Nationaldivision: FC Wiltz – F91 Dudelange

22.05.2021
29. Spieltag Nationaldivision
FC Wiltz - F91 Dudelange
Stadion am Poetz
Endergebnis: 0:0
Zuschauer: 421 (ca. 50 Gäste)
Fotoalbum

Sonntagmorgen. Der Kaffee duftet im Schatten des Laptops, der sich mal wieder alle Zeit der Welt für die Bearbeitung der Fotos nimmt. Nebenher wird die Excel-Tabelle mit einem weiteren Eintrag gefüllt, während die Gehirnwindungen bereits genüsslich rattern und ein paar Textzeilen fabrizieren. Alles eigentlich recht normal nach einem besuchten Spiel. Aber normal – ja, normal war dieser Samstag, der 22. Mai 2021 zumindest in diesem Jahr keinesfalls. 209 Tage lang war der Gang zum Supermarkt das wöchentliche Highlight. Über ein halbes Jahr lang brauchte man sich keine großen Gedanken über auch nur irgendwas zu machen, was nicht in den eigenen vier Wänden stattfand. Reisen? Das Land verlassen? Mal kurz in die Stadt was trinken? Nix da. Morgens aufstehen, acht Stunden und mehr im Home Office ackern, abends kurz die Xbox an und solange Sinnlos-TV, bis man irgendwann einschläft. Tag ein, Tag aus.

Nach der anfänglichen Wut und Ungeduld folgte dieses Mal jedoch recht schnell die Resignation, das „Man kann ja eh nichts ändern“. Warum auch trotzig sein? So schenkte man dem zweiten Hobby, dem Probieren verschiedene Biere aus aller Welt, erhöhte Aufmerksamkeit und vor allem das dafür nötige Kleingeld. Zwar nicht annähernd so spannend wie unterwegs zu sein, aber es sollte die langen Wochenenden erträglicher gestalten. Erst der Mai crashte das alltägliche, mentale Dahindösen. Denn plötzlich ging alles ganz schnell. Mit der Ankündigung Luxembourgs, bis zu 150 Zuschauer zuzulassen, war der Wille wieder da. Zwar mit Maskenpflicht und ohne Verpflegung, aber mal ehrlich – man nimmt was man kriegen kann.

Richtig in die Karten spielte uns der vorletzte Spieltag, denn da sollte der FC Wiltz 71 zu Hause gegen Dudelange kicken. Das Stadion am Poetz ist nämlich mal wieder der letzte weiße Fleck der Nationaldivision, den es mit Farbe zu füllen gilt. In normalen Jahren recht eklig zu machen, da wirklich am hintersten Ende des Landes gelegen, weitab jeglicher Autobahnen. Aus Frankfurt schlappe dreieinhalb Stunden Fahrt, die man sonst sinnvoller für ne Tour gen Osten investiert. Bester Zeitpunkt also, um das mal wieder letzte Kreuz in der Nationaldivision zu setzen. Die Tickets wurden bereits früh organisiert, wobei ein genehmigtes Sanitätskonzept wenige Tage zuvor das Kontingent auf 500 erhöhte. Umso besser! Die Vorfreude war nun natürlich gigantisch, endlich wieder Fussball!

Die Anreise erfolgte natürlich mit dem Auto, Zugfahren von Frankfurt nach Luxembourg kann man vergessen. Noch recht ungläubig flogen die üblichen Utensilien ins Auto, ehe die ersten Autobahnkilometer endlich das lange vermisste Gefühl der Freiheit verliehen. Ne gute Playlist, ab und an Sonnenschein und schon lange nicht mehr gesehene Landschaften wirkten wie ein Paradies. Gut drei Stunden später erblickten wir die rot-weiß-blaue Flagge und standen wenig später am Grenznahen Supermarkt an der Nordstooss in Marnach. Dort wanderten allerhand Leckereien und Backwaren in den Kofferraum, ehe die letzte Etappe nach Wiltz-Weidingen zurückgelegt wurde. Richtige Rally-Strecke durch die Berge und Wälder. Da vermisst man manchmal ein paar Pferdchen unter der Haube. Eine weitere halbe Stunde später waren wir dann endlich da.

Geparkt werden konnte direkt vorm Eingang, wo standesgemäß mehr deutsche als gelbe Kennzeichen zugegen waren. Hätte mich auch stark gewundert, ist der Kick doch vor allem für den Westen gut zu erreichen gewesen. Nach kurzer Erkundung der Gegend ging’s gen Kasse, wo zunächst aus dem Kofferraum eines VW-Busses aus die Namen kontrolliert und durchgestrichen wurden, ehe an der Kasse jeweils der typische Zehner die Tore für uns öffnen sollte. Tickets gab’s leider keine, so die direkte Auskunft der Dame am Schalter. Haben wohl schon paar Leute gefragt. Dafür folgte prompt der Verweis, sich doch gleich nen Gartenstuhl auszusuchen, vom welchem man das Spiel verfolgen möchte. Denn das Sanitätskonzept sah eine Sitzplatzpflicht in allen Stadien vor. Da englische Verhältnissee auf den typischen luxembourger Dorfsportplätzen nicht so einfach herzustellen sind, half man sich hier mit ein paar hundert der weißen Sitzgelegenheiten aus. Hatte rein optisch was von einer Gartenparty.

