02.07.2023
12. Spieltag Eliteserien
Lillestrøm SK - Tromsø IL
Åråsen Stadion
Endergebnis: 0:1 (0:0)
Zuschauer: 6.637 (ca. 200 Gäste)
Ticket: 240 NOK
Fotoalbum
Dass es in den Tagen zuvor auch mal regnete – geschenkt. Doch das, was da am Sonntag vom Himmel fiel, verhagelte uns wortwörtliche die gesamte Planung des Tages. Selbst die paar Meter zum Bäcker am frühen Morgen wurden zur Tortur. Und auch der spontan eingeschobene Besuch des Munch-Museums am Vormittag wollte nicht klappen, da die Wartezeit auf den Einlass an einer guten Stunde kratzte. Schöner Mist, was also nun? Im Endeffekt standen wir uns am neuen Opernhaus die Beine in den Bauch und warteten eine der wenigen Regenpausen ab, kamen im Anschluss auf die tollkühne Idee Selbiges über die bekannten Schrägen zu besteigen und erhaschten, nach etlichen rutschigen Momenten, zumindest für einige, trockene Minuten einen Ausblick über das wolkenverhangene Oslo. Man kann eben nicht immer Glück haben.
Mangels Alternativen brachen wir im Anschluss deutlich früher in Richtung Lillestrøm auf, das wir, per Regionalexpress vom Osloer Hauptbahnhof, in unter zehn Minuten erreichten. Natürlich hatten wir bis dahin die Regenwolken wieder eingeholt und fanden uns wenig später unter dem Vordach des modernen Bahnhofgebäudes wieder, abwechselnd starrend auf die fröhlich tanzenden Regenpfützen und unsere nicht für solche Wassermassen ausgelegten Sommerjacken. Vielleicht waren es zwanzig Minuten, vielleicht aber auch mehr, ehe wir uns ein Herz fassten und einfach losliefen. Allzu weit sollte der Weg ins kleine Zentrum des verschlafenen Städtchens auch nicht sein. Und recht schnell stellten wir fest, dass abseits des nicht wenig erfolgreichen Fußballvereins die östlich von Oslo gelegene Vorstadt nicht wirklich viel zu bieten hat. Eine kleine Einkaufsstraße samt Marktplatz sind die Highlights für die gut 15.000 Einwohner.
Und dennoch sollten wir tolle Stunden erleben, denn mit der „Barski Lillestrøm“ existiert hier ein wahrliches Paradies für Liebhaber skandinavischer Braukunst. Unzählige Sorten aus Norwegen, Schweden und Dänemark standen an den Zapfhähnen und Kühlschränken zur Auswahl und wollten probiert werden. Wahrlich eine Lebensaufgabe bei der schieren Masse verschiedener Marken und Sorten. Und dennoch blieb uns das Unglück nicht verschont, denn die ebenso angepriesene Küche, die mit unzähligen BBQ- und Smoke-Variationen aufwartet, blieb aufgrund eines vergessenen Schlüssels (!) für den Mittag geschlossen. Kannst du keinem erzählen… Immerhin konnte was von einem Schmier-Imbiss ums Eck besorgt werden, sodass eine der besten Bierauswahlen unseres Lebens in Begleitung von unterdurchschnittlicher Pizza und Burger zelebriert wurde. Reichte unterm Strich dennoch für ordentlich gute Laune und die trüben Gedanken an den Morgen waren fix verflogen.
Allzu gemütlich konnten wir es auf den schwarzen Sofas des Ladens aber auch nicht machen, denn der Ruf des Königs Fussball ließ unsere müden Kadaver am späten Nachmittag aufbrechen. Per Pedes ging es nun eine Allee entlang in Richtung Stadion, wobei unzählige aus den Wohnungen hängende, schwarz-gelbe Fahnen den Weg zur Spielstätte wiesen. Offensichtlich eine starke Verwurzelung in der Stadt, wenn auch die Sticker der Ultras sowie die der sportlichen Fraktion alle eher eines neueren Datums entsprungen sein dürften. Das Flutlicht leuchtete uns den Weg bis zu einer Unterführung, an deren Ende plötzlich ein Wohnhaus mit Stadion-Logo vor uns stand. Da baute man schlichtweg einen Apartment-Komplex einmal um die nicht an den Bahnschienen liegenden Seiten der Spielstätte, was der Bude einen äußerst unscheinbaren Anblick verlieh.
Wahre Schönheit liegt aber häufig im Inneren, was wir, nach langer Schlange beim Schalkauf, kurz vor Anpfiff erstmalig feststellen durften. Dabei wurden die eigentlich in Block O liegenden Sitze auf der Haupttribüne fix gegen den benachbarten Block P getauscht, bei nicht nummerierten Sitzplätzen waren wir mit unserer Ankunft schlichtweg zu spät für den eigentlichen Sektor. Somit hatten wir zwar, dank der zugebauten Ecke, die Hintertortribüne zu unserer Rechten nicht im Blick, allerdings handelt es sich dabei um den Familiensektor, sprich nichts verpasst. Die wichtigen Bereiche des 11.500 Zuschauer fassenden Åråsen Stadion waren allerdings gut einsehbar, inklusive der sehr ungewöhnlichen Flutlichter. Erkennt man vielleicht nicht direkt, doch die Beleuchtungsanlagen werden hier tatsächlich nach dem Spiel sofort um 90 Grad eingeklappt, da sich das Stadion in der Einflugschneise eines lokalen Flughafens befindet.
