23.04.2025
31. Spieltag 1. HNL
HNK Gorica - GNK Dinamo Zagreb
Gradski Stadion Velika Gorica
Endergebnis: 1:0 (0:0)
Zuschauer: 4.993 (4.500 Gäste)
Ticket: 13€
Ausgeschlafen und fürstlich gefrühstückt führte uns der Weg am Mittwoch zurück gen Flughafen, genauer gesagt in die Zagreber Vorstadt Velika Gorica im Südosten. Da dort erwartungsgemäß nicht allzu viel geboten war, verbrachten wir den Vormittag mit dem Erwerb einiger Mitbringsel in einer Shopping-Mall auf dem Weg, nicht zuletzt auch, um dem aufziehenden Regen zu entfliehen. Keine Sonne mehr wie am Vortag und keine 25 Grad. Sitze unterm Dach für den späteren Kick an einem Mittwoch um 15 (!) Uhr (kein Feiertag, aber immerhin Osterferien) bekamen wir auch keine mehr. Kann ja was werden…
Auch deswegen ging es recht früh gen Spielort, wo wir auf einer Schotterpiste direkt gegenüber noch ein gutes Plätzchen für den Mietwagen ergattern konnten und erstmal die Regenwolken abwarteten. Mit Öffis schien mir die Bude derweilen kaum erreichbar, wobei Maps auch irgendwas von fast zwei Stunden bis ins Zentrum schwadronierte. Da liegt das Terminal des Flughafens fußläufig deutlich erreichbarer als diese Erstligabude mitten im Nirgendwo. Irgendwann ließen die Tropfen etwas nach, sodass wir uns auf den kurzen Sprung gen Eingang zur Zapad (West- und auch Haupttribüne) machten.
Wollte ich auch irgendwie hinter mich bringen, zumal wir beim vorherigen Online-Kauf der Tickets ein wenig tricksen mussten. Die kann man zwar, für Kroatien üblich, eine Woche vorher auf einem von fast allen Clubs genutzten Online-Portal frei kaufen, benötigt dort allerdings seine persönlichen Daten. Dazu gehört, neben Namen und Anschrift, auch eine OIB-Nummer, eine lokale Umsatzsteuer-ID, in etwa vergleichbar mit unserer persönlichen Steuernummer. Hatten und haben wir nicht und unsere Nummer vom Personalausweis ging auch nicht, da ausschließlich elf Ziffern vorgesehen waren. Nach allen Tricks wie nur Einsen oder Nullen, die stets zu Fehlermeldungen und zur Ablehnung des Kaufs führten, klimperte ich einfach wild auf dem Zahlenblock der Tastatur rum – und war plötzlich erfolgreich. Tickets gekauft und bezahlt, und dennoch mit mehr Fragezeichen als Erleichterung versehen. Wird das dort am Eingang abgeglichen? Bedruckt sind die Tickets jedenfalls nur mit Namen, Adresse und E-Mail. Ums kurz zu fassen: Nope. Die vorher ausgedruckten Karten wurden zwar gescannt, allerdings schien keiner der Ordner auch nur im entferntesten daran interessiert, hier noch irgendwas zusätzlich kontrollieren zu wollen. Personalisierter Ticketkauf zwar ja, danach ist alles egal.

Penibel war die anschließende Kontrolle ebenfalls nicht, sodass wir uns wenig später im komplett von Gästefans dominierten Umlauf und in der kleinen Kneipe hinterm Eingang wiederfanden. Recht viel Merch der BBB lief hier ebenso Kreuz und Quer herum, wobei das Alter derer irgendwo zwischen 5 und 85 lag. Ist halt auch eine Marke, in Teilen frei verkäuflich und nicht so geschlossen, wie man es aus der Heimat kennt. Bisschen voll war es dann schon in den Räumlichkeiten, weshalb wir uns auf den Weg zu unserem Blockeingang machten, dessen Unterbau nicht nur als offene Toilette, sondern auch als Verkaufsstand für Popcorn und Kürbiskerne genutzt wurde. Übrigens, wir leider so oft, die einzige Verpflegung an diesem Nachmittag. Werden wir nicht warm mit, weshalb die Wurst vom Vorabend erstmal die Einzige beim Fußball bleiben sollte.
