HNL: NK Lokomotiva Zagreb – HNK Šibenik

22.04.2025
31. Spieltag 1. HNL
NK Lokomotiva Zagreb - HNK Šibenik
Stadion Kranjčevićeva
Endergebnis: 1:2 (1:1)
Zuschauer: 885 (100 Gäste)
Ticket: 15€

Kurz nach Neujahr und nach erfolgter Planung des Sommerurlaubs verspürte ich irgendwie eine große Lust auf den Balkan. Frisch Gezapftes in einer rauen Stadt für schmales Geld, gegrilltes Fleisch und alte Stadien, die mit jeder Stufe von ihrer ach so erfolgreichen Vergangenheit zeugen. Dazu die typisch tiefen und lauten Gesänge der Navijači, den Fans aus Ex-Jugoslawien, samt ihren berühmten und berüchtigten Kurven. Allzu oft trieben wir uns noch nicht im Südosten Europas rum, sodass mit Bulgarien und Montenegro bisher lediglich zwei Länder unter Augenschein genommen wurden. Daher reifte der fixe Entschluss, endlich mit Kroatien nachzuziehen, was aufgrund des Spieltages unter der Woche nach Ostern auch hervorragend in den eigenen Kram passte. Wenige Tage darauf wurde zudem das Derby zwischen Dinamo und Rijeka angesetzt und in Slowenien könnte auch was klappen, sodass Flüge und Hotel gleich von Dienstag nach Ostern bis zum darauf folgenden Montag festgezurrt wurden und ein billiger Mietwagen gleich mit.

Tagesgenau terminiert war zwar noch nix, aber wird schon klappen. Über den Gedanken musste ich in der späteren Vorbereitung dann doch herzlich lachen. Glück ohne Ende hatten wir mit dem Derby, das genauso gut (wie zwei andere Partien des Spieltags) auch auf den Montag hätte fallen können, während Slowenien aufgrund paralleler Ansetzungen ebenfalls frühzeitig aus dem Rennen war. Zudem glich die Geschichte rund um den ersten Kick einem munteren Hin und Her, da der Spielort, das Stadion Kranjčevićeva, in naher Zukunft einem Neubau weichen soll. Nur wann der Abriss wirklich startet, wusste keiner. Anfangs hieß es März, dann plötzlich nach der Saison, dann Anfang April… Beinahe täglich wühlte ich mich durch die immer konfuser werdenden kroatischen Presseartikel, ehe schließlich die freudige Nachricht in Stein gemeißelt wurde: Ausgerechnet unser Kick am Dienstag soll der Letzte in der altehrwürdigen Bude werden.

Das zauberte natürlich ein Grinsen ins Gesicht, das auch am frühen Dienstagmorgen auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen Bestand haben sollte. Fix gefrühstückt, trug uns der Flieger von Croatian wenig später in einer guten Stunde bis in die Hauptstadt Zagreb, die bereits im Anflug einen deutlich grüneren Eindruck machte als zunächst ausgemalt. Anschließend unkompliziert den Mietwagen eingesammelt und gen östlichem Stadtteil Dubrava gedüst, in dessen Hauptstraße wir mit dem Hotel Residence unsere Bleibe für die kommende Woche bezogen. Nette Bude, die allerdings hauptsächlich mit kostenlosem Parkplatz und Tram-Haltestelle direkt gegenüber punktete. Und gutem Frühstück, wie wir in den kommenden Tagen feststellen durften. Mit der Konoba Veranda fanden wir in direkter Nachbarschaft auch gleich die perfekte Anlaufstelle für die erste Fleischplatte von vielen, die am Ende sogar den Preis als die Beste der gesamten Woche einstrich. Frisch auf Kohle gegrillt, würzig und schmackhaft ohne Ende. Dazu eine Portion, die uns schon während des Zenits der mittäglichen Sonne zu den härteren Getränken greifen ließ. Darüber hinaus geht eine große Empfehlung an den Weinlikör Teranino, der hauptsächlich aus Istrien stammt.

