13.04.2017 28. Spieltag Regionalliga Nordost 1.FC Lok Leipzig - VfB Auerbach Bruno-Plache-Stadion Endergebnis: 1:3 (0:0) Zuschauer: 2.228 (15 Gäste)
Schon zu Beginn des Tages musste man sich entscheiden: Bei welchem Spiel ist man eher dazu bereit, ein paar Minuten zu verpassen? Denn eines war schon früh klar: Überschneidungsfrei wird der Doppler nicht möglich sein. Im Endeffekt entschied man sich zur Spontanität und machte alles ein wenig vom Spielverlauf der ersten Partie abhängig.
Da sich die Geschichte auf den Rängen und auf dem Platz aber als sehr spannend herausstellte, blieb man bis zum Abpfiff in Leutzsch, verlies dann aber schnellen Schrittes das Stadion in Richtung Auto. Der vorher ausgesuchte Parkplatz stellte sich als sehr gut heraus, da man ohne Wartezeit direkt losfahren konnte.
Bei der Eingabe der neuen Adresse gab das Navi als ungefähre Zeit 20 Minuten an. Das zweite Spiel wurde aber nur 15 Minuten nach dem Ersten angepfiffen, weshalb man sich schon auf die Verspätung einstellen konnte. Normalerweise absolut nicht mein Ding, aber wann ist man schon in Leipzig? Wir mal eher selten, liegt für uns immerhin am anderen Ende Deutschlands.
Los gings vom Parkplatz wieder in Richtung Bahnhof Leutzsch, wo direkt die Ernüchterung folgte: Ein langer Stau bahnte sich den Weg in Richtung Brücke, der von einem Feuerweheinsatz aufgrund eines Brandes ausgelöst wurde. Na toll… die ganze Prozedur kostete direkt weitere 15 Minuten des dann schon angepfiffenen Spiels. In der Innenstadt mussten natürlich ebenfalls gefühlt alle Straßen gesperrt sein. Trotzdem schaffte man die Nord-Süd Durchquerung nach Probstheida in einer passablen Zeit.
Die Parkplatzsuche am Bruno war dann das nächste Problem. Natürlich waren alle Plätze schon belegt und in der schon vorherrschenden Dunkelheit gefiel das Parken auf schlammigen Wiesen nicht ganz so gut. Nach einer weiteren Umrundung des Geländes fand man einen Parkplatz auf der Rückseite des Stadions in einem Wohngebiet.
Im Stechschritt gings in Richtung der Flutlichter, die den schwarzen Himmel hell erleuchteten. Die Eingänge wirkten jedoch etwas verlassen, denn weder Ordner noch irgendwelche Kartenverkäufer waren zur Stelle. Lediglich die Gesänge der Leipziger Fans hallten durch den Nachthimmel und liesen uns immer unruhiger werden. Wie lange geht die Halbzeit noch? Schafft mans überhaupt noch rechtzeitig? Wir bahnten uns den Weg weiter voran und standen plötzlich bei einem Parkplatz vor verschlossenen Toren. Dort fand man endlich einen Ordner, den man nach dem Eingang fragen konnte. Die Antwort „Ja, also hier mal nicht. Da müsst ihr einmal ums Stadion“ war natürlich nicht das, was wir hören wollten. Diskutieren hilft ja im Allgemeinen nix, weshalb man wieder in Richtung Auto lief.
Auf halber Strecke machte man noch den komplette verbannten Eingang zum Gästeblock ausfindig. Verkohlte Bäume, geschmolzene Schilder und verrußte Gitter… war wohl zuletzt ein etwas ungemütlicherer Gästemob zu Gange. Von oben sah man aber plötzlich einen Ordner zu uns kommen. „Wollt ihr Fussball schauen? Kommt einfach rein, kostet auch nichts“. Ja, da lässt man sich natürlich nicht zwei Mal bitten. Dadurch blieb auch der gefühlt halbstündige Weg ums Stadion erspart.
Beim Betreten des Stadions und dem ersten Blick auf die große Tribüne des alten Bruno-Plache-Stadions war alle Nervosität wie weggeblasen. Es war die 30. Spielminute, der Spielstand war 0:0 und man hatte keine besonderen Aktionen verpasst. Nach einem kurzen Durchatmen schweiften die Blicke durchs Stadion. Man stand im Gästeblock zusammen mit 15 anderen Fans des VfB Auerbach. Eine kleine Fahne zierte den obersten Wellenbrecher, an dem sich die Männer und Frauen lose sammelten. Es gab keine Gesänge, eher nur Gespräche und Späße untereinander.
Auf der Gegenüberliegenden Seite ist die riesige Holztribüne natürlich der Blickfang des Stadions. Doppelstöckig ausgebaut und überdacht hat sie viele Sitzplätze im Oberrang und Stehplätze darunter. Auf der Rückwand erstreckt sich in großen Buchstaben der Vereinsame: „Erster Fussballclub Lokomotive Leipzig“. Die große Tribüne war sehr gut besucht und dürfte fast voll gewesen sein. Der Zaun vorm Unterrang war komplett mit verschiedenen Zaunfahnen beflaggt und wusste zu gefallen.
