1. Spieltag Guppenphase Europa League 1. FSV Mainz 05 - AS Saint-Étienne Stadion am Europakreisel Endergebnis: 1:1 (0:0) Zuschauer: 20.275 (700 Gäste)
“Was? Mainz spielt in seinem ersten Gruppenspiel gegen Saint-Étienne? Ich brauch sofort Tickets!” Die Vorfreude war sehr groß, sah man von den grünen Franzosen schon sehr viele schöne optischen Aktionen und gute Stimmung auf Videos und Bildern im Internet. Und jetzt spielen sie fast vor der Haustür.
Der freie Verkauf startete am frühesten Morgen eine Woche vor dem Spiel und wir hatten schon Angst, dass das Spiel ausverkauft ist. Entsprechend verwundert war man, als bei der Auswahl der Plätze fast das ganze Stadion zur Verfügung stand. Also wurden mal wieder die billigsten Plätze gebucht und sich ein wenig auf die Begegnung vorbereitet.
Für die 05er ist es das erste internationale Gruppenspiel überhaupt. Zwei Mal schon trat der FSV in der Quali an (2005 zum UEFA Cup und 2011 in der Euroleague), scheiterte aber am FC Sevilla und am rumänischen Club Medias. Letzte Saison wurde Mainz sechster der Liga und konnte somit die Quali überspringen und war direkt in der Gruppenphase gesetzt. Man könnte meinen, dass dies ein Grund für einen Feiertag in der ganzen Region ist. Leider verlief der Vorverkauf sehr schleppend für ein solches Spiel. Da spielt ein Verein nach einer grandiosen Vorsaison das erste Mal international, dann auch noch gegen einen guten Gegner aus Frankreich… und es kommen weniger Leute als beim Ligaspiel gegen Hoppelheim ein paar Tage vorher… Die Enttäuschung über nur knapp über 20.000 (wenn es die überhaupt waren) konnte auch der Stadionsprecher nicht verheimlichen. Naja, egal. In einem leeren Stadion schallen die Fangesänge ein wenig besser. Dem Aufruf der Mainzer Fanszene, alle in Rot zum Spiel zu kommen, folgte wenigstens der Großteil der Zuschauer, sodass es ein überwiegend einheitliches Bild abgab.
Die Gäste aus Frankreich reisten geschlossen an und trafen sich zu einem gemeinsamen Fanmarsch von der Innenstadt zum Stadion. Diesem Marsch begegnete man zufälligerweise kurz vorm Stadion als man auf den Parkplatz abbiegen wollte. Zuerst genervt aufgrund der gesperrten Straße, dann plötzlich in Mitten der Fangesänge und Fahnen. Ab dem Zeitpunkt hatte man richtig Lust auf das Spiel und war nicht mehr um die Atmosphäre besorgt (bei französischen Szenen muss man leider immer befürchten, dass einigen die Anreise zu den Spielen verboten wird, wodurch oft alle zu Hause bleiben).
Entgegen den Gastgebern musste Saint-Étienne diese Saison den Umweg über die Qualifikation gehen, gewann aber in der 2. und 3. Runde gegen ihre Gegner. Die Grünen (“Les Verts” genannt) waren aber vor allem Früher erfolgreich. In den Jahren 1957-1981 gewannen sie zehn nationale Titel und standen 1976 gegen Bayern München im Finale des Pokals der Landesmeister. Auch einige sehr prominente Namen schnürten schon für den Club aus der Industriestadt die Fussballschuhe. Neben Michel Platini und Willy Sagnol kickte auch Pierre-Emerick Aubameyang für Saint-Étienne. Der aktuell bekannteste Spieler im Kader ist ein gewisser Florentin Pogba, der Bruder des, für 100 Millionen gewechselten, Paul Pogba.
Die größten Ultra-Gruppen sind die Magic Fans 91 und die Green Angels, wobei Erstere eine Freundschaft zum Commando Cannstatt pflegen. Die CC97 Auswärtsfahne hing auch beim Spiel gegen Mainz.
Die sportliche Ausgangslage beider Vereine war auf dem Papier gleich: Beide holten einen Punkt am Wochenende in der Liga. Während Mainz aber eine 4:1 Führung am Ende verschenkte, kann das 1:1 der Gäste gegen den Meister PSG als Achtungserfolg angesehen werden.
Die Heimseite zeigte zu Spielbeginn eine schöne Choreo über die gesamte Westtribüne unter dem Motto “Internationaler Fußballsportverein”. Neben einem kleinen Schönheitsfehler (an einem Eingang verhakte sich eine Blockfahne) und ein paar Lücken am Rand war es ein schönes und geschlossenes Bild. Die Lautstärke der Heimkurve war in vielen Teilen des Spiels sehr gut. Es war der Kurve anzusehen, wie sehr man sich auf das Spiel freute. Gerade bei Klatsch- und Hüpfeinlagen zogen viele mit und sorgten für eine tolle Stimmung. Leider entschloss sich der Verein, auf den übrigen Tribünen Klatschpappen zu verteilen. Das nervte leider, gerade zu Beginn so sehr, dass man die Gesänge der beiden Kurven kaum verstanden werden konnten.
Die Gäste eröffneten das Spiel mit vielen Fahnen und etlichen Bengalos. Die Lautstärke war brachial und die Gesänge typisch schnell und melodisch. Besonders auffällig war die Mitmachquote, die das gesamte Spiel über annähernd 100% betrug. Während der 90 Minuten gabs immer wieder Pyro von den Gästen.
Spielerisch wollte man sich vorher auf keinen Favoriten festlegen. Und die erste Hälfte bestätigte diese Vermutung. Während Mainz in der ersten halben Stunde am Drücker war, im Abschluss aber Pech hatte oder schlicht zu ungeduldig war, konnte Saint-Étienne gegen Ende mehr Chancen herausspielen. Das Spiel war durchaus ansehnlich, Tore gabs aber bis zur Pause keine.
Die zweite Halbzeit war spielerisch nochmal um einiges besser. Auch die Heimfans schalteten einen Gang höher und sorgten für eine gute Europapokal Stimmung. Beflügelt von der Atmosphäre spielten die Mainzer immer besser und kamen schließlich zum verdienten Führungstreffer. Da den Franzosen das Gegentor fast egal schien, flachten die Gesänge im Gästeblock nicht ab. Im Gegenteil: Beide Kurven sangen sehr laut gegeneinander an. Atmosphäre Top!
Gegen Ende des Spiels zeigten die Mainzer Spieler, warum diese Saison noch kein Spiel nach 90 Minuten gewonnen wurde: Fahrlässiges Passspiel aufgrund des sicher geglaubten Sieges, kaum Bewegung in der Verteidigung. Die Grünen quittierten dies mit dem überraschenden Ausgleich in der 88. Minute. Ab dann gabs im Gästeblock kein Halten mehr. Ganz starker Auftritt der Gäste! Nach 4 Minuten Verlängerung kamen die Spieler zu euphorisch singenden Franzosen und zu enttäuschten Mainzern. Festzuhalten ist aber, dass Mainz durchaus die Chancen hat, sich mit einer guten Leistung in die KO-Runde zu spielen.
Nach dem Spiel gings mit dem Auto noch zu einer unfreiwilligen Stadtrundfahrt (Dank der ausführlichen Beschilderung der Umleitungen), bevor man nach etwas über einer Stunde wieder in der Heimat war.