Challenge League: FC Wil – FC Thun

23.02.2025
23. Spieltag Challenge League
FC Wil - FC Thun
Sportpark Bergholz
Endergebnis: 2:3 (0:1)
Zuschauer: 1.548 (ca. 250 Gäste)
Ticket: 17,80 CHF (~19,20€)

Nach den vielfältigen Eindrücken des Vortages war die folgende Nacht umso erholsamer. Zumindest in unserem Zimmer, musste sich Zimmernachbar M. doch schon recht früh morgens auf den Weg zum Bahnhof machen, um rechtzeitig das abendliche Heimspiel des SVS zu erreichen. Für den übrig gebliebenen Rest war daher erstmal entspanntes Frühstücken im Hotel angesagt, ehe wir noch eine kurze Runde durch die verschlafene Altstadt von St. Gallen drehten. Kathedrale und roter Platz waren nett anzusehen, sonst liegt hier zumindest sonntags der Hund begraben. Und ich dachte, dass in Deutschland am Sonntag schon nix los wäre.

Daher ging es nach einer guten halben Stunde auch schon wieder weiter, dieses Mal streng westwärts bis ins ebenso verschlafene Wil. Fix einen Stopp beim goldenen M eingelegt (der kulinarische Hochgenuss kam bei dieser Tour definitiv zu kurz) und schließlich unweit der Spielstätte auf einem staubigen Schotterplatz für lau abgeparkt. Ein paar Meter zu Fuß noch durch ein schickes Wohngebiet… und sind wir hier richtig? Oder wo sind die ganzen Leute für den Zweitligakracher gegen den FC Thun? Eine Stunde vor Anpfiff schienen wir zu den motivierteren Besuchern zu gehören, drehten doch lediglich ein, zwei Rentner ihre Runde bis zum einzig geöffneten Eingang. Direkt daneben konnte immerhin der Fanshop zwecks Erweiterung der eigenen Schalsammlung ausfindig gemacht werden, ehe wir, wie am Vortag, ohne jegliche Kontrollen den Sportpark Bergholz enterten und uns auf der neu überdachten Gegengeraden niederließen.

Ein bisschen erinnerte die Bude an den Bornheimer Hang, aber nur ganz grob. Überdachte und ebenso recht neu wirkende Haupttribüne, gegenüber fünf überdachte Stehstufen als Gegengerade, hinter den Toren ebenso viele der extrem steilen Stufen ohne Dach. 6.048 Schaulustige fänden auf den Traversen rund um den Kunstrasen Platz, was die derzeit nach einer deutschen Discounter-Kette benannten Anlage für schweizer Verhältnisse sogar erstligatauglich macht. Gekickt wurde hier in jenem Oberhaus bereits für zwei Saisons zwischen 2002 und 2004, wobei die Wiler das Kunststück schafften, ausgerechnet in ihrer Abstiegssaison 2003/2004 mit dem Cupgewinn den größten Erfolg seit Vereinsgründung 1900 zu erringen. Seitdem ist die zweite Liga die beständige Heimat der Schwarz-Weißen, die seit 1992 nicht mehr nach unten verlassen wurde. Allerdings tut man sich augenscheinlich schwer, zwischen St. Gallen und Zürich eine größere Anhängerschaft anzulocken. Wobei, so ehrlich muss man sein: Im Ligavergleich und insbesondere mit Blick auf die lediglich knapp 25.000 Einwohner war die heutige Zuschauerzahl schon recht ok.

Die heimische Szene ließ sich jedoch recht viel Zeit und enterte erst 15 Minuten vor Anpfiff ihren Bereich hinterm Tor, den die 15 Leute aufgrund des Regenwetters für sich alleine hatten. Aufgehängt wurde die große Zaunfahne „Sektor D Wil“ samt Überhänger zum 125-jährigen Vereinsjubiläum, hinter der sich der supportwillige Haufen mit einigem Abstand versammelte. So richtig viel kam selbstredend in den 90 Minuten nicht bei uns an, was bei der Anzahl aber auch nicht anders zu erwarten war. Durchgezogen wurde trotzdem, wobei der Einsatz von Doppelhaltern und Schwenkfahnen sogar dauerhaft ein schickes Bild abgab. In einem Moment hatte gar jeder der Anhänger irgendwas in der Hand, insbesondere von der augenscheinlich führenden Gruppe Boyz Wil. Nett anzusehen und sogar mehr als erwartet. Wie schwer es ist, mit einer solchen Anzahl dauerhaft etwas auf die Beine zu stellen, ist man aus der jüngeren Vergangenheit des eigenen Vereins ja auch zu genüge gewohnt, daher großen Respekt an die Jungs fürs generelle Einstehen für ihren Local Club!

