Coupe de France: AS Nancy – Olympique Lyon

06.01.2018
9. Runde Coupe de France
AS Nancy - Olympique Lyon
Stade Marcel Picot
Endergebnis: 2:3 (0:1)
Zuschauer: 14.201 (ca. 300 Gäste)
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Zum Jahresauftakt gings für uns, genau wie im letzten Jahr, zum ersten Spiel nach Frankreich. Die schon im Dezember ausgelosten Pokalbegegnungen im Coupe de France brachten hier und da ganz interessante Begegnungen mit sich, wobei eine davon recht früh herausstach: AS Nancy spielt gegen Olympique Lyon.

Aufgrund der Verstrickungen und Verbindungen der beiden Fanszenen kann dabei durchaus von einem Derby gesprochen werden, zu dem aller Voraussicht nach auch Gästefans zugelassen werden sollen. In Frankreich bei Hochrisikospielen schonmal eine Seltenheit.

Zudem dürfte die Partie so ziemlich das Highlight einer eher verkorksten Saison für die Jungs aus der Lorraine sein. Denn momentan taumeln die frisch aus dem Oberhaus abgestiegenen Rot-Weißen auch in der zweiten Liga der roten Laterne entgegen, was sich mitunter in Stimmung und Zuschauerzahlen bemerkbar macht. Nun endlich wieder ein großer Gegner, dazu noch im Pokal. Für Nancy gabs somit eigentlich nur etwas zu gewinnen, und sei es die eine volle Hütte im Jahr. Auch für uns Gründe genug, mal wieder über die Grenze zu fahren.

Für mich übrigens mein nunmehr viertes Match an gleicher Stelle, da es quasi einmal pro Jahr hinüber geht. Warum immer wieder Nancy? Ganz einfach: Nah, gute Fans und (üblicherweise) ganz ansehnlicher Fussball. Und natürlich den ein oder anderen, den man dort kennt. Weitere Strecken in Frankreich waren zwar schon häufiger in Planung, scheiterten jedoch zumeist an den horrenden Reisekosten oder an mangelnden Sprachkenntnissen. Oui, oui, wird demnächst mal etwas aufgeholt.

Ende Dezember wurden schonmal die Tickets organisiert, um bei hoher Nachfrage schonmal auf Nummer Sicher zu gehen. Für lange Vorfreude war indes keine Zeit, denn der Tag des ersten Spiels im neuen Jahr kam um einiges schneller als erwartet. Und es sollte ein langer werden, denn Anpfiff der Partie war erst um neun Uhr abends. Trotzdem machte man sich schon um kurz nach drei auf die Socken.

Mit dem eigenen Gefährt gings zunächst von Elversberg über Saarbrücken nach Forbach. Da die Autobahn ab diesem Zeitpunkt Geld kostet, wurde die restliche Strecke über Land zurückgelegt. Die geschwungenen, engen Landstraßen gefallen uns um einiges besser als die sterilen Schnellstraßen, die bei der Fahrt nach Nancy sowieso nur wenige Minuten schneller wären. Nach etwa zwei Stunden erreichte man auch schon die ersten Vororte und suchte sich erstmal einen Supermarkt.

Im lokalen Cora deckten wir uns mit frischem Baguette und Käse ein, was später auf dem Parkplatz zwischen die Kiefer wanderte. Immerhin eine standesgemäße Mahlzeit in Frankreich solls ja schon sein. Wenige Minuten später erreichten wir den angepeilten Parkplatz in Nancy-Tomblaine unweit des Stadions. In einer lokalen Kneipe wurden zunächst die organisierten Tickets abgeholt, wo man dann aber um einiges länger als zunächst geplant verweilte. Eigentlich beabsichtigte man zuvor noch einen Abstecher ins Zentrum der Stadt, doch bei guten Gesprächen versackte man eben gerne. Somit wurde das kulturelle Programm durch einen früheren Gang zum nun in der Dunkelheit liegenden Stadion ausgetauscht.

Und es dauerte auch nicht lange, bis sich das frisch geplante Vorhaben auszahlte: Über Funkgeräte der massiv präsenten Staatsmacht hörte man im Vorbeigehen laute Fangesänge, zu deren Ursprung erste behelmte Einheiten im Laufschritt aufbrachen. Keine Minute später, mittlerweile in unmittelbarer Nähe der noch verschlossenen Stadiontoren, verkündeten laute Böller die Ankunft des Fanmarschs der Heimfans, die an diesem Tag von mehr als 130 befreundeten Saarbrücker Fans unterstützt wurden.

Laute Gesänge hallten durch die Straßen, Fackeln wurden gezündet und Böller detonierten alle paar Sekunden. Die völlig verdutzten Autofahrer in der Straße versuchten derweilen fast schon panisch ihr Auto zu wenden und dem bunten Treiben zu entkommen. Manche fuhren auch einfach in irgendwelche Einfahrten oder verließen ihr Gefährt und kletterten über Zäune… fast schon lächerlich, vor Fussballfans eine solche Angst zu haben.

