14. Spieltag BGL Ligue FC Progrès Niederkorn - FC Differdange Stade Jos Haupert Endergebnis: 1:2 (0:0) Zuschauer: 1.820 (1.200 Gäste)
Kurz vor der Klausurenphase ist es fast schon Tradition, den Blick ins nahe Luxembourg schweifen zu lassen. Und zum ersten Spieltag der Nationaldivision im Jahr 2017 sollte es auch zu einem echten Leckerbissen kommen: Im Differdanger Derby traf der FC Progrès Niederkorn auf den Rivalen FCD. Grund genug, sich auf ein gutes Wochenende zu freuen.
Das Derby wurde kurze Zeit vorher auf den Samstag vorverlegt, was noch einen weiteren Besuch sonntags zuließ, dazu aber bald mehr.
Der Morgen des Spieltags verhieß jedoch nichts Gutes: Ein Wintereinbruch verwandelte die Trierer Gegend wieder in eine weiße Landschaft. Die befürchtete Absage blieb aber zum Glück aus, und so gings etwa zwei Stunden vor Anpfiff in den luxembourger Südwesten. Geprägt durch Kohle- und Stahlindustrie befinden sich dort die größten und erfolgreichsten Vereine des Großherzogtums. Der aus dem Differdanger Stadtteil Niederkorn stammende FC Progrès ist sicherlich einer davon, obwohl die letzten Erfolge schon ein paar Tage her sind. Der Meister von 1953, 78, 81 sowie vierfache Pokalsieger (1933, 45, 77, 78) spielt jedoch seit Jahren dicht hinter den Top 4 und erreichte zuletzt in der Saison 15/16 die Europa League.
Der bei weitem größere und erfolgreichere Derbygegner, der FC Differdange 03, ging im Jahr 2003 aus einer Fusion der zweitklassigen Red Boys mit dem nur drittklassigen AS Differdange hervor. Durch die Kooperation konnte 2006 der Aufstieg in die Nationaldivision und gleich darauf der Einzug in die Euroleague-Qualifikation als Drittplatzierter gefeiert werden. In ihrer Geschichte wurden die Red Boys sechs Mal Meister und konnten den nationalen Pokal ganze 15 Mal gewinnen. Seit dem Zusammenschluss stehen schon zwei Vizemeisterschaften und vier weitere Pokalsiege zu buche.
Auch im internationalen Wettbewerb ist der FCD fast ständig vertreten und konnte erstaunliche zehn seiner 30 Spiele gewinnen. Da die luxembourger Teams immer ab der ersten Qualirunde gefordert sind und somit ganze 4 Runden überstanden werden müssten, stehen die Chancen auf das Erreichen der Gruppenphase eher schlecht. Am bisher weitesten war der Club in der Saison 2011/2012, in der man erst in den Play-Offs (letzte Runde) gegen Paris Saint-Germain die Segel streichen musste.
Auch in dieser Saison deuten mit dem aktuell 2. Platz alle Zeichen in Richtung Europa. Aber auch der FC Progrès, sicherlich bei weitem nicht so finanzstark wie die großen Vier (Jeunesse Esch, Fola Esch, FCD, Dudelange), belegt einen sehr starken vierten Tabellenplatz.
Nach einer guten Stunde Fahrt erreichte man das Stade Jos Haupert, eine schöne, leider nur einseitig ausgebaute Anlage mit perfektem Blick auf den dichten Wald dahinter. Die Haupttribüne bekam vor kurzem, im Zuge eines Aufhübschens des eigenen Images des Clubs, neue Sitze, die jetzt die Initialen FCPN zeigen. Auch das Logo des Vereins wurde verändert und zeigt jetzt eine aggressive Biene.
Für gute 10€ gabs ein Ticket einschließlich freier Platzwahl im ganzen Rund. Nach ein paar geschossenen Fotos entschieden wir uns für die Tribüne, da man dort wenigstens im trockenen stand.