Die letzten Regentropfen innerhalb des Mundlochs der Tribüne abgewartet, ging’s endlich auf die Sitze, die uns eine perfekte Sicht auf das Gradski Stadion bescherten. Zwei Seiten und etwa 5.200 Plätze stehen den Navijači hier zur Verfügung, wobei der nicht überdachte Osten mit seinen bunten Sitzschalen den Gästen vorbehalten ist. Die Zapad, die in der Mitte einen kleinen Knick aufweist, kommt dagegen mit einem Mini-Dach daher, das vielleicht den hintersten 5-6 Reihen etwas Schutz vor Regen und Sonne bietet. Die Grashügel im Norden und Süden sind dagegen derzeit nutzungsfrei, während die imposanten Flutlichter einen schönen Kontrast zu den Backsteinbauten der dahinterliegenden Wohngebiete bilden. An sich eine typische Schüssel für die hiesigen Breitengraden, die für die Sommer-Universiade 1987 errichtet wurde.
Überraschenderweise ist ihr derzeitiger Hauptmieter, der HNK Gorica, mit dem Gründungsdatum 2009 deutlich jünger, was erwartungsgemäß allerdings auf Neugründung oder Verschmelzungen zurückzuführen ist. Hier ist zweiter Fall eingetreten, zählt der Vorgängerverein, der NK Radnik, zu der Reihe der traditionsreicheren Clubs des Landes, dessen Blütezeit mit der Unabhängigkeit Kroatiens startete. In der ersten Zweitligasaison überhaupt wurde Radnik direkt Meister und stieg ins Oberhaus auf, in dem man sich zwei Jahre lang hielt, ehe Form- und Finanzkurve nach Unten zeigten. 2009 folgte schließlich die Fusion mit dem benachbarten NK Polet zum heutigen HNK Gorica. Aus dem direkten Wiederaufstieg ins Oberhaus wurde in der Folge aufgrund der Nichterteilung der Lizenz zwar nichts, doch im Sommer 2018 war es wieder soweit und die Vorstadt stieg in die 1. HNL auf – und hielt sich dort bisher beständig im unteren Mittelfeld.

Zuschauertechnisch steht man so nah an Zagreb selbstredend auf verlorenem Posten, wobei Gorica in dem Wettbewerb zumindest noch den ersten Platz der vier Vereine im Oberhaus ohne eigene Fanszene (Lokomotiva, Slaven Belupo, Varaždin und eben Gorica) behaupten kann. Mit den ironisch benannten „Good Boys“ organisieren sich immerhin ein paar Silberrücken, die die Partie zu Fünft von ihren Plätzen aus stehend verfolgten und etwas Lokalpatriotismus auslebten, während mindestens 90% der restlichen Zuschauer ganz klar den Blauen die Daumen drückten.
Deren aktive Fanszene bezog derweilen die halbe Gegengeraden im Osten direkt gegenüber von unseren Plätzen, marschierte dabei jedoch nicht geschlossen ein, sondern enterte tröpfchenweise die Bude. Meist waren es Kleingruppen, die etwa in ein Auto passen. Auch ein krasser Unterschied zur Heimat. An den Zaun flaggte der Haufen derweil drei große Fetzen: Blue Hooligans, Blue Madness und die mittlere Ausführung der legendären und berüchtigten Bad Blue Boys. Drei kleine Überhänger ergänzten zudem das einfache, aber dennoch markante Bild: Ein Stadtwappen mitsamt Dinamo-Schriftzug, das wir so bereits am Vortag an einer Wand in der Stadt erspähten, eine Flagge der Vatikanstadt samt Trauerflor sowie ein Fetzen mit der Aufschrift „Dinamo Zagreb iznad svih“, in etwa „Dinamo Zagreb über allen“. Ein in Kroatien gerne genutzter als auch bewusst gewählter Spruch, der selbstredend auch ein wenig auf die politische Einstellung schließen lässt. Rechte Symbolik fand sich auch auf T-Shirts sowie auf einer kleinen, immer mal wieder hochgehaltenen Fahne, die einen durchgestrichenen Pfeil nach Links zeigte, während bei Schlachtrufen gerne im Kollektiv der rechte Arm gen Himmel wanderte. Weitere Ausführungen in die Richtung spare ich mir, dient dieser Blog definitiv nicht der politischen Aufarbeitung der Geschichte des Balkans. Nur so viel: Relevante, linke Fanszenen im ehemaligen Vielvölkerstaat sind zumindest mir nicht bekannt.
