26.04.2025
32. Spieltag 1. HNL
NK Varaždin - NK Lokomotiva Zagreb
Stadion Anđelko Herjavec
Endergebnis: 2:1 (0:1)
Zuschauer: 1.752
Ticket: Frei
Nachdem wir uns in den zweieinhalb Tagen zuvor mehr oder weniger in und um Zagreb herumtrieben, sollte freitags die Küste auf dem Plan stehen. Doch zunächst ging es am frühen Vormittag zum Stadion Maksimir, wo wir uns mit Tickets für das Derby gegen Rijeka am Sonntag eindeckten. Gute Entscheidung, war doch die Zapad am gleichen Abend restlos ausverkauft. Anschließend entflohen wir dem grauen Dauerregen in Richtung Südwesten und tourten gute zwei Stunden durch die grünen Landschaften Kroatiens, ehe wir mit dem Küstenort Senj das Ziel des Tages erreichten – und direkt nach Überquerung der letzten Berge nicht nur das Meer, sondern auch blauen Himmel zu Gesicht bekamen. Steif war die Brise am Hafen dennoch, die uns nach einem guten Mittagessen erwartete, uns von einer ausgedehnten Runde durch die älteste Stadt der oberen Adria aber nicht abhalten konnte.
Schön war der Blick vom kleinen Leuchtturm sowohl auf Senj selbst als auch auf die andere Seite der Meerenge, wo die kargen Berge der Insel Krk deutlich näher schienen als es die Entfernung vermuten ließ. Eher grau und verlassen dagegen das Zentrum abseits der Restaurants, allerdings dürfte hier während der Sommersaison deutlich mehr los sein. Dafür beeindruckte der Park rund um die Festung Nehaj mit einem schönen Landschaftspanorama in sämtliche Richtungen der Küste. Für ein paar Stunden war Senj definitiv eine schöne Adresse, ehe es anschließend wieder zurück in Richtung Zagreb ging. Dort regierte weiterhin das graue Nass, das vor allem die Neustadt südlich der Save alles andere als einladend wirken ließ.

Umso mehr stachen die unzähligen Wandgemälde von Dinamo ins Auge. Egal ob ein einfaches Logo, ein paar geschmierte Worte oder aufwendig gemalte Kunstwerke. In jeder Ecke der Stadt leuchteten die blauen Farben, ein jedes Viertel huldigte seinem Verein und überall prangten die drei großen Bs. Ganz gleich ob an Brückenpfeilern, den Wänden der großen Wohnblocks oder auch an Fassaden in besseren Wohngegenden, in denen Einfamilienhäusern und dicke Karren die Szenerie prägen. Wahnsinnig geil. Da machte jede Fahrt durch die stauverstopften Straßen dennoch Spaß!
Samstag war wieder Spieltag angesagt, allerdings sollten wir Zagreb auch an diesem Morgen den Rücken kehren. Und wiedermal war der Regen unser ständiger Begleiter, dieses Mal auf der Autobahn gen Norden. Ziel des Tages war Varaždin, das mit 43.000 Einwohnern beseelte Zentrum Nordkroatiens. Lediglich 14 Kilometer trennen das Stadtzentrum von Slowenien und 28 von der ungarischen Grenze, entsprechend bunt gemischt schienen die Kennzeichen bei der Fahrt in die Stadt. Einen Parkplatz fanden wir in der Tiefgarage unter dem Marktplatz und freuten uns bei Einfahrt über das automatische Öffnen der Schranke. Keine Tickets, sondern fortschrittliche Kennzeichenerkennung. Dachten wir zumindest. Die Geschichte sollte uns später nochmal einholen.
Die anschließende Runde durch die verschlafene Stadt ließen wir uns auch nicht vom Nieselregen vermiesen. Ein kleiner Markt mit allerhand Leckereien wurde besucht, anschließend ein wenig durch die Straßen der Altstadt mit ihrer barocken Architektur geschlendert, ein kleines Café beehrt und schließlich Stari Grad, das historische Schloss samt Parkanlage im Zentrum, umrundet. Eine gute Portion frisch gegrillter Ćevapi durfte auch nicht fehlen, wobei das längere Mittagessen einmal mehr der Flucht vor dem Regen galt. Immer wieder erstaunlich, welchen Einfluss das Wetter auf den Tagesablauf hat. Denn so wurde aus dem Chillen auf einem der vielen Plätze im Zentrum leider gar nichts. Sowieso schienen die Straßen recht ausgestorben, während sämtliche Läden samstags bereits um 13 Uhr ihre Pforten schlossen. Eine generelle Empfehlung für die Stadt würde ich dennoch aussprechen, nur eben bei Sonnenschein.