Die restliche Bude besteht aus vier freistehenden Tribünen, wobei die Hintertorseiten ein neueres Erscheinungsbild zeichnet. Die beiden Seitentribünen sind dagegen älteren Baujahrs und erinnern, dank der Nähe zum Spielfeld sowie der Giebeldächer, an ältere Buden in good old England. Bis auf den Fanblock der Hausherren ist zudem alles bestuhlt, doch so wirklich eng will die Bude dann auch nicht wirken. Nicht zuletzt aufgrund der gezwungen, offenen Bauweise hinterm Tor, damit die Sicht von den Terrassen und Balkonen auf das Spielfeld keine Einschränkung widerfährt. Wer’s braucht…
Voll wurde es auf den Tribünen dennoch, trotz des fantechnisch eher weniger spannenden Gegenübers. Dabei zählt der Anhang des 1917 gegründeten Lillestrøm SK zu den zahlreichsten des Landes, auch wenn die ganz großen Erfolge bereits einige Jahrzehnte zurück liegen. Fünf Meistertitel konnten zwischen 1959 und 1989 gefeiert werden, während ebenso sechs Pokalsiege auf der Habenseite stehen. Nach dem letzten Pokalsieg 2017 folgte in 2020, nach 46 Jahren Erstligafußball in Lillestrøm, ein Jahr im Unterhaus, ehe zuletzt Platzierungen im oberen Drittel vom als „Kanarifansen“ (kanarische Fans, Anspielung auf Kanarienvögel) betitelten Anhang gefeiert werden konnten.
Somit waren wir recht gespannt auf den Auftritt des aktiven Kerns, der sich hinter drei Zaunfahnen (Kanarifansen, Devils, Ultras) direkt gegenüber von uns positionierte. Nach schicker Schalparade samt einiger Schwenker und Doppelhalter, was ein dichtes und schönes Bild abgab, zeichnete sich schnell auch hier eine zumindest optisch hohe Mitmachquote im gesamten Stehbereich ab. Dabei wurde die erste Hälfte mit gut und gerne fünf Liedern konstant vom aktiven Kern durchgesungen, wobei eine abwechslungsreiche Mischung aus teils ungehörten Melodien, teils europäischem Standard mal lauter, mal leiser über den Rasen schallte. Aber auch hier war höchstens der aktive Kern rund um die ganz in schwarz auftretenden Ultras sowie einige der Kanarienvögel mit vollem Elan bei der Sache, während der Rest zwar klatschte, aber die Zähne nicht weit genug auseinander bekam. Vielleicht nicht ganz so stark wie Vålerenga tags zuvor, aber auch hier ein mehr als ordentlicher Auftritt der Schwarz-Gelben!
Auf der Gegenseite waren wir tatsächlich über die gut 200 Fans überrascht, die es mit den Rot-Weißen hielten. Jetzt nicht weil Tromsø ein besonders kleiner Club wäre, doch die Gäste aus dem hohen Norden Norwegens hatten mit über 1.600 Kilometern einfacher Distanz eine längere Anreise als wir aus Frankfurt mit knapp 1.300! Entsprechend dürften nicht viele direkt aus der Nähe des Polarkreises angereist sein, doch ein kleines Grüppchen hielt zumindest mit Zaun- und Schwenkfahne die Stellung. Großen Respekt, wenn es sich dabei nicht um Auswanderer aus der Hauptstadt handelte! Viel erwarten konnten wir somit vom Gästeblock nicht, doch auch hier wurden sporadisch immer wieder Gesänge angestimmt und munter geklatscht.
Freuen konnten sich die Nordlichter am Ende ebenso, denn durch einen gut gespielten Angriff erzielte der Tabellen-Zweite das Tor des Tages gegen die auf dem sechsten Rang platzierten Hausherren. Viel mehr kann ich zum Kick auch nicht schreiben, denn das war spielerisch leider mehr als Bescheiden. Große Frust auch beim Heimanhang, der die Tribünen mit Schlusspfiff wortlos verließ, während die Szene ihre Fahne „im Vorbeigehen“ nahezu abriss und das Stadion verließ. Keine zehn Sekunden später waren Anzeigetafel als auch Flutlichter bereits vom Strom getrennt. Wahnsinn, so eine Effizienz sieht man normal nur in Frankreich, wo manchmal selbst der letzte Toilettengang nicht mehr ermöglicht wird.
Also machten auch wir uns auf den Weg zurück zum Hauptbahnhof und schnappten uns die erstbeste Regionalbahn zurück nach Oslo. Da mittlerweile der Blutalkoholspiegel nach der erneuten Abstinenz jeglichen Bieres im Stadion bedrohlich niedrige Sphären erreichte, kehrten wir für den Abend im Henry & Sally’s ein, einem Taproom der Marke Mikkeller. Heißt auch nur in Oslo dank der Alkoholpolitik so, die das direkte Bewerben von Biermarken verbietet. Man könnte meinen, die trinken hier nur Wasser… Bei wahrlich feinen Bieren wurde entsprechend der restliche Abend begossen, während uns unser Glück der geschlossenen Küchen auch in dieser letzten Station des Tages hold blieb und in der Unterkunft schließlich ein Apfel als Hauptgang herhalten musste. Pech und Glück – immer nah beisammen!