Der Marsch endete derweilen an den Stadiontoren des Heimbereichs, da die Staatsmacht den weiteren Weg in Richtung Gästeblock blockierte. Wir schafftens aber durch und erreichten selbigen, als gerade ein weiterer Bus mit Gästefans aus Lyon ankam. Typisch für Frankreich jedoch mit ausgeschalteter Innenbeleuchtung, um die anwesenden Heimfans nicht zu provozieren. Auch hier flogen von den mittlerweile im eingezäunten Gästebereich angekommenen Anhängern von Olympique einige Böller umher.

Gleichzeitig trat plötzlich ein weiterer sportlicher Mob von Nancy aus der Dunkelheit hervor, der anscheinend versuchte, in Richtung Gästeblock vorzudringen. Die Staatsmacht vereitelte diesen Angriff jedoch, was zu kleineren Rennereien und weiteren Böllerwürfen führte. Richtig was los hier!

Da aber mittlerweile nur noch eine halbe Stunde bis zum Anpfiff auf der Uhr stand, gings für uns in Richtung des hell erleuchteten Stadions. Ohne große Wartezeit war man auch schon drin und suchte sich zwei Sitze in der obersten Reihe der Tribune Piantoni. Typisch für Frankreich füllte sich das Rund erst auf die letzten Minuten, war jedoch bei weitem nicht so voll, wie ich es mir anfangs noch erwünscht hätte. Mit 14.201 Schaulustigen aber dennoch verhältnismäßig gut gefüllt. Ist eben nicht die beste Saison, zudem Januar und der in Frankreich eher unbeliebte Pokal.

Selbiger unterscheidet sich im Übrigen deutlich von unserem: Während im deutschen Pendant schon in der ersten Pokalrunden Erstligisten auf kleiner Teams treffen und es so zu oftmals interessanten Begegnungen kommt, ist dies in der französischen Version erst in der 9. Runde, bzw. im 32tel-Finale der Fall. Somit kommen erst ab diesem Zeitpunkt die großen (Geld-)Brocken, die es auf dem Weg zum Finale zu schlagen gilt.

Da wir Tickets für die Hintertortribüne hatten, positionierten wir uns links oberhalb des Heimmobs in der letzten Reihe. Anders als in Deutschland ist der eigentliche Stehblock im Verhältnis zum Rest der Tribüne fast schon winzig klein, weshalb man es schon nur einen Treppenaufgang nebendran fast ausschließlich mit Sitzplatzpublikum zu tun hat. Dennoch wehte frischer Harzgeruch unaufhörlich um die Nase, was den baldigen Anpfiff der Partie signalisierte. Aufwärmprogramm, versteht sich.

Die Anhänger des AS Nancy stehen leider, ebenfalls typisch für Frankreich, nicht alle zusammen, sondern bilden zwei unabhängige Stimmungszentren. Der Block auf unserer Seite, der Tribune Piantoni, stellt dabei den größeren. Hier ist die Gruppe „Saturday FC“ beheimatet, ein Zusammenschluss verschiedener Ultra-Gruppen hinter einer gemeinsamen großen Fahne. Auf der Gegenseite bilden die „Red Sharks“ auf der Tribune Philippe Schuth direkt neben dem Gästeblock einen deutlich kleineren Haufen, der größtenteils unabhängig seine eigenen Gesänge vorträgt.

Leider erschließt sich mir der Sinn für diesen getrennten Support einfach nicht, auch wenn die Gruppen wohl ihre eigenen Gründe dafür haben. Am Ende unterstützen beide die gleiche Sache und pflegen zudem die Freundschaft zu verschiedenen Saarbrücker Gruppen. Und diese Freundschaft liesen beide Seiten an diesem Tag mehr als nur einmal hochleben. Neben fast allen wichtigen Zaunfahnen der Blau-Schwarzen wurden zudem allerlei Spruchbänder gezeigt und Freundschaftsgesänge angestimmt. Im Endeffekt hörte man übers Spiel verteilt gefühlt mehr Gesänge der Blau-Schwarzen als von Nancy. Passt melodisch aber definitiv, da sich Saarbrücken in der Liedwahl sowieso stark an Frankreich orientiert.

Beide Seiten starteten mit einem kleinen Fahnenintro in die Partie und zündelten zudem hier und da mal Rauch oder eine Fackel. Nix großes, aber gut für einen weiteren Stimmungsschub in den richtigen Momenten eingesetzt. Einzig der Ordnungsdienst schien ein wenig übereifrig und trug die auf dem Boden entsorgten Fackeln und Rauchtöpfe nach weniger als zehn Sekunden auch schon zum Ausgang.

