27.08.2023
3. Spieltag Primera División
Valencia CF - CA Osasuna
Estadio de Mestalla
Endergebnis: 1:2 (0:1)
Zuschauer: 42.474 (150 Gäste)
Ticket: 25€
Fotoalbum
Die Fußballwelt hält so einige schöne Stadien parat. Da wären zum einen die großen, modernen Arenen der Top-Ligen, für Abermillionen irgendwo an den Stadtrand gepflastert. Dann die alten Buden in Innenstadtnähe, deren Traversen nur noch von einzelnen, verrosteten Stahlträgern irgendwie zusammengehalten werden. Oder eben die kleinen Sportplätze der Amateure, unter denen sich auch immer wieder Perlen finden lassen, und sei es aufgrund der Panoramen von Stadt und Natur. Doch was mich am meisten fasziniert sind die, ich nenn’ sie einfach mal, Kathedralen des Fußballs. Die Orte, die seit Jahrzehnten als erstes in den Sinn kommen, wenn die wahren Sehnsuchtsorte aller Fans des runden Leders benannt werden sollen. Namen wie San Siro, Camp Nou oder Anfield lösen beim schieren Gedanken an diese Monumente des Sports, den wir so sehr lieben, regelrecht Gänsehaut aus.
Zu eben jener Liste zähle ich auch den Namen „Mestalla“. Nicht nur der Name eines Viertels, sondern auch Synonym für die Heimspielstätte des einst so großen Valencia CF. Mitten in der Stadt, Ränge so steil wie die Berge im spanischen Hinterland – und seit vielen Jahren immer wieder Diskussionsobjekt. Denn das neue Stadion, das neue Mestalla, obwohl es am gänzlich anderen Ende der Stadt liegt, soll früher oder später kommen. Auch wenn die Zeichen deutlich auf „später“ denn früher stehen, nahmen wir uns den Besuch des Prachtbaus für dieses Jahr zum Ziel, schnürten den ebenso lange geplanten Urlaub an der Costa Blanca drum und freuten uns, die Traversen mit der gigantischen Fledermaus nicht nur auf Bildern, sondern mit eigenen Augen betrachten und erleben zu können. Und Genugtuung für eine Erinnerung der Kindheit, als man im dichten, valencianischen Verkehr nur einen Blick auf eine Tribüne aus dem Autofenster erhaschte.
Entsprechend groß die Vorfreude auf den Trip in die drittgrößte Stadt Spaniens, die am Sonntag, also direkt einen Tag nach unserer Ankunft in Benitatxell, endlich anstand. Gut 1,5 Stunden tourten wir entgegen unserer Route am Vortag wieder gen Norden und stellten unser Gefährt auf dem kostenlosen Parkplatz des P+R Valencia Süd ab. Dort fix zwei Tageskarten zu je vier Taler für die Metro gezogen und mit der nächsten Linie in Richtung Innenstadt. Mit viel Zeit bis zum Anpfiff tourten wir folglich ein wenig durch die Hauptstadt der gleichnamigen Region, schauten am schönen Nordbahnhof (warum auch immer, der liegt am südlichen Ende der Stadt) sowie der benachbarten Stierkampfarena vorbei und schlenderten gen Altstadt.
Die hungrigen Bäuche füllten schmackhafte Gazpacho und, wenn man schonmal hier ist, original valencianischer Paella nahe des Plaça de l’Ajuntament, während das Wahrzeichen der Stadt, die Kathedrale, einen ebenso schönen Eindruck machte wie die anderen Straßen und Gassen. Ich mag einfach dieses Flair, das die meisten spanischen Städten umgibt. Einzig an den Straßen etwas abseits der Touristenströme ließ sich der Sonntag erkennen, gleichwohl auch an der geschlossenen Markthalle, die wir am Nachmittag ansteuerten. Da sich die Füße zwischenzeitlich nach etwas Erholung sehnten, ließen wir uns in einem Laden nieder, den wir uns für zukünftige Touren auf die iberische Halbinsel als auch für die kommenden Wochen ganz dick ins Programmheft schrieben: Es ging ins 100 Montaditos, einer Kette, die sich auf eine Art kleiner Bocadillos spezialisierte. Hatte was von einem Studentenladen. Mittwochs und Sonntags alles für je einen Euro, dazu das Bier für 1,50 aus dem Fass. Oder auch: Wo die Welt noch in Ordnung ist!
Somit gutes Schlemmen und ein paar Halbe für wenige Taler, ehe die Uhr den freudigen Aufbruch in Richtung Highlight des Tages verkündete. Per Pedes ging es nun in nordöstliche Richtung, quer durch das alte Flussbett des Turia, das mittlerweile in eine die gesamte Stadt durchziehende Parkanlage verwandelt wurde. Durch die alten Gassen des Verteidigungsministeriums, in der bereits etliche Fans in Richtung ihrer Heimspielstätte schlenderten. Eine Ecke noch – und man erkannte die gigantische Südkurve bereits durch die Schluchten der Hochhäuser. Eine weitere Kreuzung später standen wir plötzlich inmitten des Trubels vor der Haupttribüne und ließen die Blicke über Selbige schweifen. In großen Lettern prangte dabei der Name „Mestalla“ auf der Fassade und die überwältigende Gewissheit trat ein: Wir sind wirklich hier!
