Regionalliga: FC Viktoria Berlin – SV Babelsberg

15.04.2017
28. Spieltag Regionalliga Nordost
FC Viktoria Berlin - SV Babelsberg
Stadion Lichterfelde
Endergebnis: 2:1 (1:1)
Zuschauer: 492 (ca. 250 Gäste)

Berlin ist ja bekanntlich immer eine Reise wert. Neben allerlei kulturellen Unterschiede zum restlichen Deutschland (der eine mags, der andere weniger), ist es vor allem eine Stadt, die den Fussball des Westens und des Ostens vereinte. Leider fanden die ganz großen Spiele nicht an dem Wochenende statt, indem wir in der Hauptstadt verweilen wollten. Bei der Suche nach interessanten Begegnungen wurde man trotzdem schnell fündig.

Während das Hauptspiel des Trips (und der eigentliche Grund der Reise) am Sonntag stattfinden sollte, gabs samstags auf dem Papier eine ganz interessante Begegnung in der Regionalliga Nordost: Der Potsdamer Club SV Babelsberg war zu Gast beim FC Viktoria Berlin, was das Aufeinandertreffen des Tabellen-Fünften mit dem Sechsten bedeutete. Ohne große Überlegung wurde sich für dieses Spiel entschieden, da man bei der kurzen Distanz mit einem ordentlichen Gästemob rechnete.

Samstagmorgens ging es schon früh in Richtung Innenstadt, um den Vormittag noch für touristische Dinge zu nutzen. Die Anreise nach Berlin-Steglitz erfolgte per U-Bahn bis zur Endstation. Der restliche Weg zum Stadion wurde mit dem Bus zurückgelegt, den man sich mit den ebenfalls gerade angereisten Babelsberger Fans teilte.

Nach etwa zehn Minuten ruhiger Fahrt erreichte man auch schon das Stadion Lichterfelde, an dessen Gästeeingang man aussteigen durfte. Anders als in Leipzig war man aber an diesem Tag gerade wegen der Gäste im Stadion, weshalb man den längeren Fußweg zum normalen Eingang wählte. Für durchschnittliche acht Euro gabs die Eintrittskarte mit freier Platzwahl im Rund.

Die Atmosphäre vor und im Stadion war dabei mehr als freundlich, fast schon familiär. Es gab keinerlei Kontrollen, weshalb auch eine Wasserflasche und unser mitgebrachtes Essen den Weg ins Innere fanden. Trotzdem fand man ein Überangebot an Polizeikräften im Stadion vor, die in absolut keinem Verhältnis zur Zuschauerzahl stand. Oder die Damen und Herren wollten einfach nur Fussball schauen, wer weiß.

Nach dem Betreten der Anlage folgte ein kleiner Rundgang durch das Stadion. Lediglich eine Sitzplatztribüne inklusive davor errichteter Stehplätze ziert das kleine Rund, die restlichen Seiten haben nur grüne Ränge, auf welchen man eine Runde um den Platz drehen könnte. Somit standen sowohl Heim- als auch Gästefans zusammen auf einer Tribüne, wobei der Gästeblock nur durch einen Zaun abgetrennt wurde. An sich eine recht schöne Anlage, die 4.300 Zuschauern Platz bieten soll, neben der Viktoria aber hauptsächlich Leichtathletik-Wettkämpfe beheimatet.

Dabei tritt der Fußballclub Viktoria 1889 Berlin Lichterfelde-Tempelhof e. V., so der volle Name, vornehmlich als Breitensportclub auf und hat vor allem das Image als der Verein inne, der die meisten aktiven Spieler ganz Deutschlands stellt. Dies gelang durch die Fusionierung der beiden Vorgängervereine BFC Viktoria 1889 und LFC Berlin, wobei Letzterer nur in Amateurligen erfolgreich war. Der BFC Viktoria hingegen gehörte, damals noch als Berliner TuFC Viktoria 89, zu den besten Vereinen Deutschlands. Die deutsche Meisterschaft konnte 1908 und 1911 gewonnen werden, zudem stand der Club 1907 und 1909 im Endspiel. Bundesweit bekannt wurde er 2007, als ein eigentlich für 1894 geplantes Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen den FC Hanau 93 nachgeholt und gewonnen werden konnte. Im Jahr 2013 folgte die Fusion der beiden Clubs, seitdem spielt Viktoria in der vierten Spielklasse.

Der Gegner des Tages war der Sportverein Babelsberg 03 e. V., der auch einfach nur kurz „Null Drei“ genannt wird. Nach Kriegsende in BSG SV Motor Babelsberg umbenannt, spielte der Club zunächst in unteren Ligen, bis schließlich der Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse gelang. Nach der Wiedervereinigung und Rückbenennung war das Antreten in der 2. Bundesliga 2001, was als größter Erfolg des Clubs zu werten ist. Danach folgten eine Insolvenz und das Abrutschen bis in die Oberliga. Nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Saisons in der Regionalliga konnte 2010 der Einzug in die dritte Liga gefeiert werden, aus der man als finanziell sehr schwacher Club nach drei Jahren wieder abstieg. Seitdem spielt Babelsberg in der Regionalliga Nordost.