Gesättigt ging’s nun via Tram in Richtung Innenstadt, wo zunächst an einem Kiosk weitere Fahrkarten für die nächsten Tage erstanden wurden (0,53€ pro Fahrt, auch blockweise zu kaufen als Papiertickets), ehe wir eine Mini-Runde durch die Altstadt drehten und dabei bereits, wie auch in Dubrava, einige top Wandgemälde von Dinamo vor Augen und Linse bekamen. Richtig starke Teile dabei! Anschließend ging es erneut via Schiene westwärts, nun mit dem Spielort für das Abendspiel als Ziel vor Augen. Raus an der Haltestelle Studentski centar, ein paar Meter entlang der namensgebenden Straße Kranjčevićevoj ulici und schon erblickten wir die abgerockte, tolle Bude, die am heutigen Abend ihre letzte Partie erleben sollte.

Toll der Blick auf die großen Flutlichtmasten sowie die große Tribüne mit ihren weißen Sitzen, die demnächst durch einen Neubau ersetzt werden soll. Ein Projekt, das als Vorstufe der seit Jahrzehnten geplanten Erneuerung des Stadion Maksimir gilt, zumal sowohl Dinamo als auch die kroatische Nationalmannschaft nach Fertigstellung hierhin ziehen sollen, ehe die größte Bude des Landes ihrerseits neu errichtet werden wird. Bis 2029 will man insgesamt fertig sein, an dieser Stelle gar bis Ende 2026. Ambitioniert trifft es da am Besten. Etwas über 11.000 Plätze werden dann im Westen der Innenstadt zur Verfügung stehen – also ganz schön wenig für Derbys und andere, wichtige Partien. Heute aber stellten die alten Traversen das perfekte Panorama für unseren persönlichen Länderpunkt Kroatien.

Nach erfolgtem Kauf der 15€ teuren Tickets am Eingang (ausgedruckt auf Kassenzettel, würg) schlenderten wir ein wenig über die alte Tribüne, deren auf Holzbänke aufgeschraubten Sitze mal mehr, mal weniger noch vorhanden waren, während die Holzkonstruktion an sich dann doch so einige Spuren von Verwitterung aufwies. Recht aufwendig war die Dachkonstruktion aus verwinkelten, weißen Stahlröhren, deren Pfeiler sich einmal durch die darunter liegenden Gebäude zogen und zu recht abstrusen Ecken unterhalb der Stufen führten. Top zudem die Aussicht auf die Gegengeraden im Osten, die ebenfalls ein paar Reihen Stufen aufwies, deren verblichene, bunte Sitze sich als einzige Farbtupfer vor den braun-grauen Plattenbauten im Hintergrund in Szene setzten. Im Süden, im Schatten eines zylindrischen Hochhauses, finden sich zudem ein paar Stehränge, die bis in die Steilkurven der innerhalb des Stadions verlaufenden Radrennbahn ragen.

5.350 Zuschauer fassten bis zuletzt Platz in einem Stadion, das in seiner Geschichte viel erlebte. Vom Zuschauerrekord von 18.000 Schaulustigen beim Spiel zwischen Jugoslawien und Deutschland 1939, über ein Feuer 1977, das große Teile der damaligen Holzkonstruktionen zerstörte. Von einem Blitzeinschlag zehn Jahre später, der das Flutlicht zerstörte, welches erst zwei Dekaden später wieder errichtet wurde. Von den Partien des NK Zagreb (einem der lediglich vier Meister Kroatiens), der die Traversen zwischen 1946 und 2018 seine Heimat nannte, ehe er in die Bedeutungslosigkeit verschwand und mit ihm der Mietvertrag für sein Stadion. Und eben die Partien des NK Lokomotiva Zagreb (NK = Nogometni klub, wobei Nogometni „Fussball“ bedeutet), die seit 2014 hier stattfanden.

Dabei hatten die 1914 gegründeten Eisenbahner ihre Blütezeit vor allem in der Dekade kurz nach dem zweiten Weltkrieg, in der die Blau-Weißen zwischen 1947 und 1955 acht Jahre lang in der ersten Liga Jugoslawiens kickten und dabei 1952 gar den dritten Rang belegten. Danach ging es in die Niederungen des sich durch den Zerfall des Landes beständig ändernden Ligensystems, ehe zwischen 2007 und 2009 die Formkurve wieder steil bergauf zeigte. So gelang der schrittweise Direktaufstieg aus der Viertklassigkeit bis ins Oberhaus, dem Lokomotiva seitdem angehört, dabei zwei Mal Vizemeister wurde und vier Mal im internationalen Geschäft vertreten war. Zwar endete die Reise stets in einer Quali-Runde, aber immerhin.