Schnellen Schrittes ging es nun in Richtung der Nordkurve, fix durch die nicht existenten Kontrollen und hinauf auf den steilen Anstieg zum Oberrang. Viele Stufen später erreichten wir den obersten Umlauf, genossen kurz den Blick über die angrenzenden Hochhäuser auf das bergige Hinterland und schritten schließlich durch die Pforten unseres Blocks. Was für eine Höhe, was für eine Aussicht! Direkt hinterm Tor, letzte Reihe, die Halbe Stadt zu unseren Füßen. Und eben auch dieses wunderschöne Stadion, was für mich zu den beeindruckendsten des Kontinents zählt. Dieser Kathedrale des Fußballs, das große Ziel vieler europäisch kickender Vereine. Da war sie nun zu unserer Linken, diese massive Gegengerade mit drei Rängen und unverkennbarer Fledermaus, deren schwarze Sitze alleine die Kapazität mancher Stadien umfasst. Dahinter die ebenso imposante wie steile Südkurve, Heimat der aktiven Fanszene. Und schließlich zu unser Rechten die, im Gegensatz zum Blickwinkel von Außen, nun sehr kleine, überdachte Haupttribüne. Ein absoluter Traum in Orange und Weiß!
Die aufgerufenen 25€ gegen einen kleineren Gegner waren es somit allein für die Aussicht wert, auch wenn bei näherer Betrachtung der verschiedenen Winkel der Bude auch hier der Zahn der Zeit unverkennbar am Beton nagt, denn einige Bereiche im Oberrang wurden bereits für Zuschauer gesperrt. Bereits seit 1923 bespielt Valencia diesen Rasen, der im Zuge etlicher Renovierungen von immer höheren Rängen umgeben wurde. Auch aufgrund des Platzmangels inmitten der Stadt wurden die Tribünen immer steiler, bis eine Kapazität von 55.000 erreicht wurde. Mittlerweile unterliegt die Kapazität, dank der Sperrungen, einigen Schwankungen und pendelt zwischen 45.000 und 48.000. Man könnte beim Anblick von ganz oben allerdings meinen, es sei locker das doppelte.
Und dann wäre noch das leidige Thema des Neubaus, der bereits seit 2004 angestrebt und seit 2007 gebaut wird. Der Grund? Wohnbebauung, wie fast immer. Doch Finanz- und Baukrise und der sowieso klamme Club ließen die Baustelle seit 2009 brach liegen. Die Posse des Neubaus dürfte soweit jedem hinlänglich bekannt sein, selbst auf einschlägigen Seiten im Netz wurden ganze Werke hierzu niedergeschrieben. Fakt ist: Der Neubau wird irgendwann kommen, wenn auch wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahrzehnt. Passt auch in etwa zur derzeitigen Leidensgeschichte des Valencia CF, denn die Schwarz-Weißen, die „Blanquinegros“, kämpfen derzeit gegen ihren singapurischen Eigentümer und Investor Peter Lim, der seit 2014 die Stricke übernahm und herzlich wenig Beachtung der Meinung und Belange der Fans schenkt.
Gleichzeitig fehlen die versprochenen Investitionen in den Neubau, während die sportliche Leistungskurve seit vielen Jahren steil nach unten zeigt. In der letzten Spielzeit entging der sechsmalige spanische Meister und Sieger des Europapokals der Pokalsieger sowie des UEFA Cups sogar knapp dem Abstieg. Auch zu diesem Spiel wehten wieder unzählige gelbe Fahnen mit der unmissverständlichen Botschaft „Lim go home“. Das war es dann aber auch schon mit Fahnen oder sonstigem Tifo, denn der Unterrang der Südtribüne, Heimat der aktiven Szene der Hausherren, blieb zum heutigen Spiel geschlossen. Grund waren Rassismus-Vorfälle bei einer Partie in der Vorsaison und die daraus resultierende Sperre für fünf Heimspiele. Somit war sowas wie Stimmung gelinde gesagt nicht vorhanden. Eine Marschkapelle im Unterrang trällerte ab und an ein paar Melodien, während das Stadion lediglich für einen Moment in der ersten Hälfte so richtig laut wurde: Als der wöchentliche Protest gegen den Eigentümer mit Inbrunst über den Rasen geschmettert wurde.
Daher hatten die gut 150 Anhänger aus Pamplona, die ja auch so ihre Probleme mit dem Verband in den Vorwochen hatten (in diesem Fall mit der UEFA), die „Stimmhoheit“ inne. Von deren Seite gab’s immerhin ein paar unkoordinierte Gesänge, an denen sich meist alle der ganz in Rot gekleideten Anhänger beteiligten. Und sie sollten belohnt werden, denn der Conference League Teilnehmer setzte sich im ersten Durchgang nach Elfmeter durch VAR gegen den beinahe Absteiger durch. Der Ausgleich in der 79. belebte ein wenig die sonst toten Ränge der Heimseite, doch Osasuna schnürte den Auswärtssieg nach einer Ecke in der 94. zu. Ekstase ohne Ende bei den Gästen, während sich der Heimbereich mit Abpfiff in unter fünf Minuten leerte. Eine Effektivität, die man auch nur aus Spanien oder Frankreich kennt.
Etwas wehmütig verabschiedeten wir uns folglich vom Mestalla, wohl wissend, dass es bei unserem nächsten Besuch Valencias womöglich nicht mehr existieren wird. Umso mehr überwog aber die Freude und die Genugtuung, diesen großen Traum endlich abgehakt zu haben. Auch wenn es der zweite größtenteils stimmungslose Kick in Folge war, ging es zufrieden zur nahegelegenen Metrostation und wenig später zurück zum Auto. Weitere neunzig Minuten später erreichten wir unser Domizil an der Costa Blanca und beendeten das erste Wochenende bei Mondschein und Blick aufs Meer.