Hinter dem rechten Tor konnte man noch die „Ultras“ des 1.FC Lok ausmachen. Hinter einer überdimensionierten Fahne standen jedoch nur 20 Mann recht einsam im Dunkeln. In wieweit die aufgelöste „Fanszene Leipzig“ daran Schuld trägt, weiß ich leider nicht. Trotzdem trällerte der kleine Haufen nahezu ununterbrochen sein Liedgut vor sich hin und war übers Spiel mal mehr, mal gar nicht zu hören. Die Distanz zum Gästeblock ist aber, aufgrund der Bauweise, schon enorm, vielleicht lags auch daran.
Ab und an stimmte auch die Haupttribüne mal eigene Gesänge an, die, aufgrund des Dachs, auf Anhieb immer lauter als die der Ultras waren. Dabei war das Liedgut der Haupt aber wenig abwechslungsreich und beschränkte sich auf einen Wechselgesang mit der Gegengerade und den üblichen „Ole“-Gesängen. Allgemein war die Stimmung eher mau, da hatte man sich etwas mehr davon versprochen.
Aber allein schon der Anblick des alten Runds ist eine Reise wert. Im Jahre 1922 erbaut war es damals das größte vereinseigene Stadion Deutschlands und bot 40.000 Zuschauern Platz. Die große, 1932 errichtet, Holztribüne ist noch immer im Originalzustand und wurde so weit es geht erhalten, der Rest des Stadions ist aber leider, wie so viele Arenen, baufällig. Somit muss das Bruno schon bei 6.800 Zuschauern „ausverkauft“ melden.
Das Stadion ist die Heimspielstätte des 1.FC Lok, der, ähnlich wie Chemie, eine sehr bewegte Vergangenheit aufweisen kann. Der erste Verein wurde 1893 als VfB Leipzig gegründet und war sehr erfolgreich. Neben der deutschen Meisterschaft 1903, 1906 und 1913 konnten drei weitere Vizemeisterschaften und etliche weitere Erfolge gefeiert werden. Im Zuge der Restrukturierung des Ostfussballs wurden in den sechziger Jahren mehrere Vereine zusammengelegt und schließlich 1966 der 1.FC Lokomotive Leipzig gegründet, der sich als Nachfolgeverein des erfolgreichen VfB verstand. In der Zeit der DDR gehörte er zu den erfolgreichsten Vereinen des Landes und konnte insgesamt 77 internationale Spiele in europäischen Wettbewerben vorweisen.
Im Juni 1991 nannte sich Lok wieder in VfB Leipzig um, um an die erfolgreiche Zeit zu erinnern und um unter dem neuen Namen einen größeren Club zu etablieren. So wirklich klappte dies aber nicht, weshalb zwei Insolvenzverfahren, 2000 und 2004, das Ende des Clubs bedeuteten. Da sich die Auflösung länger abzeichnete, gründeten einige Fans im Dezember 2003 den 1.FC Lokomotive Leipzig neu und starteten in der untersten Spielklasse (11.Liga).
Viele schnelle Aufstiege und der Zusammenschluss mit einem höher spielenden Verein machten den Wiederaufstieg in die Oberliga, der alten Spielklasse des VfB, in nur fünf Jahren möglich. Danach folgten weitere Jahre in der fünften Liga, bis schließlich der Aufstieg in die Regionalliga Nordost gelang, in der der Club im Moment spielt und den 10. Platz belegt. Auch der Gast des Tages, der VfB Auerbach, ist als Tabellen-Elfter in den gleichen Regionen unterwegs. Für beide geht’s diese Saison weder nach oben noch nach unten, was die Wichtigkeit der Partie eher auf null setzte.
Nach einer torlosen ersten Hälfte, in der man also zum Glück nichts verpasste, gings direkt gut los: In der 47. Minute gingen die Gäste in Führung und legten eine Minute später zum 0:2 nach. Großer Jubel also um uns herum und einige „Auerbach“-Rufe nach den Toren, auf welche immer direkt Gepöbel der angrenzenden Lokfans auf der Gegengerade folgte. In der 65. Minute schoss Lok nach einer kurzen Drangphase den Anschlusstreffer, der die verstummte Haupttribüne nochmal aufweckte. Laute, aber leider kurze Gesänge hallten durch das Rund und hinterließen einen durchaus guten Eindruck. Die aufkeimende Hoffnung wurde aber in der 75. Minute durch gnadenlos effektive Gäste wieder erstickt. Die Ultras Lok störten sich hingegen nicht am Spielstand und gaben ihr Liedgut die ganze Zeit vom Besten.
Kurze Zeit später erklang der Schlusspfiff und die Gäste freuten sich zusammen mit der Mannschaft über den sehr verdienten Auswärtssieg. Der Rest des Stadions leerte sich zügig, was bei den eisigen Temperaturen aber auch durchaus verständlich ist.
Nach den letzten, kurzen Schnappschüssen machten auch wir uns wieder in Richtung Parkplatz. Die anschließende Fahrt in Richtung Hotel war die erste entspannte des Tages. Man hat es geschafft, die beiden größten und wichtigsten Vereine Leipzigs an einem Tag zu sehen. Sehr zufrieden fiel man danach ins Bett und dachte sich: Es wäre schön, wenn eines Tages ein Leipziger Verein mal wieder im Profifussball zu Hause wäre….