Insgesamt war die Stimmung beider Seiten in Ordnung, auch wenn sich die Gesänge häufig nur auf den Kern beschränkten. Nur selten überwand sich mal der Sitzplatzbereich in die Lieder miteinzustimmen, wofür es schon Großchancen oder gar Tore benötigte. Dann wurde es mitunter aber auch mal richtig laut.

Und Lyon? Nun, aufgrund unserer Position ging die Anwesenheit der Gäste akustisch komplett an uns vorbei. Gut 300 Mann mitsamt aller wichtigen Fahnen der Szene dürften es im Gästeblock gewesen sein, die sich schon sehr früh im Pöbeln gegen die umliegenden Blöcke übten. Optisch gabs ebenfalls viele kleine Schwenkfahnen, einen Stinkefinger-Doppelhalter, mal eine Schalparade oder eine Hüpfeinlage, aber gesanglich kam schlichtweg gar nichts zu uns rüber. Schade, aber natürlich auch unserer gewählten Position geschuldet. Muss man eben mal nach Lyon, hätte ich auch nix dagegen.

Aber heute war erstmal Pokal, und da spielte David gegen Goliath. Na gut, vielleicht etwas übertrieben, doch sportlich wäre alles außer ein Sieg für die Gäste eine Überraschung gewesen. So zeigte Nancy auch nur in den ersten paar Minuten ein paar Sprintübungen in Richtung gegnerischem Kasten, bevor OL das Heft in die Hand nahm und in der 25. Minute zum 0:1 einschob. Nancy derweilen bei seinen wenigen Angriffen vom Pech verfolgt oder vom Schiri benachteiligt, der kurz vor der Pause einen recht klaren Elfmeter nicht gab.

Auch die zweite Hälfte startete wie gehabt, bevor die Schlussphase dem durchschnittlichen Kick endlich mal Pfeffer gab. Zunächst entschied der Unparteiische in der 70. Minute auf Wiedergutmachungs-Elfmeter für Nancy, was das 1:1 bedeutete, bevor AS vier Minuten später die Partie zum 2:1 drehte. Dem folgten unglaublicher Jubel und starke Gesänge auf den Rängen. Jeder Ballbesitz wurde nun gefeiert, gewonnene Zweikämpfe bejubelt wie Tore.

Die Akteure der Rot-Weißen rannten wirklich jedem Ball hinterher und liefen schon fast auf dem Zahnfleisch. Doch auch Lyon warf nochmals alles nach vorne. In der 87. Minute führte schließlich ein Eckball zum erneuten Ausgleich, was Verlängerung bedeuten würde. Doch zuerst galt es für die Hausherren, die vier Minuten Nachspielzeit schadlos zu überstehen.

Als alles fast vorbei war, kam es am Strafraum von Nancy zu einem folgenschweren Foul, welches der Schiri mit einem Freistoss für Lyon ahndete. Torentfernung circa 18 Meter, dazu die aufgebrachte Kurve der Hausherren im Hintergrund. Doch Lyon blieb eiskalt und versenkte den Ball direkt zum 2:3 in der vierten Minute der Nachspielzeit. Direkt danach war Schluss.

Dieser Moment war der einzige, in dem man die mitgereisten Gästefans hörte. Zu groß war der Schock für den Heimbereich, der nun schweigend und in Windeseile das Stadion verließ. Einzig die beiden Fanblöcke sangen noch kurz für ihre Mannschaft, bevor selbige in den Katakomben verschwand. Fünf Minuten nach Spielende war das Stadion verweist. Lediglich die Gästefans, die aufgrund einer Blocksperre noch länger im nun stillen Rund verweilen mussten, feierten ihren Sieg in der letzten Sekunde.

Bitterer kann ein Spiel für die Heimelf fast nicht verlaufen. Aber da wären wir wieder beim eingangs erwähnten Wunder. Denn davon hätte man gesprochen, wenn Nancy das 2:1 über die Zeit gerettet hätte. Für uns gings, nach freundlicher Bitte des Ordnungsdienstes (im Ernst: Sieben Minuten nach Abpfiff) fast als Letze aus dem Stadion und zurück zum Gefährt. Mittlerweile schlug es schon viertel nach Elf und man hatte noch einen zweistündigen Rückweg vor sich. Mit ‘nem Kaffee in der Hand aber irgendwie schaffbar. Bin eben keine Nachteule.

Hier gibts mehr Fotos!

Am Ende bleibt noch die Hoffnung, dass Nancy aus dem unterm Strich guten Auftritt gegen Lyon zumindest etwas Mut für die kommenden Ligabegegnungen zieht. Denn einen Abstieg in die dritte Liga Frankreichs verkraften nur wenige Vereine, sei es finanziell oder auch im Hinblick auf die Zuschauerzahlen und Stärke der Szene. Vielleicht wird’s ja irgendwann noch mal was mit Spitzenfussball in der Lorraine…