Kurz vor Anpfiff erfüllte die nächste Schweigeminute das weite Rund, die an diesem Tag nicht nur dem Papst, sondern auch einem verstorbenen, ehemaligen Kicker Dinamos gewidmet war. Im Anschluss erhoben sich uns gegenüber zum ersten Mal die Arme zu einer wuchtigen Klatscheinlage und ersten Schlachtrufen, die schonmal den Standard des Nachmittags setzten… der in der Folge lange Zeit nicht mehr erreicht wurde. Stattdessen nutzten die Ultras die Gegebenheiten zum Einsingen eines neuen Liedes auf „In the end“ von Linkin Park, das man sich wohl von Schalke abschaute, dabei in Sachen Lautstärke aber beinahe unterging. Fast 20 Minuten dauerte es, bis mal mehr als die kleine Mitte rund um den einzigen Capo und die einzige Trommel mitzogen und das Lied ein annehmbares Level erreichte. Danach wurde das Liedgut zwar etwas abwechslungsreicher („So high“ von SXTN hätte ich hier im Leben nicht erwartet, anscheinend ist man gerne auf Youtube unterwegs), laut ist aber was anderes.

Zwar nicht direkt enttäuschend, aber auch weit weg von den eigenen Erwartungen, hier eine Knallerstimmung vor den Toren der eigenen Stadt zu erleben. Das Potenzial war nämlich vorhanden, wurde es doch nach einigen guten Chancen mal kurz richtig laut, während die Wechselgesänge mit unserer auch sonst recht aktiven und sangeslustigen Tribüne richtig gut schepperten. Immerhin die Pyro-Fanatiker in uns kamen durchweg auf ihre kosten, brannte es doch mehr als beständig in sämtlichen Bereichen des Mobs. Immer wieder zischte eine Dose blauer Rauch, während sich auch einige vereinzelte Fackeln angenehm hell vom grauen Nachmittagshimmel abhoben.
Vielleicht lag es auch an der Leistung auf dem Platz, dass abseits des Zündelns der Funke nicht so recht überspringen wollte. So richtig zufrieden ist man mit der Saisonleistung in Zagreb nämlich nicht, rennt man als amtierender Dauer- und Rekordmeister in der gesamten Spielzeit der Musik deutlich hinterher. Und auch heute fanden die Starkicker gegen ein mauerndes Kellerkind keine ansprechenden, spielerischen Mittel, was das pausen- und kopflose Anrennen der Gäste in eine für Spieler als auch Zuschauer frustrierende Angelegenheit mutieren ließ. König Fußball verleiht einem solchen Kick ja meist den dazu passenden Spielverlauf, der folglich auch eintreten sollte: Tor für Gorica, und das mit Ansage. Und selbst die kurz darauf folgende Ampelkarte für die Hausherren brachte den geparkten Bus am eigenen Strafraum nicht ins Wanken, während der Gästeblock die letzten Minuten dann doch nochmal ordentlich einen raushaute. Sämtliche Pyrovorräte stiegen nun in Form einer riesigen blauen Rauchwolke empor und nebelten den Platz gut ein, die zwar ein top Bild abgab, deren Geruch allerdings nichts mit Silvester zu tun hatte. Riecht ganz schön toxisch, das Zeug hier.
