18.04.2018 Halbfinale BFV-Pokal Karlsruher SC - SV Waldhof Mannheim Wildparkstadion Endergebnis: 4:0 (1:0) Zuschauer: 14.264 (2.900 Gäste) Fotoalbum (inkl. Spruchbänder)
Meine Damen und Herren, wir heißen Sie Willkommen im Fussball-Krieg! Oder besser gesagt: Zum Halbfinale des BFV-Pokals. Seit Mitte Oktober stand die Begegnung schon fest und bereitet nicht nur uns große Vorfreude. Lediglich der endgültige Termin ließ mal wieder länger auf sich warten.
Zunächst war noch von März die Rede, dann von Anfang April… am Ende wurde es ein Mittwoch Mitte April. Natürlich parallel zum DFB-Pokal Halbfinale der Eintracht auf Schalke, wodurch UF der Partie aus verständlichen Gründen fern bleiben musste. Zudem sollte der Anstoss um 17.30 erfolgen, um möglichst viele Arbeitstätige zu verprellen. An das damit verbundene und für alle Beteiligte vorhersehbare Verkehrschaos im sowieso schon grenzwertigen Karlsruher Feierabendverkehr dachte natürlich niemand. Ist klar.
Für uns bedeutete dies eine Abfahrt um 11 Uhr morgens, um weitläufigen Sperrungen rund um den Wildpark gerade noch zu entgehen. Überraschend staufrei konnte die Strecke in gut zweieinhalb Stunden zurückgelegt und der Waldparkplatz unweit des Stadions befahren werden. Hieß im Klartext: Noch genügend Zeit für einen kurzen Spaziergang in die Stadt.
Zunächst ging’s zum Schloss, welches von den Anhängern des KSC als Treffpunt auserkoren wurde. Unter dem Motto „Zamme Nausdabbe gegen Mannheim“ versammelte sich schon früh ein großer Haufen Blau-Weißer im Schatten der angrenzenden Gebäude und stimmte sich aufs Derby ein. Da man aber keine Lust darauf hatte, sich beim Warten auf den Fanmarsch die Beine in den Bauch zu stellen, folgte ein kurzer Abstecher in die schöne Karlsruher Innenstadt.
Wenig später nahm man die erstbeste Tram in Richtung Hauptbahnhof in der Hoffnung, die mit dem Zug anreisenden Gäste erblicken zu können. Aber Pustekuchen. Auch hier herrschte gähnende Leere mit ein paar vereinzelten Normalos beider Lager. Am Ende kauften wir uns ne Flasche Rothaus und machtens uns in der Bahnhofshalle gemütlich.
Beim späteren Blick auf den Fahrplan wurde schnell klar, dass man nicht wirklich auf die Mannheimer zu warten brauch, wenn man den Beginn des Spiels erleben will. Denn die Gäste, die zur Mottotour „Alle in Schwarz nach Karlsruhe“ aufriefen, sollten im Anschluss mit Shuttlebussen zum Wildpark gebracht werden. Somit entschieden wir uns den ereignislosen Ausflug abzubrechen und zum Stadion zurückzukehren. Was Gutes hatte der Besuch des Bahnhofs dennoch: Jetzt weiß man, dass es ab KA eine Direktverbindung per Schiene über Brest nach Moskau gibt. Geil, oder?
Mit der Tram gings im Anschluss wieder zurück in die Kaiserstraße, von wo aus der letzte Kilometer zum Stadion per Pedes zurückgelegt werden musste. Bei dem sommerlichen Wetter aber absolut kein Problem, sondern eher Balsam auf die vom Winter geschundenen Seelen.
Mit den nun näher kommenden Flutlichtern wären wir wieder bei der eingangs erwähnten Zeile aus einem Intro eines bekannten Frankfurter Ultra-Rappers. Bei dem Polizei-Aufmarsch denkt man an alles, außer an ein Landespokal-Halbfinale. Hunderte Polizei-Busse, Reiterstaffeln, Wasserwerfer, zwei(!) Hubschrauber und insgesamt 1.000 schwer gepanzerte Polizisten begleiteten die anreisenden Anhänger innerhalb und außerhalb des Stadions. Klar, es ist ein Derby mit bewegter Vergangenheit, aber muss man wirklich so übertreiben?
Aus Fansicht dürfte es immerhin eines der jeweils interessantesten, wenn nicht sogar das wichtigste Derby des Jahres werden. Sportlich spielen zwar sowohl der KSC als auch der SVW um den Aufstieg in der dritten bzw. vierten Liga, doch das erste Aufeinandertreffen mit dem verhassten Gegenüber seit gut fünf Jahren hat wohl dennoch seinen ganz eigenen Reiz. Das zeigte sich auch schnell an den Tickets fürs Spiel, die trotz der unchristlichen Anstosszeit vor allem in Mannheim reißenden Absatz fanden. Mit 2.900 verkauften Karten vermeldete der Gästeblock offiziell ausverkauft.