Die sportliche Berg- und Talfahrt macht natürlich auch vor der Fanszene nicht halt, die jedoch trotz durchwachsenem Wetter in guter Zahl den Weg nach Steglitz fanden. Etwas mehr als die Hälfte der Zuschauer dürften Anhänger der Gastmannschaft gewesen sein, die sich fast ausschließlich im Gästeblock positionierten. Zwecks besserer Sicht beschlossen wir, uns gegenüber der Haupttribüne zu positionieren. Überraschenderweise begegnete man an selbiger Stelle vielen weiteren Fussballfans, die dem gleichen Hobby wie wir nachgingen. War wohl das einzige Spiel an dem Tag.

Kurz vor Spielbeginn sammelten sich beide Fanlager hinter ihren jeweiligen Fahnen. Auf Seiten der Viktoria waren dies aber nur sechs Herren des etwas älteren Kalibers, die, neben einem Banner und einer Schwenkfahne, noch durch eine sehr laut schallende Marschtrommel auffielen. Neben kurzen, aber beständig übers Spiel verteilten Rufen des Vereinsnamens gab es keine anderen erwähnenswerte Stimmungsversuche der Heimszene.

Auf Seiten der Gäste sah das Ganze aber viel besser aus. Ein ordentlicher Haufen sammelte sich hinter der neuen Zaunfahne des Filmstadt Infernos (FI99), welche die größte Gruppe der Fanszene in Babelsberg bilden. Neue Fahne? Ja, denn nach dem Verlust der eigenen Banner im Mai letzten Jahres (laut FI durch Zwickau) lösten sich die Ultras nicht auf, sondern machten nach einer kurzen Denkpause weiter wie gewohnt. Meiner Meinung nach der richtige Schritt, wenn man die Art und Weise des geschilderten Überfalls betrachtet.

Neben den eigenen blau-weißen Fahnen machte noch ein anderes Stück Stoff aufmerksam. In weißen Lettern auf knallrotem Grund stand das Wort „Hayir“ (türk. „Nein“), womit die Fans Stellung zu der an diesem Wochenende stattfindenden Abstimmung in der Türkei bezogen. Wers braucht kanns toll finden, für mich aber eher fehl am Platz.

Mit dem Anpfiff starteten die Gäste mit dem Support und konnten, in Anbetracht der Gegebenheiten und der Anzahl der Fans, sogar überzeugen. Die vier mitgebrachten Fahnen waren ständig im Einsatz, das Liedgut eher bekannt, wurde dafür aber ohne große Pausen lange und beständig gesungen. Ein solider Auftritt, der an diesem Samstag durchaus zu gefallen wusste.

Auch auf dem Platz wusste das Geschehen zu unterhalten. Viktoria konnte am Anfang viele Chancen erspielen und ging durch ein klasse Freistosstor verdient in Führung. Der Rückstand konnte von Babelsberg aber nur kurze Zeit später durch eine ebenfalls sehr gute Flanke-Kopfball-Tor Kombination ausgeglichen werden.

In der Halbzeitpause besorgte man sich noch schnell was zu Beißen und war aufgrund der günstigen Preise der frisch gegrillten Leckereien überrascht. Mit einer echten Berliner Currywurst setzten wir uns zum Essen zunächst auf die Haupttribüne, blieben dort aber darüber hinaus ebenfalls sitzen. Eine weise Entscheidung, denn keine Minute nach dem Anpfiff fegte ein Platzregen über das Stadion hinweg. Somit wurde die Entscheidung getroffen, den Rest des Spiels von den neuen Plätzen aus zu verfolgen. Die Sicht auf den Platz war aufgrund einiger Stützen etwas eingeschränkt und vom Gästeblock bekam man leider auch nichts mehr mit, aber immerhin besser als vor dem immer wieder aufziehenden Regen zu flüchten.

Kurz nach dem ersten Schauer gelang der Viktoria die erneute Führung, die in der Folge gut verwaltet wurde. Bis zum Ende der Partie war das Spiel in etwa auf Augenhöhe, wobei Berlin deutlich mehr Chancen generieren und versieben durfte. Am Ende stand ein knapper, aber verdienter Heimsieg zu Buche, den die Fans noch kurz feierten, bevor sich das Stadion in schnellem Tempo leerte.

Auf dem Weg nach draußen fiel noch eine Gruppe männlicher Schotten auf, die sich in ihren traditionellen Röcken das Spiel anschauten und das eine oder andere Bier genehmigten. Ob sie vorher wussten, was sie an dem Tag im Stadion erwartet (nämlich vierte Liga vor weniger als 500 Zuschauern), ist unklar. Ich glaubs mal eher nicht.

Hier gibts mehr Bilder vom Spiel

Den Bus in Richtung U-Bahn teilte man sich wieder mit den abreisenden Babelsbergern, die geschätzt von einer Hundertschaft bis zur Haltestelle begleitet wurden. Keine Ahnung, wofür der ganze Aufwand gut war. Kurze Zeit später fanden wir uns in der Berliner Innenstadt wieder und genehmigten uns ein paar Bier in einer neu eröffneten Bar. Das erste Spiel in der Hauptstadt war somit schon vorbei, sonntags sollte mit dem Zweiten ein lange schon geplanter Besuch der alten Försterei anstehen.