Glücklicherweise hatten die Wolken genug Mitleid mit uns und drehten den Wasserhahn bei unserem anschließenden Fußmarsch gen Austragungsort der abendlichen Partie zu. Vorbei am Bahnhof, stillgelegten Gleisen und dem Südteil der Stadt, der scherzhaft auch Bronx genannt wird, sowie den verlassenen Ruinen der ehemaligen Varteks-Fabrik (Kleidung) erreichten wir die etwas heruntergekommene Gegend rund um den Spielort. Auch das Stadion hatte ordentlich Patina und dadurch bereits von Außen einen schönen Charme-Faktor, der sich auch im Inneren nahtlos fortsetzte. Betreten werden konnten wir die Bude heute für lau, luden die Hausherren aufgrund der jüngst guten Ergebnisse für die Partie gegen Lokomotiva Zagreb zum kostenlosen Eintritt für alle ein, ganz ohne Registrierung. Nahmen wir natürlich gerne mit, zumal die Aktion die Ränge deutlich über dem normalen Schnitt füllen sollte.
Denn so richtig viel los ist beim NK Varaždin für gewöhnlich nicht, und das hat auch seine guten Gründe. Einst gehörten die 1931 gegründeten Blau-Weißen zu den größeren Vereinen des Landes, wobei sich der nationale Erfolg erst mit der Unabhängigkeit Kroatiens einstellte. Auch dank des Sponsorings einer Fabrik für Kleidung, die dem Verein ab 1958 gar ihren Namen (NK Varteks) sowie den Spitznamen der „Schneider“ verlieh, gehörte Varaždin 21 Jahre lang der höchsten Liga an, wurde währenddessen drei Mal Dritter, erreichte 6 Mal das Pokalfinale (allerdings ohne einen einzigen Sieg) und absolvierte 44 internationale Partien. Den einzigen Titel der Vereinshistorie erlangte man derweilen 1993 mit der DCM Trophy – einem internationalen Einladungsturnier in Indien. Auch fantechnisch war Varaždin als Arbeiterstadt durch die White Stones 1990 bestens auf der Landkarte vertreten.
Im Jahr 2010 kam es allerdings zu finanziellen Schwierigkeiten beim Geldgeber Varteks und folglich auch beim Club, der sich zunächst vom Sponsor im Vereinsnamen verabschiedete, ehe die Aussichten durch den Abstieg in die dritte Liga immer düster wurden. Nun wurde es diffus. Die aktive Fanszene, die auch heute noch bestens im Stadtbild vertreten ist, gründete bereits 2011 den NK Varteks neu und ging in der sechsten Liga an den Start. Parallel gründeten die Vereinsoffiziellen des Vorgängerclubs bereits 2012 den Varaždin ŠN als möglichen Platzhalter, der sich bereits die Wege durch die unteren Ligen bahnen sollte. Drei Jahre lang existierten die drei Vereine parallel, ehe der NK Varaždin schließlich 2015 abgemeldet wurde, dabei aber sämtliche Führungspersonen, die die Auflösung überhaupt erst verursachten, in den Varaždin ŠN wechselten, der fortan wieder den alten Namen NK Varaždin tragen sollte.

Die aktive Anhängerschaft rund um die White Stones hatten auf derlei Spielchen keine Böcke und blieben dem neuen Verein komplett fern. Die Gruppe existiert auch heute noch und ist bei den Partien des NK Varteks, der zwischen dritter und vierter Klasse Fahrstuhl spielt, beständig mit einer niedrigen, zweistelligen Anzahl präsent und erfährt ähnlich lobende Worte von den einst verfeindeten Fanszenen des Landes wie die Anhängerschaft der Salzburger Austria. Der NK Varaždin hingegen, der mit einjähriger Unterbrechung seit 2019 wieder Teil des Oberhauses ist, durfte das Stadion behalten und vereint auch weiterhin den Großteil der geneigten Stadiongänger auf seiner Seite, eine Fanszene kann der häufig als Fake-Club bezeichnete Verein aber nicht vorweisen.