Deutlich mehr geboten war natürlich im Gastsektor, wobei der Auftritt der Fanszene des FC Thun den eigentlichen Grund der Anreise stellte. Tabellenführer der Challenge League, die Rückkehr ins Oberhaus fest im Blick und in eigenen Hängen – da ließen sich die Berner Oberländer nicht zwei Mal bitten und stellten einen Extrazug auf die Beine, der etwa 250 Rot-Weiße in die Ostschweiz verfrachtete. Im Gästeblock angekommen, kümmerten sich fleißige Hände aber zunächst um das Überhängen der Werbebande für eine berühmte Apfelsorte, die sich ausgerechnet mittig vor dem idealen Standort des Mobs befand. Schien man beim hiesigen Club aber keine Probleme mit zu haben, sodass wenig später schwarze Folie die in grellem Pink gehaltene Bande verdeckte.

Darüber flaggten die Gruppen um die Red White Boys, Varlets und Invictus mit ihren Fetzen an und präsentierten wenig später ein schönes Intro aus Schalparade und einigen großen Schwenkern und Doppelhaltern. Schickes Bild für die Gegebenheiten des mäßigen Gästeblocks. Der optische Tifo wurde über die volle Distanz durchgezogen, während die Liedauswahl eine gute Mischung aus häufigen Schlachtrufen und größtenteils bekannten Melodien umfasste. Vor allem der Gesang auf „Dragostea Din Tei“ blieb länger im Kopf, während häufiger auch Lieder ohne Textzeilen zelebriert wurden. Gute Mischung, top Lautstärke nach den Treffern, allerdings merkte man dann doch, dass das gleichwertige Gegenüber auf den Traversen fehlte und erst in den Schlussminuten das volle Potenzial der Kurve erstmalig zur Geltung kam.

Für Spannung war auch auf dem Rasen gesorgt, zumal beide Mannschaften offensiv loslegten und hier und da erste Großchancen verbuchen konnten. Nachdem die Gäste zwei Mal Aluminium trafen und die Hausherren mehrere Male frei vorm Tor scheiterten, musste die erste Bude des Nachmittags natürlich durch einen Strafstoß fallen, den Thun noch im ersten Durchgang verwandelte. Berauschend war dann die zweite Hälfte, in der der FCT zunächst erhöhte, Wil aber wenig später verkürzte. Danach das gleiche Spiel: Thun mit der vermeintlichen Vorentscheidung, ehe es die Hausherren mit dem 2:3 wieder spannend machten. Am Ende der starken Partie feierten jedoch die Gäste die drei wichtigen Punkte im Aufstiegsrennen und verteidigten im direkten Duell die Spitzenposition vor dem FC Aarau. Zu gönnen wäre es sicherlich beiden Fanszenen.

Wir machten uns wenig später im strömenden Regen auf den Weg zurück zum Gefährt, mussten bei Ankunft aber Feststellen, dass sich der staubige Parkplatz in eine Schlammwüste verwandelte. Entsprechend einmal schön den Innenraum versaut, ehe es via Konstanz zurück gen Norden ging. Ein fixer Zwischenstopp zwecks Abendessen bei einem mäßigen Döner-Laden in Empfingen, wenig später Jo am Bahnhof in Mannheim rausgeschmissen, ehe die heimischen Gefilden gerade rechtzeitig zur Schlafenszeit vor dem morgigen Arbeitstag erreicht wurden. Samstags um sechs Uhr in der Früh los, sonntags nachts um elf zurück. Drei Spiele, zwei Tage voller Erlebnisse. Ich könnte mir kein anderes Leben mehr vorstellen!

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