Doch auch das restliche Rund füllte sich ansehnlich und verlieh dem Spiel den erhofften Rahmen. Aufgrund der geschilderten Anreiseprobleme standen kurz vor Anpfiff jedoch noch so viele Leute vor den Toren, dass der Anpfiff kurzerhand um zehn Minuten nach hinten verschoben werden musste. Somit hatte man mehr als genug Zeit, um sich dem kulinarischen Angebot zu widmen.
Das in Karlsruhe für uns fast schon obligatorische Schweinesteak mit Zwiebeln und Salsa-Sauce wusste mal wieder zu überzeugen, während man beim Anblick des ausschließlich alkoholfreien Getränkemenüs wiederum froh über den kurzen Abstecher zum Bahnhof war. Gesättigt galt nun die volle Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der von uns aus gegenüberliegenden Seite des schönen alten Wildparkstadions. Echt, das Stadion hat wirklich Stil und es wäre sehr schade, wenn es dem geplanten Neubau weichen muss.
Während im Gästeblock noch nichts los war, deutete im Bereich der Gegengerade alles auf eine groß angelegte Choreographie hin. Da freut sich der geneigte Fussballfan direkt ein Loch in Bauch. Nach der kurzen Verzögerung aufgrund des verschobenen Anpfiffs wurde die Choreo mit bewegten Elementen beim Ertönen des „Badnerlied“ gezeigt.
Zu Beginn wurde eine große blau-weiß-blaue Folienblockfahne zwischen Ober- und Unterrang gespannt, während am vorderen Zaun in großen Lettern „Köstliche, Köstliche, wunderbare Angst“ geschrieben stand. Am rechten Rand der Tribüne erschien nun ein kleiner Junge in einem gelben Poncho mit Waldhof-Logo auf dem Rücken, der ein kleines Papierboot losschickte, was langsam ans andere Ende der Tribüne trieb. Im Hintergrund schwenkte der Heimbereich dazu Luftballons in Vereinsfarben, bevor im mittleren Teil eine weitere Blockfahne hochgezogen wurde. Diese zeigte einen lachenden Clown mit drei Ballons in seiner Hand, auf den jeweils ein Logo der Gegengerade und des KSC abgebildet waren.
Liebhaber des Horrorfilm-Genres dürften das Motto wohl schon erraten haben: Es geht um den Film „Es“, Verfilmung des Buches von Stephen King. Der Clown, bei dem es sich um Pennywise handelt, lockt das kleine Waldhof-Kind aus dem „Club der Verlierer“ mit Luftballons zu sich hin. Passend dazu erklang nun eine typische Kirmes-Musik aus den Stadionlautsprechern, bevor sämtliche Luftballons in den Himmel stiegen. Im Anschluss gabs noch ein wenig blauen Rauch über die gesamte Tribüne. Eine meiner Meinung nach großartige und bis ins letzte Detail durchdachte Choreo.
In der Folge startete der Heimbereich in seinen lautstarken Spielsupport, der unterm Strich der Beste war, den ich bis jetzt in Karlsruhe erleben durfte. In der Mitte der ersten Hälfte zeigte die Gegengerade noch das Spruchband „Gemma Schwoaze – Auf ins Cupfinale!“ für die am gleichen Abend gegen Rapid geforderten Sturm Grazer.
Auch im Gästeblock wurde sowohl optisch als auch akustisch einiges geboten. An der Mottofahrt in Schwarz beteiligten sich zwar nicht alle anwesenden Gästefans, umso besser wirkte jedoch der Einmarsch der Waldhöfer Szene kurz vor Anpfiff, die ohne Umwege sofort auf den Zäunen platznahmen und gegen Karlsruhe pöbelten. Kurze Zeit später erinnerte der erste von vielen Böllern auch den letzten Zuschauer daran, was für ein Spiel heute anstand.
Bekannte Mannheimer Zaunfahnen suchte man an diesem Nachmittag jedoch vergebens. Der leere Zaun wurde erst mit Anpfiff durch eine große schwarze Fahne bedeckt (Waldhof Mannheim – Der SVW bestimmt unser Leben – Tod allen Feinden), passend zum heutigen Kleidungsstil der Gäste. Auch nach Anpfiff, besser gesagt während der kompletten ersten Hälfte, blieb der vordere Zaun von vielen schwarzen Gestalten besetzt.
Ähnlich wie auf der Heimseite zeigte sich auch der Gästeblock akustisch von seiner besten Seite. Die Lieder wurden mit brachialer Lautstärke und einer ständig hohen Mitmachquote vorgetragen, während auch hier ungefähr jedes zweite Lied die Antipathie gegenüber dem KSC und seinen Anhängern bekundete. Alles in allem ebenfalls ein sehr starker Support.