Mehr als ein interessiertes Publikum konnte Lokomotiva in dieser Zeit, in der man gar lange als Farmteam von Dinamo Zagreb (u.a. durch den Einfluss des verhassten Zdravko Mamić) galt, jedoch nicht gewinnen. Sprich: Stimmung konnte man keine erwarten, da keinerlei Fanszene existiert. Dennoch strömten für einen Dienstagabend ordentlich Zuschauer auf die Traversen, die kurz vor Anpfiff zunächst für den tags zuvor verstorbenen Papst eine Minute schwiegen. Auf der Gegengeraden, die als Gästeblock dient, weilten in der Zwischenzeit vielleicht 15 Leute, sodass auch hier wenig Hoffnung auf einen atmosphärischen Abend abseits des alten Stadions aufkam. Immerhin bekam die Handvoll Anhänger des zum derzeitigen Stand Tabellenletzten den frühen Führungstreffer durch die Gäste mit, ehe am Eingang dann doch ein paar mehr schwarze T-Shirts tröpfchenweise den Block enterten.

Bis zur 10. Minute schlenderten schließlich alle der gut 100 Gäste aus der knapp 350 Kilometer entfernten Küstenstadt nördlich von Split in aller Ruhe in den Block, bauten erstmal langsam die mitgebrachte Trommel auf und hängten drei Fetzen an den Zaun: Die „Ultras 24/7“-Fahne der führenden Gruppe Funcuti, ein kleines Stadtwappen sowie die Flagge der Vatikanstadt, die wir in den kommenden Tagen noch öfters zu Gesicht bekamen. Danach wurde sich beim Bierträger gestärkt, der per Pedes beständig gen Gästeblock latschte und mit seinen 20 gezapften Bechern dort die einzige Anlaufstelle für Verpflegung bot. Die kleine Anzeigetafel zeigte mittlerweile die 20. Spielminute, ehe der Haufen seine ersten Schlachtrufe intonierte und sich allmählich in seine Lieder auf bekannte Melodien steigerte.

Anfangs noch sehr gemächlich und mit einer Stimmvariation einer halben Oktave, war vor allem im zweiten Durchgang fast schon Eskalation angesagt. Gut 70 der etwa 100 Leute waren beständig aktiv, zeigten top Klatscheinlagen, warfen auch mal einen Blinker und legten vor allem in der Schlussphase für die Verhältnisse (Anzahl, Entfernung, Dienstag!) einen absolut respektablen Auftritt hin. Überraschte uns äußerst positiv. Erwähnenswert an der Stelle sind noch die recht guten Kontakte zwischen den Funcuti und den Bad Blue Boys, gilt Šibenik an der Adriaküste doch als gallisches Dorf und einziger Gegenpol zur sonstigen Übermacht von Hajduk. Gut möglich also, dass auch ein paar lokale Ultras an diesem Abend den Gästeblock bereichert haben könnten.

Sportlich wie erwähnt die frühe Führung der Gäste, die die Hausherren noch vor der Pause (allerdings erst nach langem VAR-Theater) egalisieren konnten. In der Halbzeit gab’s fix eine schmackhafte Debrecziner im Brötchen sowie ein gar nicht mal so billiges Bier (4€), ehe die Gäste nach Wiederanpfiff durch ein Traumtor zum 1:2 trafen und dadurch den Gästeblock explodieren ließen. Definitiv ein ansehnlicher Fussball, der uns hier geboten wurde. Das Ergebnis hielt anschließend bis zum Schlusspfiff stand, der wiederum im lauten Jubel der Gäste mündete. Freut mich stets für einen solchen Mob! Große Feier somit auf der Gegenseite, während sich unsere Westtribüne im hellen Schein der Flutlichter fix leerte.

Wir lauschten noch ein wenig den letzten Gesängen der Gäste, schauten noch ein wenig über die Traversen und machten uns schließlich wieder auf den Weg nach Draußen. An der Haltestelle die Tram bestiegen, kurzes Umsteigen am zentralen Platz und schließlich die Bleibe in Dubrava erreicht, wo ein Haken an den erfolgreichen und vor allem langen, ersten Tag gemacht wurde. Und eben ein erstes Häkchen in der kroatischen Liga, das allerdings genauso schnell wieder verschwand wie es gesetzt wurde. Denn schon in den nächsten Tagen rollten tatsächlich die Bagger und begannen mit dem Abriss des Stadions, während Lokomotiva bereits als Untermieter das Maksimir bezog. Schade drum.

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