Das Stadion am Poetz ist derweil ein richtiges Paradebeispiel der lokalen Stadionlandschaft. Eine nette Haupttribüne in Vereinsfarben und holzvertäfeltem Aufbau mit VIP-Lounge stellt das Zentrum der Anlage, während die zweistufige Gegengerade in jüngster Vergangenheit ein kleines Dach spendiert bekam. Unter eben dieser suchten wir uns, mit Blick auf die aufziehenden Regenwolken, die zwei letzten Sitze und genossen den Blick auf die nette Anlage mit dem saftig grünen Geläuf. Zumindest so wie es möglich war, saßen wir doch direkt hinter einer der beiden Trainerbänke. Ganz so milchig waren die Plexiglasscheiben zwar noch nicht, beste Sicht ist aber was anderes.

Mit der Zeit säumten mehr als 400 Zuschauer die Traversen und sorgten für ein lange nicht mehr gesehenes Bild. Darunter waren dann auch acht Gästefans in Gelb, die so etwas wie den Stimmungsblock markierten.  Dudelange hatte zwar mal ne Ultragruppe, doch unter dem mittlerweile recht bekannten Flavio Becca, welcher zwischen 1998 und 2020 als Mäzen maßgeblich für den sportlichen Erfolg von F91 verantwortlich war, gab die Gruppe mit den Jahren auf. Andere Stimmen behaupten, man habe sie gar vom Hof gejagt, man wolle sie nicht. Nach dem Einstieg Beccas bei Swift Hesperange und dem Rückzug aus Dudelange entsprechend schön, dass hier nun augenscheinlich wieder Platz für Fankultur ist. Mit dabei hatten die Jungs am heutigen Tag eine gedruckte Zaunfahne mit Postleitzahl, Bier und Clublogo, vier Schwenkfahnen sowie eine große Trommel. Leider aber auch Tröten und irgendwo eine Musikbox, aus der Fangesänge abgespielt wurden. Nervte aber alles nicht so sehr wie anfangs vermutet. Der kleine Haufen gab sogar gut Stoff und zeigte sich gesanglich recht aktiv, wurde in aller Euphorie aber oft vom Stadionsprecher zum Hinsetzen verdonnert.

Aufreger gab es auf dem Rasen allerdings auch genug, denn sportlich war der Kick am vorletzten Spieltag mit einer Vorentscheidung gleichzusetzen. In der Tabelle stand F91 punktgleich mit den neureichen Hesperingern auf Platz 1, während Fola Esch mit einem Spiel und drei Punkten weniger auf Platz drei lauerte. Eine Niederlage von Dudelange bei gleichzeitigem Sieg der Konkurrenz und der Meisterschaftszug wäre wohl abgefahren. Entsprechend ruppig und nervös gestaltete sich die Partie, die vor allem mit Fouls, Diskussionen und Mittelfeldgeplänkel glänzte. Torchancen waren folgerichtig Mangelware, und das auf beiden Seiten. Zwar hatte man das Gefühl, als könnte es jede Minute scheppern, allerdings wussten die Offensivspieler konstant jeden noch so guten Ball zu verstolpern.

Highlight war daher der vorhergesagte Regenschauer, der sämtliche Abstandsregeln außer Kraft setzte. Recht kuschelig am Ende unterm Dach, während die Regentropfen das letzte bisschen Sicht durch die Trainerbank hindurch zunichtemachte. Aber meckern auf hohem Niveau. Standesgemäß ging der erste Kick des Jahres ohne Tore über die Bühne, was vom Heimanhang, der zu Spielbeginn noch seine Abgänger ehrte, gebührend gefeiert wurde. Bei Dudelange hingegen hängende Köpfe, zumal beide Konkurrenten ihre Spiele gewinnen konnten. Wie es aussieht, machen es am letzten Spieltag Fola und Hesper unter sich aus.

Hier gibt’s weitere Bilder!

Für uns ging es, mit einer wieder kompletten Nationaldivision im Gepäck, zurück gen Auto. Dieses lechzte noch nach günstigem, luxembourger Sprit, den es an der grenznahen Tanke zu genüge bekommen sollte, ehe ein letzter Stopp am goldenen M auch die hungernden Bäuche befriedigte. Hunderte Kilometer runterschrubben für 90 Minuten torloses Gekicke im luxembourger Hinterland – das bisher beste Wochenende des Jahres!