22.05.2025
Hinspiel Relegation Bundesliga
1.FC Heidenheim - SV Elversberg
Albstadion
Endergebnis: 2:2 (0:2)
Zuschauer: 15.000 (1.600 Gäste)
Ticket: 18,70€
Donnerstag, kurz vor Mitternacht. Die letzten Bissen Energie beim bekannten Fastfood-Dealer wandern die Kehle runter, bevor wir wieder aufsattelten und die A7 gen Norden beehrten. Halb eins zeigte wenig später das Navi an, während schemenhaft die Wälder an uns vorbei rauschten. Nix los außer ein paar LKWs auf der anderen Seiten. Ruhe kehrte ein. Ruhe, die wir definitiv zur Verarbeitung dessen benötigten, was sich an diesem, mittlerweile ja schon dem vorherigen, Abend abspielte. Das (vorerst) größte Spiel der Elversberger Vereinsgeschichte. Relegation um den Aufstieg in die Bundesliga. Hätte ich das meinem jüngeren Ich erzählt, das noch zu Regio West Zeiten von höheren Sphären träumte – selbst da hätte ich nicht an das geglaubt, was wir derzeit erleben. Alleine diese Momente mitzunehmen, diese Fahrt an einem Wochentag, diese Fußwege mit den altbekannten als auch vielen neuen Gesichtern zu den Gästeblöcken des Landes. Ein wahrhaftig unbeschreibliches Gefühl.
Und selbst das „Los“ Heidenheim brachte sein Stück Geschichte mit. 2013 standen wir bereits auf den Traversen des Albstadions, als die SVE am Ende vergeblich in ihrer ersten Drittligasaison um den Klassenerhalt kämpfte. Vielleicht waren es 100 Leute, eher weniger, die damals den Gästeblock säumten und trotz knapper Niederlage ihren Spaß hatten. Am Saisonende trennten sich die Wege der beiden Clubs, und das mehr als beschreibend: Heidenheim stieg in Elversberg ins Unterhaus auf, während es für die SVE eine Woche später zurück in die Regionalliga ging. Klassen, die für beide Clubs auf lange Jahre ihre neue Heimat werden sollten. Nun treffen sich beide wieder: Heidenheim als gestandener Proficlub, der in seiner zweiten Bundesligasaison sogar international kickte, gegen Elversberg als Haufen voller Talente, der als mannschaftliche Einheit Woche für Woche begeistert. Die Freude über das Wiedersehen dürfte aber gänzlich auf Seiten der Saarländer gelegen haben.
Halb zwei, die enge Kurven des Autobahnkreuzes östlich von Würzburg führten uns in der Zwischenzeit auf die A3. Und noch immer klingelten sie im Ohr, die lauten Gesänge, die den abendlichen Himmel des Albstadions erfüllten. Die Heidenheimer Kurve beschwor die „Festung Albstadion uneinnehmbar“ mit schöner Choreo aus Papptafeln, zwei Türmen und mittig hochgezogenem Motto, während dahinter ein paar Blinker das schöne Bild ergänzten. Und Junge, ging in deren Kurve am Anfang die Post ab. Nahezu Komplettbeteiligung bei Klatsch- und Sprungeinlagen und dazu eine Lautstärke, wie ich sie vielleicht erst einmal von Heidenheim zu hören bekam, als damals in der zweiten Liga das Duell beim VfB Stuttgart stieg. Kein Vergleich zu 2013 und auch nicht zu 2019, als wir hier bei einem Duell gegen Dynamo Dresden vorbeischauten. Die Kurve hatte richtig Bock und zelebrierte Gassenhauer um Gassenhauer, während übers Spiel verteilt immer wieder hier und da eine Fackel die Kurve in hellem Rot erleuchten ließ. Richtig starker Auftritt, alle Achtung!

Nun wandert aber auch die eigene Vereinsbrille wieder auf die Nase. Denn was der Gästeblock an diesem Abend hier abriss, war schlichtweg Wahnsinn. 1.600 Saarländer auf einen Donnerstagabend an die Grenze zu Bayern ist alleine schon unglaublich, dann allerdings mit so viel Bock, so viel Zug in den Gesängen, dass von Tiefpunkten oder Ruhephasen keine Rede gewesen sein kann. Im Gegenteil. Teils Komplettbeteiligung bei Sprung- und Klatscheinlagen, dazu in vielen Momenten eine gigantische Lautstärke. Ehrlicherweise aber auch ein perfekter Gästeblock für die Elversberger Szene. In einer Reihe mit solchen wie in Wiesbaden, Münster, Regensburg und Fürth: Tiefes Dach, ideale Kapazität und für den Capo gut erreichbar. Das waren teilweise utopische Momente, als es hier im Block eskalierte. Großen Respekt an alle, die an diesem Abend dabei waren und diese neunzig Minuten so unvergesslich machten!
