Relegation: BFV Hassia Bingen – SF Eisbachtal

06.06.2018
Relegation zur Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar
BFV Hassia Bingen - SF Eisbachtal
Stadion am Hessenhaus
Endergebnis: 1:0 (0:0)
Zuschauer: 1.205
Fotoalbum

Am Tag nach dem kurzen Abstecher nach Luxembourg sollte ein unterklassiger Schmankerl anstehen. Schon in den Vorwochen verfolgte man das Aufstiegsrennen zur Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar aufgrund vieler namhafter Vereine mit Spannung, welches mit der Dreier-Relegation der Zweitplatzierten der sechstklassigen Saarlandliga, Rheinlandliga und Verbandsliga Südwest den spannungstechnischen Höhepunkt fand.

Mit der Borussia aus Neunkirchen, Hassia Bingen und den Sportfreunden Eisbachtal gestaltete sich das Teilnehmerfeld recht interessant, zumal die Vertreter außerhalb des Saarlandes noch nicht besucht wurden. Da man für das sehr kurzfristig angesetzte erste Spiel zwischen Eisbachtal und Neunkirchen in der Vorwoche nicht unbedingt die weite Strecke alleine zurücklegen wollte, hoffte man unterdessen auf einen Auswärtssieg der Borussen, was als zweites Match ein Heimspiel der Hassia zur Folge gehabt hätte.

Doch es kam natürlich anders und die Sportfreunde entschieden das Spiel für sich, woraufhin Neunkirchen zu Hause gegen Bingen ran musste. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt schon aussichtslosen Lage der Borussia im Aufstiegsrennen entschied man sich gegen einen erneuten Besuch des Ellenfelds und blickte stattdessen auf das letztendlich entscheidende Spiel am Mittwoch. Bingen, das bei Neunkirchen ein Unentschieden holte, traf zu Hause auf Eisbachtal und benötigte einen Sieg für den Aufstieg, während den Gästen ein mageres Pünktchen zum Erfolg genügen würde. Spannung demnach garantiert.

Da man, wie bereits im Text zum Vortag erwähnt, in Ermangelung an Gesellschaft nichts anderes mit sich anzufangen wusste und zudem ein neuer Ground im Raum stand, wurden jegliche Bedenken ad acta gelegt und Mittwochnachmittag unter heftigem Gewitter im Trierer Umland die drei Sachen gepackt. Kühle 16° und Dauerregen liesen die Außenwelt zwar nicht gerade einladend wirken, doch warme Klamotten und ne Regenjacke schafften Abhilfe. Soweit zur gut gemeinten Vorbereitung, doch 120 Kilometer Landstraßen und Autobahn später erreichte man mit dem Rheintal einen waren Glutofen. 31° zeigte das Thermometer, was vorherige Wettersorgen ad absurdum führte. Mehr schlecht als recht schälte man sich aus dem Auto, nachdem in einer stadionnahen Seitenstraße der letzte Stellplatz am Straßenrand ergattert werden konnte, und verfluchte die Wahl der langen Hose.

Eine knappe halbe Stunde vor Anpfiff gings in Richtung Stadion, an dessen Pforten Fußballbegeisterte schon gefühlt mehrmals um den Block Schlange standen. Für günstige 3,50 gabs das Ticket von der Rolle und den Eintritt in die gut gefüllte Anlage. Der überragende Andrang löste fast schon Begeisterung aus, da man absolut nicht mit solchen Größenverhältnissen rechnete.

Das gleiche galt auch dem schicken Stadion am Hessenhaus, das für die Verbandsliga definitiv zu groß daherkommt. Direkt ins Auge fiel dabei die eher ungewöhnliche überdachte Haupttribüne, welche allem Anschein nach in Mitten eines Mietshauses errichtet wurde. Direkt daneben befand sich das zweistöckige Clubheim mit permanent gefülltem Balkon. Vier Stufen am unteren Ende rundeten die Seite ab, während die komplette Gegentribüne über einen neunstufigen Ausbau verfügte. Nette und große Anlage, die zudem mit einem schönen Weinberg-Panorama auftrumpft und insgesamt Platz für 5.000 Zuschauer bietet.

Ein solch großer und alter Bau kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern ist zumeist mit einer glorreichen Vergangenheit verknüpft. Obwohl Hassia den Sprung auf die ganz große Fussballbühne niemals schaffte, spielten die Rot-Schwarzen dennoch vor allem in den 70er und 80er stets in der damals Drittklassigen Amateur-Oberliga Südwest und verpassten zwei Mal nur knapp, einmal erst im Entscheidungsspiel, den Aufstieg ins Unterhaus. Mit dem hierarchischen Abstieg der Oberliga gings in den Folgejahren auch für Bingen immer weiter abwärts. Tiefpunkt dürften zwei Spielzeiten in der lediglich siebtklassigen Landesliga gewesen sein, der man vor drei Jahren aber wieder entfliehen konnte. Nun gings also um den erneuten Aufstieg in die Oberliga, zu der der Club zuletzt in der Saison 2009/10 angehörte.

