09.04.2023
32. Spieltag Eerste Klasse A
Royal Antwerp FC - Cercle Brugge KSV
Bosuilstadion
Endergebnis: 2:1 (0:1)
Zuschauer: 16.634 (ca. 200 Gäste)
Ticket: 35€
Fotoalbum
Lediglich 45 Autobahnminuten nach der Abfahrt aus Leuven grüßte uns bereits die Stadtgrenzen von Antwerpen. Überqueren wollte man selbige aufgrund der geltenden Abgasverordnungen aber nicht, für welche mit Vorlaufzeit etliche Daten samt Fahrzeugschein auf einer Website hochgeladen werden müssen. Nebst Androhung drakonischer Strafen waren es aber auch die Parkgebühren in der Stadt als auch unserer Unterkunft, die uns schließlich den P+R Olympiade ansteuern ließen. Kostenpunkt: Lediglich zwei Euro pro Tag, Sonntag sogar umsonst und eine Tram vor der Nase. Somit das Gefährt abermals abgestellt, Taschen aus dem Kofferraum gekramt und schließlich per ÖPNV in Richtung Stadt aufgebrochen. Tickets gibt’s hier für 2,50€ in der Bahn, ganz unkompliziert per Kreditkarte. Eine 10er Karte ist mit 17 Talern zwar deutlich billiger, allerdings sollten alle drei(!) der an diesem Abend ausprobierten Automaten nicht funktionieren. So viel also dazu.
Dank fortgeschrittener Stunde zogen wir das Abendessen vor, wofür wir unweit des Hauptbahnhofs in der einzig offiziellen Chinatown Belgiens fündig wurden. Feinste kantonesische Speisen füllten somit die Mägen, ehe es schließlich zur Unterkunft im Norden der Stadt ging. Nicht ohne uns zu verfahren, aber warum haben hier die Trams auch beide Endhaltestellen auf der Nase kleben? Kann ja nur schief gehen. Somit eine Extrarunde später in die richtige Richtung aufgebrochen und wenig später die etwas in die Jahre gekommene Koje der Unterkunft geentert.
Der Sonntagmorgen war erstmal für regenerative Zwecke gedacht und startete somit mit einem gemächlichen Hotelfrühstück, das stilechte belgische Waffeln beinhaltet. Daumen hoch dafür! Einen Supermarktbesuch später starteten wir unsere Stadtrunde mit dem Yachthafen im Norden, in dessen Mitte mit dem Museum aan de Stroom ein sehr moderner Bau in die Höhe ragt, dessen zehnter Stock kostenlos via Rolltreppen erklommen werden kann. Von dort aus liegt einem die Stadt im wahrsten Sinne zu Füßen und man hat eine perfekte Aussicht sowohl auf das Zentrum als auch die industriellen Hafenanlagen in Richtung Nordsee. Das Wetter wollte heute ebenso passen, wobei die Sonne das hauptsächlich aus Glas bestehende Gebäude bereits gut einheizte. Im Sommer sicherlich nicht die beste Idee…
Wieder unten angekommen, ging es nun an der Schelde entlang gen Altstadt, vorbei an den alten Fischmärkten bis zur Burg Steen, dem ältesten Gebäude der für ihren Diamanthandel bekannten Stadt. Von dort aus begann die Runde durch die eigentliche Innenstadt, die sich in einem großen Radius um die Liebfrauenkathedrale erstreckt und insbesondere durch die große Zahl erhaltener Gildehäuser bestach. Viele Gebäude aus der früheren Blütezeit der Handelsmetropole, die im 15. und 16. Jahrhundert zu den größten Städten der Welt zählte, sind noch komplett erhalten und geben den mit ebenso vielen Restaurants durchzogenen, engen Gassen ein schönes Flair. Dass dazu die Sonne den blauen Himmel ergänzte, machte die gute Stimmung selbstredend perfekt. Am Groenplaats verbrachten wir schließlich bei einigen Snacks den Mittag und labten uns an der phantastischen, belgischen Bierauswahl, ehe es per Tram schließlich gen Nordosten zum etwas außerhalb gelegenen Spielort ging.