So waren es entsprechend die Traversen des nach dem ehemaligen Club-Boss und Varteks-Manager Anđelko Herjavec benannten Stadions, die uns am heutigen Abend am meisten interessierten. Drei Seiten wurden ausgebaut, wobei die Haupttribüne im Westen als einzige ein Dach spendiert bekam. Die heute geschlossene Ost samt Stadtname, wo früher der alte Vereinsname prangte, wirkte vor der dahinter verlaufenden Bahnstrecke ebenfalls wuchtig, während die kleine Südtribüne hinterm Tor, ehemalige Kurve der White Stones, heute als Gästeblock fungiert. Gut erkennbar an den kaum noch vorhandenen Sitzschalen. Etwa 10.000 Zuschauer finden auf den drei Rängen Platz, die zu Duellen gegen Dinamo oder Hajduk auch tatsächlich benötigt werden. Heute war selbstredend nicht allzu viel los, wobei knapp 1.800 Schaulustige gegen einen Gegner ohne Gästefans absolut über dem Schnitt zu verorten sind.
Und dennoch war das Brummen des Generators für die Flutlichter, der zudem dunkle Dieselwolken ausspuckte, das einzige beständige Geräusch, das die Stille bis zum Anpfiff erfüllte. Da der Samstag im ganzen Land aufgrund des Todes des Papstes als Trauertag ausgerufen wurde, verzichtete man auf jegliche musikalische Beschallung und hielt vor Anpfiff erneut für eine Minute inne. Doch auch nach Anpfiff konnte von Stimmung keine Rede sein. Ein paar vereinzelte Varaždin-Rufe hier und da, sonst fokussierte man sich aufs Fußballschauen. Das allerdings mit überraschend großer Leidenschaft. Fast jede Aktion wurde beklatscht oder eben mit Pfiffen versehen, während es einen Großteil oftmals nicht auf den Sitzen hielt. Die Lust am Fußball und das Potenzial in der Stadt ist definitiv zu spüren.

Auf ein Verpflegungsangebot oder auf die Arbeit am Grill hatte man dagegen keine Lust, weshalb salziges Popcorn mal wieder die einzige Alternative stellte. Verzichteten wir gerne drauf. Unterhaltsam und sehenswert war dagegen die Partie selbst, in der die Gäste durch einen VAR-Handelfmeter zunächst in Führung gingen, ehe die Hausherren nach dem Pausentee das Spiel drehten und somit den vierten Tabellenplatz samt den damit verbundenen, internationalen Ambitionen untermauerten. Insgesamt nicht so schlimm hier wie befürchtet, allerdings lässt sich die Bude mit interessanter Fanszene im Gästeblock sicherlich um Welten besser machen.
Nach Schlusspfiff machten wir uns wieder auf ins Zentrum, stoppten kurz an einem Supermarkt zwecks Verpflegung für den Rückweg und wollten anschließend unser Gefährt aus dem Parkhaus lösen. Blöd nur, dass der Automat gar nicht für eine Eingabe des Kennzeichens vorgesehen ist, wie wir anfangs dachten, sondern nur mit dem gewöhnlichen Ticket funktioniert, das es am Eingang hätte geben sollen. Eine Recherche legte nahe, dass unser Gefährt in einer App registriert war, mit der man in ganz Kroatien seine Ticketkosten online begleichen kann. Nur hatten wir darauf keinen Zugriff, war ja nicht unsere Karre. Also fix am Kassenautomaten auf die Hilfe-Taste gedrückt (vor Ort war nachts natürlich niemand mehr), Situation geschildert – und eine einfache Lösung bekommen. Das sei alles kein Thema, wir sollten einfach zur Schranke fahren, man mache uns dann auf. Und wie sollen wir bezahlen? Doch unser nicht ganz ungerechtfertigter Einwand wurde mit einem kurzen Lachen beantwortet: „You have a rental car, so you don’t pay“. Aha, und wer bezahlt dann? Niemand, weil Mietwagen. Na, wenn das so ist… Und tatsächlich entließ uns die Schranke wenig später hinaus in die dunklen Straßen der Stadt. Eine Stunde noch über die verwaiste Autobahn gen Zagreb, endete der Samstag durchaus zufrieden in den Federn.