Das demnach wichtigste Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte mobilisierte Massen an Schaulustigen, die sich im gesamten Rund verteilten und der Partie einen würdigen Rahmen verliehen. Organisierten Support gabs unterdessen keinen, was jedoch auch schlicht am Fehlen einer Szene bei beiden Vereinen lag. Dennoch flaggten zwei gedruckte Zaunfahnen der Heimseite am Hintertornetz („Bingium Delirium“ und „Fanclub Hassia Bingen“). Zudem mischten sich zahlreiche Gästefans unters Publikum, die lediglich ab und an durch ein paar Tröten auf sich aufmerksam machten. Bis auf kurze „Hassia“- und „Eisbachtal“-Rufe nichts Erwähnenswertes.

Da der Kartenverkauf und die Kontrolle am Einlass recht viel Zeit in Anspruch nahm, gings während der ersten Halbzeit noch auf eine kleine Runde innerhalb des Stadions, bevor dem komplett überforderten Verpflegungstand ein Besuch abgestattet wurde. Für drei Euronen sollte die Frikadelle verköstigt werden, die jedoch nicht im Brötchen, sondern auf einem Pappteller mit Gabel serviert wurde. Stutzig nahm man selbige samt danebenliegendem Brötchen entgegen und senkte die Erwartungshaltung drastisch. Trotz der beachtlichen Größe schien das Teil weder warm, noch jemals einen Grill gesehen zu haben. Skeptisch nahm man den ersten Bissen… und war direkt begeistert. Voller Zwiebeln, saftig im Geschmack und perfekt gewürzt – definitiv selbstgemacht und die mit Abstand beste Frikadelle meines Lebens.

Alleine der kulinarische Leckerbissen war den Besuch eigentlich schon wert. Und Fussball sollte ja auch noch gespielt werden. Wie eingangs erwähnt gestaltete sich die Ausgangslage zum Entscheidungsspiel folgendermaßen: Bingen benötigt dringend einen Sieg, hat jedoch ein Heimspiel, während Eisbachtal auch mit einem Unentschieden durch wäre und somit auf dem Papier die besseren Karten innehatte. Dementsprechend gestaltete sich auch die Anfangsphase, in der die Hausherren zumindest versuchten, ständig den Druck in der Offensive aufrecht zu erhalten. Die Gäste hielten jedoch klug dagegen und kamen ihrerseits zu einigen Chancen, die unterm Strich etwas gefährlicher wirkten.

Das Unentschieden zur Pause ging demnach völlig in Ordnung, was den Startschuss zu einer spannenden und noch druckvolleren zweiten Hälfte markierte. Nun war auch das Publikum mit einigen Emotionen mehr dabei, denn die Zeit rannte nun unaufhörlich dahin. Auf konstant hohem Niveau zeichnete sich ein torloses Endergebnis ab, mit dem man aus neutraler Perspektive hätte durchaus zufrieden sein können. Bis zur 90. Minute. Nach Gewusel im Eisbachtaler Strafraum packte ein Binger Angreifer plötzlich den Hammer aus und traf zum alles entscheidenden 1:0. Ein explosionsartiger Jubel erhellte das Stadion, der schlagartig in ein banges Zittern umschlug. Fünf Minuten Nachspielzeit zeigte das fehlerfreie Gespann um den Saarländer Patrick Alt an, die es für die Hausherren zu überstehen galt.

Trotz erneuten offensiven Rundumschlags der Gäste sollte es am Ende für die Hassia reichen. Der Schlusspfiff ging in lauten Jubelstürmen unter, während etliche Jugendspieler den Platz fluteten. Hassia Bingen stieg somit in die Oberliga auf und trifft dort in der nächsten Saison unter anderem auf Eintracht Trier und die TuS Koblenz. Natürlich auch von unserer Seite Glückwunsch dazu! Die ausschweifende Feier auf dem Rasen verfolgend, die standesgemäß mit einer Humba und viel Bier endete, gings wenig später wieder zurück zum Auto. Immerhin stand noch eine anderthalbstündige Rückfahrt auf dem Programm, die letztendlich ereignislos endete.

Hier gibt’s weitere Fotos!

Mit 11 von 18 gesehenen Sportstätten schuf man sich unterdessen schonmal eine ganz nette Ausgangslage für die nächste Oberliga-Saison. Mal schauen, was da noch so kommt.