Einige Spruchbänder im Gästeblock richteten sich übers Spiel verteilt gegen Karlsruhe, die anscheinend einem abgemachten Match fernblieben oder selbiges absagten („Wer hat an der Uhr gedreht – Für Vollkontakt ist es euch zu spät“, „Kamikaze auf die Stirn geschrieben, warum dem Faustkampf ferngeblieben?“ und „Ihr kämpft um zu siegen – wir aus Prinzip!“), bevor man kurz vor Schluss nochmals ein Statement an die Heimseite schickte („Eure Farben, euer Verein – Werden immer Scheisse sein“, abgerundet mit einer KSC-Fahne, die in einem großen Häufchen steckte).
Bei all dem Trubel auf den Rängen muss ich ehrlich gesagt gestehen, dass ich vom eigentlichen Spiel nicht viel mitbekam. Ging aber bestimmt nicht nur mir so und war auch irgendwie zu erwarten. Einen wirklich tollen Kick erhoffte man sich sowieso nicht, da für beide Clubs die Aufstiegsrennen in ihren jeweiligen Ligen einen höheren Stellenwert innehaben. Zudem ist dem KSC der vierte Platz in der dritten Liga quasi nicht mehr zu nehmen, wodurch die Badener sowieso schon ein Ticket für den DFB-Pokal gelöst haben, während Waldhof stand jetzt wieder in die Regionalliga-Relegation darf, die ja bekanntermaßen nur wenige Tage nach dem ach so beliebten Finaltag der Amateure ausgetragen werden soll.
Dennoch wurde bei Bekanntgabe der Aufstellungen schnell klar, dass beide Clubs mehr als nur ihre zweite Reihe aufs Feld schickten. Nach einer anfänglich ausgewogenen Partie unterstrich der KSC jedoch schnell seine Favoritenrolle und ging in der 22. Minute per Flachschuss in Führung, was auch gleichzeitig den Halbzeitstand einer unterhaltsamen und spannenden ersten Hälfte darstellte.
Die Eröffnung der zweiten Halbzeit fand dann wiederum im Gästeblock statt. Etliche Dosen weißer Rauch nebelten den Gästeblock und später das Spielfeld ein, während die einigen wenigen Bengalos, die teilweise im Innenraum entsorgt wurden, eher weniger zur Geltung kamen. Dazu gabs wieder mal einige Böller, die sowohl innerhalb des Blocks gezündet, als auch in den Innenraum und auf die Gegengerade geworfen wurden. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte gings auch schon weiter.
Nach einem wiederum lautstarken Start beider Kurven (und weiterer x Liebesbekundungen des Gegenübers) sorgte die Karlsruher Mannschaft auf dem Feld so langsam für klare Verhältnisse. Zunächst unterbanden die Hausherren mit dem 2:0 in der 66. Minute nach einem Konter das aufflammende Angriffsspiel der Gäste, bevor nur vier Minuten später per Fallrückzieher die Vorentscheidung fiel. Nun war die Luft aus der Partie raus und das 4:0 in der Nachspielzeit nur noch Formsache.
Die Anhänger der Blau-Weißen feierten ihr Team und den Derbysieg frenetisch, während der Gästeblock mit einer Schalparade und dem Mannheimer Gesang „Es geht weiter, immer weiter“ ihr Team wieder aufbauten. Während nun ein Großteil der Zuschauer das Rund verließ, nutzte der Gästeblock seine angekündigte dreißigminütige Blocksperre erneut zum Pöbeln und zur Präsentation einiger gezockter Schals und T-Shirts, die am Trennzaun zur Gegengerade aufgehangen und anschließend verbrannt wurden. Auch die Heimseite ließ sich nicht lumpen und ging mit ungefähr zwanzig Mann auf die Pöbeleien ein. Neben zweier weiteren geworfenen Böllern passierte aber nichts.
Etwa fünfzehn Minuten nach Abpfiff gings auch für uns nach draußen, um rechtzeitig vor der Straßensperrung aufgrund der abreisenden Gäste die Heimreise anzutreten. Klappte glücklicherweise auch gerade noch so, weshalb man, nach einigen Staus auf der A5, nach gut drei Stunden wieder heimische Gefilde erreichte.
Hier gibt’s viele weitere Fotos! (inkl. Spruchbänder)
Fazit: Geile Choreo und großartige Stimmung auf beiden Seiten, dazu ein richtig gutes Derbyfeeling. Zwei klasse Kurven, bei denen jede einzelne immer wieder für neue Höhepunkte sorgte und es schlichtweg unmöglich macht, einen persönlichen Favoriten zu benennen. Und wieder mal ein Beweis dafür, wie wichtig die gelebte Fankultur für den Fussball ist.