Halb Drei, kurz hinter Hanau. Noch immer gähnende Leere auf der Autobahn. So langsam wurden die Augenlider spürbar schwerer und der Fokus schwand, doch die Gedanken drehten sich unaufhörlich weiter. Was war das bitte für ein geiler Kick auf dem Rasen? Manch einer fragte sich vor Anpfiff, ob die gute Feuerwurst das Einzige mit ordentlich Biss im Hinspiel bleiben sollte. Doch weit gefehlt. Auf Abtasten hatte weder Elversberg noch Heidenheim Bock, wobei vor allem Letztgenannte ab Anpfiff mit hohem Tempo auf das Tor von Nicolas Kristof stürmten. Da merkte man in der ersten Viertelstunde den befürchteten Qualitätsunterschied in jeder Hinsicht: Tempo, Abwehr, Stellungsspiel… Lediglich an den Abschlüssen haperte es auf Seiten der Hausherren, die hier sonst recht früh das ein oder andere Tor hätten erzielen können. Und zwar verdient.
Doch die SVE stellte sich schnell auf den Gegner ein und zog schließlich ihr berauschendes Kurzpassspiel auf. 18. Minute: Petkov netzt zum 0:1 ins lange Eck und lässt den Gästeblock toben. Etwas aus dem spielerischen Nichts, doch mit Wirkung, denn fortan gelang den Saarländern offensiv ein wenig mehr, wenngleich das Heidenheimer Konterspiel brandgefährlich blieb. Dann die 42.: Kombinationen auf engstem Raum und ein Fisnik Asllani, der plötzlich frei vorm Tor auftauchte – und zum 0:2 verwandelte. Unbändiger Jubel in der Elversberger Kurve. Unter den Träumern und Realisten, unter jung und alt, unter denen, die schon seit 30 oder 40 Jahren an die Linde pilgern und unter denen, die vielleicht erst seit 1-2 Jahren dabei sind. Kaum einer konnte fassen, was hier passierte.

Doch der letztlich nicht gegebene Anschlusstreffer der Heidenheimer vor der Pause holte einen jeden wieder zurück auf den Boden. Ist immerhin ein Bundesligist, der hier ums sportliche Überleben kämpft. Und genau das wurde im zweiten Durchgang deutlich. Ein Doppelschlag nach einer guten Stunde setzte alles wieder auf Anfang und brachte die Euphorie zurück auf die Heidenheimer Ränge. Doch die SVE blieb weiter dran, erspielte sich Chancen und blieb defensiv wach. Neunzig Minuten plus eine ewig währende Nachspielzeit später beendete der letzte Pfiff eine spannende und spektakuläre Partie. Am Ende ein erlösender Pfiff, merkte man den eigenen Jungs dann doch an, dass die beiden Gegentreffer die Luft ein wenig entweichen ließ. Aber am Ende auch ein spielerisch verdientes Ergebnis. In der Liga sicherlich ein Punkt, mit dem man gut Leben könnte.
In der Relegation bedeutet das Unentschieden letztlich: Nix passiert. Als hätte das Hinspiel niemals existiert. Doch nun kennen sich beide Mannschaften, wissen um Qualitäten und Anfälligkeiten des jeweiligen Gegenübers. Und gehen hoffentlich heiß und mit großer Motivation ins Rückspiel. Lautstark flogen die motivierenden Gesänge aus dem Gästeblock in Richtung der eigenen Mannschaft, die die pure Zuversicht greifbar werden ließen. Weiterhin gilt das Motto: Alles kann, nichts muss. Noch einmal neunzig Minuten auf heimischem Rasen, in denen man nichts zu verlieren hat. Keinen Vorsprung aus dem Hinspiel, den es zu verwalten und verteidigen gilt, sondern frei aufspielen. Und am Ende wird es vielleicht wieder der Elversberger Rasen, der ausgerechnet gegen Heidenheim eine große Feier erleben wird.
Kurz vor drei Uhr, Ausfahrt Eschborn. Nur wenige Kilometer vor der eigenen Haustür versperrte die Polizei den Weg. Kein Unfall auf der Kreuzung, sondern eine Kontrolle, die auch uns rauszog. „Führerschein bitte. Wo geht’s hin?“ Nach Hause. „Wo kommt ihr her?“ – Heidenheim. Konnte der nette Mann nichts mit anfangen. „Irgendwelchen Alkohol oder Drogen konsumiert?“ Gut, dass die durch eine Bierdusche durchtränkte Jacke im Kofferraum ausdünstete. Und Glücksdrogen zählen zum Glück nicht. „Nein? Dann glaube ich ihnen das. Gute Fahrt!“ Merci! Allzeit gute Fahrt, immer unterwegs, quer durch die Republik. Für die schwarz-weißen Farben, die bereits zweidrittel meines Lebens prägen. Und die am Montag historisches erreichen könnten. Ganz egal was auch passiert: Das war die Saison unseres Lebens. Die Größte der Vereinsgeschichte. Komme was wolle, ob Sieg oder Niederlage: Am Montag wird die SV Elversberg gefeiert!