Die Supporter- oder auch Ultraszenen sind in Luxembourg leider unterentwickelt. Nur wenige Clubs haben irgendwelche Gruppen und viele davon gehen über die Jahre an der Tristesse der Liga zu Grunde. Umso mehr freute es, dass auf beiden Seiten an diesem Tag Zaunfahnen hingen. Im Heimblock sammelten sich etwa 5 Personen des älteren Schlags (alt kann hierbei wörtlich genommen werden) und unterstützten ihr Team über die vollen 90 Minuten. Zurückgegriffen wurde dabei leider nur auf drei Lieder, die sozusagen in Dauerschleife liefen. Eines davon könnte man schon mal in irgendeiner Kirche gehört haben… Neben einer ganz guten Interpretation von “Go West” nervten allerdings einige Tröten. Alles in allem eher die Stimmung eines Männerchores. Aber egal, auch wenn es nur ein paar Leute waren: Die Liebe zum eigenen Club haben sie vollends zum Ausdruck gebracht.
Die überwiegende Mehrheit der erstaunlich hohen Anzahl an Zuschauer (Schneeregen, Kalt, Nass) drückte aber den Gästen die Daumen. Der supportwillige Teil der Anhänger sammelte sich an der Waldseite hinter der Iron Sons Fahne und stellte zum Spielbeginn einen ordentlichen Anblick dar. Kurz nach Anpfiff gab es eine Solidaritätsaktion mit dem früheren Trainer des FC Progrès, Henri Bossi, welcher mit der aktuellen Vereinsführung von Niederkorn im Zwist steht, weshalb sogar ein Stadionverbot für ihn in Erwägung gezogen wird. Dazu präsentierten die Gästefans das Spruchband “Wou Ass Den H.E.N.G.” (Wo ist der Heng/Henry) und zogen Masken mit dem Gesicht des früheren Trainers an. Trotz der Masse an Gästefans gab es keinen richtigen Support. Lediglich bei Eckbällen wurde etwas angestimmt. Den Rest der Zeit beschränkte man sich mit dem Pöbeln gegen die Spieler und die Heimseite.
Das Gekicke auf dem Feld war durchweg unterhaltsam, auch wenn manche Aktionen eher ungeplant und zufällig schienen. In der ersten Hälfte konnte Progrès ein paar Chancen herausspielen, Differdange kam erst spät über Konter ins Spiel. Trotz weniger Torabschlüssen war die Partie von Beginn an Hitzig: Viele Diskussionen und Rudelbildungen prägten das Spiel, gelbe Karten gabs aber fast keine.
In der zweiten Hälfte machten die Gäste deutlich mehr Druck und konnten so verdient in Führung gehen. Kurze Zeit später gelang Niederkorn durch einen Konter der überraschende Ausgleich, welcher die Spieler des FCD aber gut wegzustecken wussten. Kurz vor Schluss spielte nur noch der FC. Die Abwehr von Progrès hatte immer mehr Schwierigkeiten und wusste sich nur noch mit Fouls zu helfen. Kurz vor der 90. Minute kam es zum berechtigten Foulelfmeter für die Gäste, welchen der vorherige Torschütze verwandeln konnte.
Hier gibts noch mehr Fotos vom Spiel
Vorbei war das Geschehen aber noch nicht: Etwa zwei Minuten nach dem viel umjubelten Führungstreffer ging ein Spieler von Progrès zu Boden, der zweimalige Torschütze vom FCD geht zu dem am Boden liegenden hin und schlägt ihm mit der Faust gegen den Kopf. Es kam wieder zu einer Rudelbildung und einer fast 10 Minütigen Spielunterbrechung. Als Ergebnis musste der Differdanger Spieler mit glatt Rot vom Platz. Nach über sechs Minuten Nachspielzeit, in der Niederkorn nochmal alles inklusive Torwart nach vorne warf, konnte Differdange den Derbysieg einpacken. Die Gästefans gaben deshalb in den letzten Minuten ihr bestes und zeigten mit Abpfiff sogar eine Pyroshow. Nach einer Feier mit den Spielern und einer “Humba” leerte sich die Arena schnell in Richtung Parkplatz.
Am Ende bleibt ein recht guter Eindruck vom Differdanger Derby, dass wieder Lust auf mehr macht. Sonntag gehts wieder nach Luxembourg, alles weitere findet ihr auf unseren üblichen Kanälen!
Update: Übersetzung des Spruchbands “Wir sind alle Bossi” zu “Wo ist der Heng/Henry”. Danke an einen Leser für den freundlichen Tipp!