Segunda División: Elche CF – Real Racing Club Santander

02.09.2023
4. Spieltag Segunda División
Elche CF - Real Racing Club Santander
Estadio Manuel Martínez Valero
Endergebnis: 1:1 (1:0)
Zuschauer: 13.051 (150 Gäste)
Ticket: 35€
Fotoalbum

Nachdem der große Haken an das Thema Mestalla gesetzt wurde, folgte der entspannte Teil der ersten Woche Spanien. Mal einen Tag an den Strand, dann einfach mal am Pool entspannen und die spektakuläre Aussicht von unserer Bleibe genießen oder auch den kleinen Ortschaften in der Umgebung einen Besuch abstatten. Spontanität prägte fortan unseren Alltag, garniert mit kleineren Ausflügen nach Moraira, Xàbia, Dénia und Calpe. Eine ruhige Gegend, ohne viel Party-Tourismus oder sonstigen, lärmenden Begleiterscheinungen. Muss auch mal sein. Dennoch wuchs die Vorfreude aufs Wochenende, das für uns zwei weitere Prachtexemplare der spanischen Stadionlandschaft bereit hielt. Den Anfang machte dabei die Stadt Elche, der wir uns am Samstag widmeten.

Gut 20 Kilometer südwestlich der etwas bekannteren Provinzhauptstadt Alicante gelegen, erreichten wir unser Ziel nach gut neunzig Minuten über die neuerdings mautfreie AP7. Auch schön, dass sich zumindest die Geschichte von der französischen Grenze an erledigt hat. Unweit des unterirdischen Hauptbahnhofs fand das Gefährt einen kostenlosen und vor allem schattigen Parkplatz, ehe wir unsere kleine Runde durch den El Palmeral, den größten Palmengarten Europas und Wahrzeichen der Stadt, drehten. Seit dem Jahr 2000 übrigens UNESCO-Weltkulturerbe und selbst in der Mittagshitze einen ausgedehnten Spaziergang wert. Gleiches hätte ich auch gerne über die Stadt selbst behauptet, doch waren sämtliche Straßen und Plätze am Samstagnachmittag schlichtweg tot. Klar nehmen die Spanier ihre Siesta äußerst ernst, allerdings bedeutet dies für touristisch nicht unbedingt erschlossene Orte schlichtweg den Status einer Geisterstadt.

Sehenswert war da höchstens die Gegend um die Basílica de Santa Maria sowie der die Stadt in zwei Hälften schneidende Fluss, allerdings hätte für die komplette Runde eine Stunde locker ausgereicht. Wir hatten aber leider noch drei davon, entsprechend suchten wir nach einem geeigneten Etablissement zur Überbrückung und wurden schließlich wieder mit dem 100 Montaditos fündig. Günstiges Futter und eiskaltes Bier, dazu lief zur Belustigung der Einheimischen der Kick der Königlichen auf den aufgebauten Bildschirmen. Passte und verlieh dem Laden Potential, zu unserem spanischen Wetherspoons zu mutieren.

Ohne wirkliche Empfehlung für die knapp viertel Million Einwohner fassende Stadt ging es abends mit dem Auto zehn Minuten bis an den östlichen Stadtrand, wo mit dem Estadio Manuel Martínez Valero das Hauptziel des Tages zu verorten war. Kurz vor Ankunft scherte nur einige Autos vor uns das ein, was wir als Marsch der Heimfans zu ihrer Spielstätte interpretierten. Das große Aufgebot der Schmier machte allerdings schnell deutlich, dass da wohl gerade die Gäste eintrafen. Bei beiden Vereinen in Grün-Weiß kommt man schonmal durcheinander. Daher etwas gemächlicher auf einen der beiden gigantischen und kostenlosen Parkplätzen, beziehungsweise Sandpisten, gerollt, standen wir wenig später im Licht der Dämmerung einer der Spielstätte der WM 1982. Ein wunderschönes Gerippe aus Stahlbeton, das lediglich in Höhe der VIP-Tribüne in den letzten Jahren etwas hergerichtet wurde.

