23.07.2022
1. Spieltag Eerste Klasse A
Sint-Truidense VV - Union Saint-Gilloise
Stayen
Endergebnis: 1:1 (1:0)
Zuschauer: 5.500 (ca. 300 Gäste)
Fotoalbum
Gerade noch den phänomenalen Auftaktsieg der SVE in Essen zelebriert, fand man sich wenig später auf dem Weg gen Westen wieder. Über zunächst freie Autobahnen im Ruhrpott und dem Schleichabschnitt dank Tempo 100 in den Niederlanden erreichten wir nach gut zwei Stunden das knapp westlich von Maastricht gelegene St. Truiden in Flandern. Der heimische STVV sollte um kurz vor neun gegen den Vizemeister der Vorsaison kicken, passte also super in den Zeitplan. Da es mit der Heimfahrt etwas spät werden würde, quartierten wir uns auch gleich in der Nähe ein und hingen ebenso den Sonntag in Belgien dran. Nur wo unterkommen in dem kleinen Städtchen?
Die Antwort war am Ende recht simpel: Im Stadion-Hotel. Das hat hier die Besonderheit, dass einige der Zimmer gar den Blick auf den beleuchteten Rasen offerierten. Leider nicht für uns, denn dafür buchte man zu spät, doch den Luxus des inkludierten VIP-Parkplatzes wollte man sich dennoch gönnen. Klappte bei der direkten Vorfahrt bei den Ordnern nicht so ganz und man wurde mit Verweis auf das Fehlen einer Berechtigung wieder weggeschickt. Also zuerst in einer Seitenstraße das Auto abgestellt, zur Rezeption gestapft und dort den Wisch samt Zimmerschlüssel abgeholt, dann klappte es beim zweiten Versuch ohne Probleme mit der Einfahrt in die Tiefgarage. Kann manchmal auch einfach sein!
Nachdem fix das Zimmer bezogen und für die Nacht als gut empfunden wurde, ging’s schnurstracks auf die gegenüber des Stadions um Kunden werbende Frituur. Nach der Enttäuschung am Mittag labte man sich an Pommes und allerlei sonstigem fettigen Zeugs, was in hiesigen Breitengraden den Weg in die Fritteuse findet. Dass bei diesem Ernährungsangebot die meisten Belgier nicht rollen statt laufen ist mit noch immer schleierhaft. Die Augen waren dabei mal wieder größer als der Magen, weshalb die Portion Pommes am Ende siegreich zur Hälfte liegen blieb. Schon eklig, aber geil!
Nach einem kurzen Abstecher in den nahen Fanshop ging’s hinein ins Stadion, wo wir unsere Plätze auf der Osttribüne in Block D direkt über einem Mundloch fanden. So weit so blöd, denn die angebrachten Stangen versperrten wahlweise die Sicht auf die Tribünen und das Spielfeld. Mit bisschen verrenken ging’s aber und lange bleiben wollten wir auf diesen Stühlen sowieso nicht. Entsprechend eine Halbzeit ausgehalten und später ans andere Ende ganz nach oben gewandert. Das Stadion kommt, dank der Umbauten, recht zusammengeschustert daher. Die große und moderne Haupttribüne blieb recht leer, viele der sogenannten VIPs verliefen sich zum ersten Saisonspiel nicht hierher.
Unsere Gegengerade machte derweilen den monumentalsten Eindruck, wobei die stark nach Lagerhaus anmutenden Plastik-Vorhänge vor den Eingängen unglaublich zum Bauhaus-Charme beitrugen. Darunter die große Buvette, in der vor als auch nach dem Spiel unzählige Belgier an ihren Bierchen in 0,2L Schnapsgläsern nuckelten. Die Hintertortribüne zur Straße hin ist ebenfalls recht neu und bildet die Heimkurve, woran sich auch gleich unser Hotel, welches ebenfalls auf den Namen „Stayen“ hört, anschließt und die Bebauung der Ecke in Zukunft unmöglich macht. Der Gästeblock ist das mit Abstand älteste Puzzlestück in diesem 15.000er, der wirklich noch aus ganz alten Zeiten zu stammen schien. War vor den ganzen Umbauten mal Heimbereich und ist heute in Gänze nicht mehr nutzbar. Sieht auch irgendwie nach aufeinander gestapelten Schiffscontainern aus, die vorne aufgeschnitten wurden. Unten einer dieser kleinen, gottlosen Käfige für die Fans der großen Vereine, oben zumindest der etwas weitläufigere und Steile Oberrang. Gefiel im ganzen Rund mit Abstand am besten und hatte direkt was kultiges für mich. Erwähnt sei noch der Rasen, denn der ist trotz erster Liga künstlich. Sieht man auch nicht so oft, kann auch gerne so bleiben.