Kurz darauf war Schluss und das Pfeifkonzert nahm seinen lauf. Die Gastakteure verabschiedeten sich schnell in Richtung der Katakomben, während die Kicker der Heimmannschaft ihren überraschenden Sieg gegen den Rekordmeister feierten. Ein herber Dämpfer für Dinamo im Meisterschaftsrennen, der sich allerdings als nicht allzu tragisch offenbarte, da sämtliche Kontrahenten ebenfalls nicht gewinnen konnten. Schauen wir mal, was das Derby am Sonntag gegen Rijeka bringen wird. Könnte als Duell Dritter gegen Erster tatsächlich richtungsweisend werden. Wir machten uns anschließend auf den Weg zurück zum Parkplatz, der sich naturgemäß absolut chaotisch präsentierte. Sprich: Den Motor starteten wir nach 30 Minuten, ehe es Stück für Stück zurück auf die Straße ging. Ganz schön nervig. Immerhin auf dem restlichen Weg flutschte es, sodass wir kurze Zeit später das Gefährt wieder an der Unterkunft parkten und uns via Tram zwecks Abendessen auf den Weg in die Altstadt machten. Viel Leben dort in der zentralen Bar- und Restaurant-Meile in der Ulica Ivana Tkalčića, wo auch wir uns niederließen und eine etwas zu teure Fleischplatte verspeisten. Ein paar Runden flüssiger Nahrung durften es auch noch sein, ehe der zweite Tag in Zagreb sein Ende fand.

Donnerstags war spielfrei und mehr oder weniger für Sightseeing vorgesehen, wussten wir anfangs nicht so recht, wie viel Zeit man für Zagreb überhaupt einplanen kann. Ist wie eigentlich überall: Man kann alles an einem Tag machen und hat oftmals das Gefühl, einen runden Eindruck zu haben. Man kann aber auch eine Woche hier verbringen und hat am Ende das Gefühl, die deutlich größere Masse an Highlights verpasst zu haben. Erste Anlaufstelle war, aufgrund des guten Wetters am Vormittag, der Berg Sljeme, der über eine neu errichtete Seilbahn erreicht werden kann. An dessen Fuße, den wir nach drei Tramfahrten in einer knappen Stunde erreichten, schauten wir zunächst in einem stillgelegten Tunnel vorbei, der derzeit zu Fuß durchschritten werden kann und als Startpunkt vieler Wanderwege gilt. Danach wurde ein 10er pro Person für Hin- und Rückfahrt mit der Seilbahn fällig, die uns in stolzen 22 Minuten samt grandioser Aussicht auf die Stadt gen Berggipfel brachte.
Viel zu sehen gab es dort, abseits des Fernsehturms sowie grüner Wiesen, die im Winter dem Skisport dienen, zwar nicht, ein Erlebnis war es aufgrund des Panoramas aber dennoch. Anschließend ging es zurück in die Altstadt und zur großen Kathedrale, die trotz der Baustelle (u.a. aufgrund des Erbebens 2020, das insgesamt 26.000 Gebäude beschädigte) einen imposanten Eindruck machte. Noch bekannter schien uns die St.-Markus-Kirche in der Oberstadt mit ihrem ikonischen, bunten Dach, während auch die restlichen Teile der Altstadt ein nettes und gepflegtes Bild abgaben. Spannend war zudem der Tunel Grič, der einmal die komplette Oberstadt samt Regierungsviertel unterquert und um den sich zahlreiche Mythen und Legenden ranken. Erster Eindruck von Zagreb: Lässt sich sehr gut aushalten hier und ist beileibe nicht so teuer wie die Küste. Gut aushalten ließ es sich auch in der Bar „Barbeerian“, die wir nur zum kurzen Ausruhen und für einen Drink aufsuchten, aber am Ende aufgrund eines Platzregens und der starken Auswahl kroatischer Carftbiere über sechs Stunden dort versackten und den kompletten Abend bei gutem Futter und Livemusik verbrachten. Dicker Daumen nach oben für den Laden!