und gab ein ordentliches Bild ab. Echt Wahnsinn eigentlich, was für ein Hype um den kleinen Dorfverein kreist. Gut, ein großer Teil des Haufens bestand auch aus Kindern, doch die allgemeine Mitmachquote überzeugte auf ganzer Linie.
Vielleicht am Standort gelegen (Heim- und Gästeblock befinden sich quasi auf der gleichen Seite) konnte die Lautstärke nicht wirklich überzeugen. Die Gesänge schafften es nur selten bis zum eigenen Standort, sodass man eher auf den optischen Auftritt achtete. Selbiger war vor allem durch beständigen Fahneneinsatz und Sprungeinlagen geprägt. Alles in allem für die Verhältnisse definitiv Top.
Im Gästeblock waren an diesem Tag gut 40 Saarländer anwesend, die ausnahmsweise sehr geschlossen hinter ihren Zaunfahnen standen. Gerade am Anfang stimmten auch Lautstärke und Mitmachquote, was im Laufe der ersten Hälfte durch kurze Pausen etwas abflachte. Spielbedingt wurde der Auftritt in der zweiten Hälfte deutlich besser, wodurch man im Endeffekt recht zufrieden sein konnte.
Und „spielbedingt“ war an diesem Tag echt so ne Sache… Auf der Anfahrt zeigte man sich noch geteilter Meinung, was das Spielniveau des Neulings aus Hessen angeht. Für den 1920 gegründeten TSV Eintracht Stadtallendorf stellt der Aufstieg in die Viertklassigkeit den bis dato größten Vereinserfolg dar. Von vielen als sicherer Absteiger gehandelt, stand schon zu Saisonbeginn fest, dass dies wohl nur ein einjähriger Ausflug in den Profifussball sein würde.
Doch damit gab sich die grün-weiße Truppe nicht zufrieden. Stadtallendorf spielte guten Fussball und stand lange Zeit in der oberen Tabellenhälfte. Es folgten Siege gegen große Teams, allen voran im Nachbarschaftsduell gegen Hessen Kassel. Die Truppe ist also definitiv siegeshungrig, womit die Akteure der SVE ab und an ihre Probleme haben. Nach dem mehr als glücklichen Sieg in Koblenz am Wochenende zuvor wollte man sich einfach mal überraschen lassen, wie die Mannschaft gegen den schwer einzuschätzenden Gegner antritt.
Und der Beginn der Partie gestaltete sich direkt furios: Nach nicht mal einer Minute zeigte der Unparteiische nach einem Foul auf den Punkt und gab Strafstoß für Elversberg. Julius Perstaller verwandelte selbigen zur 1:0 Führung und lies den Gästeblock jubeln. In der Folge spielte die SVE weiter nach vorne, lies aber auch durchaus einige Chancen für die Gastgeber zu. Am Ende gestaltete sich die Partie ausgeglichen, mit leichten Vorteilen für die Gäste.
Dann kam die zweite Hälfte. Und zu keiner Sekunde konnte man wirklich fassen, was sich da gerade vor den eigenen Augen abspielte. In der 48. Minute zog zunächst Benno Mohr aus gut dreißig Metern einfach mal ab, der Ball klatschte an die Querlatte und von dort aus auf die Linie. Der Linienrichter zeigte sofort: Tor für die Gäste. Großer Jubel und ein kleines Ständchen für den Torschützen, der an diesem Tag seinen Geburtstag feierte.
Keine fünf Minuten später stocherte Gaetan Krebs den Ball zum 3:0 über die Linie. Kurios: Auch er machte sich damit selbst ein Geburtstagsgeschenk. Ab der 65. Minute begann dann die beispiellose Demontage der Hausherren. Perstaller, Morabit, Kofler, zwei Mal Koffi und nochmal Perstaller zerlegten Stadtallendorf nach allen Regeln der Kunst. Die Anzeigetafel zeigte es am Ende ganz deutlich: 0:9. Der höchste jemals erspielte Sieg in der Südwest-Staffel der Regionalliga.
Und man konnte es dennoch nicht fassen. Man geht mit einem knappen 1:0 Vorsprung in die Kabine, denkt an die eigene Auswärtsschwäche und befürchtet wiedererstarkte Gastgeber… und am Ende schießt man acht Tore in einer Halbzeit. Das gleiche Ergebnis konnte im Übrigen drei Tage zuvor im Pokal gegen einen Achtligisten erzielt werden. Freudentrunken wurde mit der Mannschaft gefeiert, die es irgendwie auch nicht fassen konnte. Überall strahlende Gesichter, pure Freude überall.
Doch an dieser Stelle blickte man auch auf die Heimfans. Was würde wohl in jedem normalen Stadion passieren, wenn die Mannschaft mit nur drei Toren hinten liegt und chancenlos vorgeführt wird? Richtig, es würde Totenstille herrschen. Anders aber die Fans des TSV. Trotz des Spielverlaufes, für den das Wort „Demontage“ im Grunde untertrieben ist, sangen die Fans weiter für ihre Mannschaft. Selbst am Ende, als die Akteure völlig bedröppelt zur ihrer Kurve latschten, gab es aufmunternde Worte und kleine Gesänge. Ganz großes Kino und so definitiv noch nicht gesehen.
Nach all der Feierei gings für die Elversberger Anhänger wieder in den warmen Bus. Erst im Laufe der Rückfahrt konnten die Meisten wirklich begreifen, was sie da gerade gesehen haben: Einen historischen Moment, den keiner so schnell wieder vergisst.