Im dortigen Fanshop noch einen Schal für die Sammlung geschnappt, standen wir mit Blick auf den sich immer stärker verdunkelnden Himmel vor der Wahl der Qual: Entweder die angepeilten, günstigen Tickets für den Oberrang sichern und hoffen, dass der angekündigte Regen doch irgendwie vorbeizieht. Oder eben in den sauren Apfel beißen und Tickets für den Unterrang schießen. Stadien gänzlich ohne Dach – so schön diese Schüsseln auch aussehen, so unpraktisch wird’s, wenn das Wetter nicht mitspielt. Ich machs kurz: Die nun 35 Taler pro Nase für den Unterrang statt den ursprünglichen 15 ersparten uns die Ertrinkungsgefahr im heftigen Dauerregen. Mit den heiligen Pappstreifen in der Hand ging’s einmal herum zur Gegengerade, die im Vergleich zum gepflegten Äußeren der Haupt definitiv seit einigen Jahrzehnten keinen Pinselstrich mehr gesehen hat. Richtig schön abgerockt.

Durch die laschen Kontrollen, die lediglich auf Wurfgegenstände von über einem Kilo kontrollierten (Abendessen mitbringen ist hier gar kein Problem), ging’s schließlich hinein in die Bude. Und genau auf solch einen Moment, als wir den Eingang zur Gegengeraden durchschritten, freue ich mich meist Wochen zuvor. Eine wunderschöne, komplett zweistöckige Schüssel tat sich vor uns auf, komplett in Grün bestuhlt und frei von so ziemlich allem, was den Stadionbesuch versucht, irgendwie komfortabler zu machen. Abseits der neuen Sitze und frischer Farbe steht hier noch der Ursprungszustand von 1976 mit Platz für 36.017 Fans dieses wunderschönen Sports. Und selbstverständlich ohne jegliche Form von Dach.

Daher erstmal die eigenen Sitze in der dritten Reihe aufgesucht, Höhe Grasnarbe, allerdings mit fixem Blick in Richtung potentieller Unterstellmöglichkeiten, sobald sich die Schleusen über uns öffnen sollten. Diese fanden wir in Form des Umlaufs hinter der letzten Reihe des Unterrangs, die vom Oberrang überlappt wird. Auch so eine Sache in Spanien, denn die hinteren Sitze bilden meist eine teurere Kategorie, in diesem Fall wäre nochmal ein Zehner pro Nase extra fällig gewesen. Da sich aber die wenigen Ordner aus dem Innenraum fernhielten, fiel unsere Anwesenheit noch vor Anpfiff hinter der letzten Reihe sowieso nicht auf. Was uns jedoch auffiel war die Kameraüberwachung wirklich jeden Winkels des Stadions. Teilweise hingen ganze Kamera-Batterien mit über einem Dutzend dieser weißen Käste an den Balustraden und Wänden der Bude. Leider ist Spanien schon seit vielen Jahren ein hartes Pflaster für alles, was irgendwas mit Fankultur zu tun hat.

Umso überraschter waren wir aufgrund der großen Leidenschaft, mit der das gesamte Stadion die Vereinshymne nicht nur anstimmte, sondern nach verstummen der Lautsprecher voller Inbrunst weiter sang. Das weckte Hoffnung auf eine stimmungsvolle Nacht (Anstoß übrigens 21 Uhr!), was sich jedoch nicht ganz bewahrheiten sollte. Zwar füllte sich das abgetrennte Stimmungszentrum der Hausherren auf dem Unterrang der Südtribüne ordentlich, allerdings hatte das Publikum genauso wenig mit Ultra’ zu tun wie die Verbotsschilder für Sonnenblumenkerne Wirkung zeigten. Viele recht junge Kids, ausgestattet mit je einer gedruckten Fahne im A3-Format, die beim Betreten des Blocks ausgehändigt wurden. Wirkte alles recht offiziell und machte keinen Anschein von Selbstbestimmung.