An der dortigen Haltestelle bevölkerten bereits zahlreiche Anhänger der Rot-Weißen die Pubs, wodurch wir uns zum ersten von vielen folgenden Malen an England erinnert fühlten. Die Glatzen mit ausgeprägten Wampen taten ihr Übriges zum Insel-Feeling bei. Wir liefen direkt weiter zum Spielort, der am Ende eines kleinen Parks samt angelegtem Springbrunnen top modern vor sich hin glänzte. Eine Bude, die von Außen nicht so wirklich in die alte Hafenstadt passen will. Einen Abstecher in den Fanshop später ging’s rein in die Bude, wo wir unsere Plätze in Reihe eins von Block 112 der Tribüne 1 fanden. Wieder vorderste Front, allerdings waren sonst schlichtweg keine zwei Sitze nebeneinander mehr zu bekommen. Antwerpen zieht derzeit, insbesondere aufgrund der guten sportlichen Ausgangslage. Die Sicht war trotzdem nahezu perfekt und in etwa auf Kopfhöhe der Spieler, während auch sonst alle Ecken der Bude einsehbar waren.
Das Bosuilstadion, auf Deutsch auch Waldkautzstadion, stellt bereits seit 1923 die Heimspielstätte des Royal Antwerp FC. Exakt genauso alt ist die Tribüne 2, die noch heute in ihrem ursprünglichen Zustand das Stadion prägt. Allerdings sind die wundervollen Holztraversen seit einigen Jahren gesperrt und werden im Zuge des Umbaus, der bereits seit 2017 andauert, demnächst abgerissen. Immerhin ihren 100. Geburtstag durften die Stufen noch feiern und erhielten hierzu einen neuen, farblichen Anstrich. Die Haupttribüne sowie Tribüne 4, Heimat der Hausherren, wurde bereits im Stile einer Arena mit extrem hohem Dach und viel Platz für VIPs erneuert, während die T3 samt Gästeblock dank des tiefen Daches wiedermal an England erinnerte. Der einzig verbliebene Flutlichtmast ist leider auch nicht mehr aktiv und wird derzeit durch zwei innerhalb des Stadion angebrachten LED-Werfer ersetzt. Neu und alt, sehr nah beieinander, allerdings hatte die alte Bude auf Bildern doch deutlich mehr Charme und erinnert an den Glanz vergangener Tage.
Denn der Royal Antwerp FC ist nicht nur viermaliger belgischer Meister, sondern mit Gründung am 1. September 1880 der älteste Club des Landes. Höhepunkt für „The Great Old“ war, neben den drei Titeln im Pokal, die Teilnahme am Finale des Europapokals der Pokalsieger 1993 gegen den AC Parma, was im Londoner Wembley-Stadion verloren ging. Dadurch stellt der RAFC den letzten belgischen Verein, der in einem europäischen Finale vertreten war. Danach ging es bergab mit den Rot-Weißen, die sogar zwischen 2004 und 2017 nur zweitklassig vertreten waren. Trotz der Größe des Clubs wartet Antwerpen bereits seit 1957 auf den fünften Meistertitel, während der Pokalgewinn 2020 den ersten, großen Erfolg seit über 30 Jahren markierte. Dennoch gehört die Anhängerschaft der Hafenstädter mitunter zu den Besten des Landes, weshalb die eigenen Erwartungen mit Blick auf die Atmosphäre etwas höher zu verorten waren.