Ein unbeschriebenes Blatt ist der STVV hingegen nicht, handelt es sich doch um einen kleinen Traditionsverein. Neben einigen Spielzeiten in der zweiten Klasse war die Voetbalvereniging vor allem in den 50er und 60er Jahren erstklassig unterwegs, gewann dabei eine Vizemeisterschaft, erreichte zwei Mal das Pokalfinale und konnte sowohl 1999 als auch 2003 am Intertoto Cup teilnehmen. Die jüngste Entwicklung des Vereins wird jedoch aus Asien gesteuert. Seit 2017 befinden sich 100% des Clubs in den Händen einer japanischen Internet-Firma, was sich gewaltig auf die Transfers auswirkt. So kickten für die „Kanarienvögel“ am heutigen Tag fünf Japaner in der Startelf, darunter auch Ex-Dortmunder Shinji Kagawa.
Zum ersten Spiel gegen die USG aus dem Süden Brüssels sollten es gut 5.500 Zuschauer ins Stayen schaffen. Die Heimseite zeigte dazu eine kleine Choreo am vorderen Zaun, die aus einer großen, bemalten Folie bestand und die Aufschrift „Beast mode on“ sowie ein wütendes Hühnchen oder sonst einen Vogel zierte. Recht ulkig, dafür aber sauber gemalt, wenn auch ein paar zusätzliche Elemente die Wirkung verstärkt hätten. Denn bis auf 1-2 Fahnen kam vom zahlenmäßig stattlichen Haufen dahinter nichts. Generell überzeugte mich der Mob der „Brigada Hesbania“ nicht so wirklich. Eine Mini-Zaunfahne vor sich und unbeständige Gesänge hinterließen keinen bleibenden Eindruck, auch wenn man die ein oder andere Melodie noch nicht so häufig zu hören bekam.
Fühlte sich stark nach angezogener Handbremse an, oder eben auch einigen Mitläufern, die einfach so beim Haufen stehen. Da passte auch die Werbung zum Beitritt in die Gruppe rein, die mehrmals über die Stadionbildschirme(!) abgespielt wurde. Bisschen zu viel Event für mich, wenn sich da die fahnenschwenkenden Mitglieder cool vor dem leeren Block präsentieren. Wurde man nicht so mit warm. Fairerweise besserte sich der Eindruck im zweiten Durchgang, als die Lautstärke insbesondere bei einem Wechselgesang zwischen Capo und Mob deutlich nach Oben schnellte. Generell mehr Leute als erwartet, aber weniger als was mit dem Haufen augenscheinlich geht.
Deutlich besser gefielen da die Gäste aus dem nur eine Stunde entfernten Saint-Gilloise, die für die Uhrzeit respektable 300 Schlachtenbummler mitbrachten. Über Zaunfahnenkultur und warum schief aufgehängte Fahnen scheiße aussehen will ich in Belgien gar nicht erst anfangen, da ist erstmal positiv dass sie überhaupt was an den Zaun klatschen dürfen. Aber die Jungs dahinter machten schon eine halbe Stunde vor Anpfiff einen hochmotivierten Eindruck. Gut die Hälfte war bei den Liedern des französischen Stils stets dabei, garniert mit einigen Schwenkern und Doppelhaltern. Sah in meinen Augen deutlich lebendiger und ungezwungener aus als die Heimseite, weshalb wir unsere Plätze zur Halbzeit auch eher in Richtung Gästeblock verlagerten. Klasse Auftritt!
Sportlich hatte unterdessen die Heimseite die Nase vorn, das 1:0 im ersten Durchgang ging auch völlig in Ordnung. Nach dem Pausentee zeigte sich der Vizemeister des Vorjahres deutlich gefangener und aktiver und konnte in der Schlussphase zum verdienten Ausgleich kommen. Fast wären es sogar drei Punkte geworden, doch der Schlussmann des STVV kratzte einen schön geschnittenen Freistoß in der letzten Sekunde der Nachspielzeit von der Linie und besiegelte die Punkteteilung. Kein gutes Spiel, aber zumindest spannend. Typisch für England – äh, Belgien – leerten sich die Ränge innerhalb der nächsten zwei Minuten nahezu vollständig. Der Gästeblock zelebrierte den Punktgewinn deutlich länger, ehe auch dieser die seltsame Treppenkonstruktion gen Ausgang beschritt.
Für uns ging’s auch wieder nach draußen und in Richtung Hotel, doch Wegzehrung für die beschwerlichen 50 Meter wollte auch noch aufgetrieben werden. Da im Stadionumfeld ausschließlich mit Clubkarte bezahlt werden kann, ging’s zur erstbesten Brasserie auf der anderen Straßenseite, die ihr Bier vor den Türen ausschenkte. Bei Preisen von 2,50€ für diesen halben Schluck Bier im Glas beließen wir es aber bei einer Runde und fielen wenig später fertig und zufrieden in die Kiste. So schnell nach Abpfiff waren wir auch noch nicht zurück.