Entsprechend suchte man auch sowas wie Zaunfahnen oder gar Gruppennamen vergebens. Aber für eine Mikrofonanlage war man sich nicht zu schade und stattete den unauffälligen Capo auch gleich mit einem drahtlosen Headset aus. Nicht wirklich wie erhofft, sorgte allerdings aufgrund der schieren Fülle an Fähnchen für ein buntes Bild. Auch war der Block durchweg um Stimmung bemüht, blieb damit allerdings auf der großen Südtribüne beinahe alleine. Bis auf Mitklatschen ging wenig, sodass die meisten Gesänge nach zwei bis drei Runden wieder versandeten. Passte zum Gesamtbild der Stadt: Hatte ich mehr von erwartet.

Damit aber zum persönlichen Highlight (neben dem Stadion): Der Auftritt der rund 150 Gäste, die die über 850 Kilometer pro Strecke zurücklegten und im strömenden Dauerregen mehr als neunzig Minuten in der Nordwest-Ecke des Oberrangs einen abrissen. Die beiden Lappen „Nukleo“ (Kern) und „Juventudes“ (Jugendliche) zierten dabei den hinteren Zaun, während es die beim Corteo verwendeten Schwenker wohl nicht durch die Kontrollen schafften. Die Lieder flogen in schnellem Wechsel und mit viel Tempo über den Rasen, auch wenn nicht jeder Gesang zu uns durchdrang. Da war unglaublich viel Leidenschaft im sehr kompakt stehenden Haufen erkennbar, der als eine Einheit auftrat und lautstark seinem Verein huldigte. Allein die weite Strecke abzureißen, bei der klar ist, dass man frühestens Sonntagmittags wieder zu Hause sein wird, trotz Wind und Regen im hintersten Ecken des Stadions so Vollgas zu geben zeugt von großer Mentalität. Hut ab für diesen Auftritt!

Unterm Strich das Spiel mit der besten Stimmung dieser Tour. Eigentlich schade, aber deshalb fährt man bekanntlich nicht nach Spanien. Hier sind es vielmehr die Traversen, die zum Träumen einladen. Wunschziele im Europapokal, auch wenn man davon in Elche seit jeher meilenweit entfernt ist. Zum 100. mal jährte sich das Bestehen der 1923 gegründeten „Grün-gestreiften“ (Los Franjiverdes, geht auf einen ehemaligen tschechischen Trainer zurück, der den Palmengarten so schön fand, dass er ihn auf den vorher lediglich weißen Trikots als grünen Streifen abbilden wollte) in diesem Jahr, deren erfolgreichste Zeit vor allem in den 60er und 70er Jahren zurückliegt. Hier wurden ein Großteil der insgesamt 24 Spielzeiten im Oberhaus verbracht, aus denen dennoch keinerlei erwähnenswerte Erfolge abfielen. Ein fünfter Platz war das Maximum, sonst zieren den Trophäenschrank lediglich zwei Titel der zweiten Liga.

In selbiger befindet sich der Elche CF nach dem jüngsten Abstieg auch in dieser Saison erneut und ging somit als Favorit ins Spiel, wurde dieser Rolle aber auch gerecht. Nach einer halben Stunde lag die Kugel zur Führung im Netz, worauf die Gäste erst in der Schlussphase eine Antwort fanden. In der 75. beglückte Santander seinen treuen Anhang mit dem Ausgleich, ehe sich Elche wenig später selbst dezimierte. Die Schlussphase als auch das gesamte Spiel allgemein entwickelten sich zu einem der sportlich Besten des Jahres, das allerdings am Ende keinen Sieger fand.

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Dem Treiben hätten wir gerne noch länger zugeschaut, stattdessen ging es nun in den Regen nach draußen, wo sich die Sandwüste namens Parkplatz selbstredend in eine Matsch-Oase verwandelte. Trotz der Nähe zum Stadion funktionierte die Abreise überraschend gut, das wurde durch gesperrte Kreisel und etliche Verkehrspolizisten top gelöst. Entsprechend fix fanden wir uns auf der Autobahn wieder und erreichten weit nach Mitternacht zufrieden unsere Bleibe.