Optisch fing die Kurve auch gut an, flaggte mit einigen großen Zaunfahnen, darunter die der offensichtlichen Hauptgruppe „Amberes 17“ (spanisch für Antwerpen), an und brachte mit einigen großen Schwenkern einiges an Farbe auf die Ränge. Nachdem für einen verstorbenen Fan mittels Luftballons und leidenschaftlichem „You’ll never walk alone“ gedacht wurde, war es das aber mit der Stimmung. Vielleicht 150-200 Leute mühten sich ohne Trommel um den Capo herum ab und forderten die restlichen Stadiongänger wild gestikulierend zum mitmachen auf, allerdings blieb es schlichtweg bei dem kleinen, nahezu unhörbaren Haufen. Keine Ahnung woher die großen Lobhudeleien herkommen, allerdings war das hier stimmungstechnisch die größte Enttäuschung für mich seit Jahren. Ganz nach Vorbild der gegenüberliegenden Insel wurde es höchstens beim Abstoß des gegnerischen Torhüters laut, oder eben wenn man mit der Leistung des Unparteiischen nicht einverstanden war. Ist vielleicht wirklich so wie drüben, dass Antwerpen on tour bestimmt gut abgeht, daheim aber jeder lieber still sein Spiel schaut.
Dazu passte auch der Kontrast der etwa 200 Gäste des kleineren Clubs aus Brügge, die ebenfalls ohne Trommel schwer einen abrissen. Durchgängige Gesänge hinter einem Spruchband zum Vereinsgeburtstag („124 Jahre die Schönsten!“) sowie eine gute Zahl Schwenkfahnen machten echt was her, während auch hier die meisten Gesänge eher in der Kerbe England/Niederlande einschlugen. Nur natürlich deutlich konstanter als alles, was in good old Britain eben so in den Stadien abgeht. Somit zumindest etwas Stimmung in der Bude, wobei die lauten Momente des Gästeblocks auch vom angrenzenden Heimbereich durch kurze Gesänge nicht unbeantwortet blieben, alles in allem also irgendwie ok.
Sportlich ging es für beide kurz vor Ende der Hauptrunde auch noch um was. Antwerpen wollte seine Ausgangslage im Kampf um die Meisterschaft vor ausverkauftem Haus verbessern, während Cercle noch um den Einzug in die Conference-Playoffs bangt. Somit entwickelte sich schnell ein ansehnlicher Kick, in dem die Hausherren zwar die besseren Chancen erspielten, Brügge aber kurz vor der Pause jubeln durfte. Im zweiten Durchgang dann deutlich weniger Highlights, ehe in der 72. Minute der überfällige Ausgleich fiel. Wenig später entschied ein Handelfmeter für Antwerpen nach langem VAR-Check die Partie und brachte das Stadion dann doch für einen kurzen Moment zum beben. Jubeln können sie augenscheinlich, wie auch der Familienvater zu meiner Rechten, der sich während des Spiels dermaßen einen in den Pullover gehäkelt hatte, dass er beim Pöbeln gegen den Gästeblock beinahe vorwärts über die Balustrade flog. Wenig später folgte der letzte Schlusspfiff und Antwerpen behielt die Punkte nach gedrehtem Spiel zu Hause.
Die Bude leerte sich schnell, sodass auch wir nur wenige Minuten nach Spielende wieder gen Tram aufbrachen. Die Bahn chauffierte uns zurück nach Chinatown, wo dem selben Etablissement wie am Vorabend ein erneuter Besuch abgestattet wurde. Fans kantonesischer Küche kommen im „The Best“ auf jeden Fall auf ihre Kosten, auch wenn die abermals große Portion gut im Magen lag. Somit entschieden wir uns für den Rückweg per Pedes, der uns nochmal quer durch die Altstadt und ebenso durchs schwer an Amsterdam erinnernde Rotlichtviertel führte. Als jemand, der ab und an durchs Frankfurter Bahnhofsviertel laufen muss, ein nahezu friedvoller und gesitteter Anblick hier. Wenig später die Unterkunft erreicht und zufrieden mit dem Tag ins Land der Träume abgetaucht.