10.01.2025
17. Spieltag Gibraltar Football League
Lynx FC - Lincoln Red Imps
Europa Point Stadium
Endergebnis: 1:5 (1:2)
Zuschauer: 100
Ticket: Frei
Genau vor einem Jahr, im kalten Januar 2024, labten wir uns am heißen Äppler während eines Heimspiels des EC Bad Nauheim. Soweit so üblich in dieser Jahreszeit, doch irgendwie schielte man stets auf die Bilder aus dem sonnigen Trainingslager des eigenen Fußballvereins. Da mal hinterherfliegen, das wäre doch was! Aus den ersten Gedanken folgte im Herbst schließlich der Entschluss: Es sollte zu Beginn des neuen Jahres in den Süden gehen! Das letzte Mal auf der iberischen Halbinsel war sowieso schon viel zu lange her… Da die SVE auch auf Nachfrage mit Infos nicht aus dem Quark kam, machten wir Nägel mit Köpfen und verpassten schließlich das eigentliche Trainingslager um eine knappe Woche. Am Ende kein Verlust, wurden zwei der drei Tests doch ohne Zuschauer ausgetragen. Nächstes Jahr dann vielleicht…
Allerdings freuten wir uns auch so auf eine Woche in der Sonne, buchten uns in einer Unterkunft in Sevilla ein und mussten, mangels Alternativen, mit Flügen nach Malaga vorlieb nehmen. Auf dem Hinweg sogar mit Umstieg in Zürich, aber seis drum – Wärme im Januar, das zählte! Groß somit die Vorfreude am frühen Donnerstag, an dem sich noch ein fixes Frühstück beim goldenen M zwischen die Kiefer geschoben wurde, ehe uns der Kranich zunächst ins teure Alpenland bugsierte, von wo aus die Schwesterairline mit dem großen Plus auf die knapp drei Stunden lange Reise gen Malaga aufbrach. Nicht viel los, so loben wir uns das! Ähnliches Bild am im Sommer sicherlich hoffnungsvoll überfüllten Flughafen Malagas, von dessen Pforten uns ein Sprinter-Shuttle zum nahen Mietwagenanbieter brachte. Ein grüner Schein für eine Woche Cabrio fahren – keinerlei Raum für Beschwerden!
Allerdings zeigte sich unser italienischer Flitzer gerade auf den hügeligen Autobahnen gen Norden so stark untermotorisiert, dass nicht die Tempolimits, sondern vielmehr die Mindestgeschwindigkeit unsere Sorge sein sollte. Wenn du da am Berg fast in den Dritten schalten musst und im Rückspiegel die Vierzigtonner bedrohlich näher kommen, schießen dann doch die ein oder anderen Clark Griswold-Gedanken in den Schädel. Daher wurde der Boxenstopp nicht nur für ein schmackhaftes, frisch belegtes Bocadillo genutzt, sondern auch zum ersten Durchatmen unter blauem Himmel. Sonne, Palmen, Dach auf – und ab dafür!
Gut zweieinhalb Stunden später erreichten wir schließlich die andalusische Hauptstadt, schoppten fix in einem Mercadona für die kommenden Tage und bezogen schließlich unser AirBnB im Stadtteil San Lorenzo. Schöne spanische Bude im zweiten Stock samt Innenhof, dazu ein Parkplatz für das Gefährt in der Tiefgarage. Dazu keine hundert Meter vom Plaza La Alameda entfernt, der nicht nur als Zentrum des Nachtlebens dient, sondern auch tagsüber mit unzähligen Bars und Tapas-Läden aufwartete. Vor allem von Letzteren machten wir am frühen Abend ausgiebig Gebrauch und schlemmten, was das Zeug hielt, ehe der lange Tag recht früh in der Kiste endete. Denn der Freitag sollte mindestens genau so lange werden.
So waren, nach fixem Frühstück in der Bleibe, erneut zweieinhalb Stunden Fahrt über bergige Schlaglochpisten angesagt, ehe wir den morgendlichen Nebel hinter uns ließen und an der Costa de La Luz die ersten Sonnenstrahlen des Tages erblickten. Ziel des Tages war Gibraltar, die kleine britische Enklave, deren berühmter Fels bereits aus großer Entfernung mächtig an der Küste thronte. Schicker Anblick, der sich in den Straßen von La Línea nochmal intensivierte. Bei offenem Verdeck und angenehmen 20 Grad stellten wir uns unterdessen auf den zu erwartenden Stau an der Grenze ein, gehört der Felsen doch weder zu Schengen noch zur EU. Doch sämtliche im Netz ausgemalten Horror-Szenarien wie zwei Stunden Stau und mehr bewahrheiteten sich in keinster Weiße. Drei Autos vor uns, die genau wie wir einfach durch alle drei Kontrollstellen durchgewunken wurden. Nur die Personalausweise (Reisepass ist hier zum Glück nicht erforderlich) wurden währenddessen aus dem Fenster gehalten, so wirklich gecheckt hat hier aber keiner was.
Beim Erblicken der ersten Tankstelle dann gleich die nächste Freude: Nur einen Pfund pro Liter wurde hier fällig, weshalb das gemietete Gefährt randvoll mit dem billigen Treibstoff befüllt wurde. Anschließend ging’s zum großen Parkplatz am Fuße der Seilbahn, auf dem nach einiger Wartezeit ein kostenfreier Stellplatz bezogen werden konnte. Glück gehabt, wenn auch einiges an Geduld erforderlich war. Nach fixem Snack und Einsicht, dass der Berg in Natura doch nicht ganz so leicht erklimmbar schien, blechten wir ordentlich für Seilbahntickets. Knapp unter 50€ wurden für die einfache Fahrt samt Eintritt in den Naturpark, zu welchem der gesamte Felsen deklariert wurde, pro Nase fällig, wovon Letzteres mit gut 30 Talern den größten Teil ausmachte. Da werden die Touris ganz schön gemolken, allerdings müssen wir auch mit einigem Abstand sagen: Es war’s wert. Der ganze Tag.
Teuer, aber der Anblick aus über 400 Metern Höhe über Stadt, Küste und die schier endlosen Weiten des Ozeans waren wirklich atemberaubend. Zudem hatten wir so ein Glück mit dem Wetter, dass nicht nur Ceuta, sondern auch die angrenzenden Berge Marokkos glasklar am Horizont sichtbar waren. Auch sonst hat der Naturpark einiges zu bieten, auch abseits der Makaken, die mal Faul in der Gegend herumlungern, mal verspielt um die wenigen anwesenden Wanderer rennen. Mit der Saint Michael’s Cave (wie alle anderen Anlaufstellen dann zum Glück im Preis enthalten) konnte noch eine eindrucksvolle Tropfsteinhöhle besichtigt werden, deren eingebaute Konzerthalle stark an die Cueva de los Verdes auf Lanzarote erinnerte, während sonst vor allem die unverbaubaren Ausblicke von den diversen Artillerie- und Kanonen-Stützpunkten, die das britische Militär zur Verteidigung des Felsens errichtete, genossen wurden.
Die nach der Windsor-Königsfamilie benannte Hängebrücke markierte schließlich das Ende unserer sehenswerten dreistündigen Wanderung den Berg hinab in Richtung Altstadt, wo sich Knie und Unterschenkel in schmerzlicher Manier bemerkbar machten. Die dringend benötigte Sitzgelegenheit fanden wir im „The Clipper“, einer Art Wetherspoons mit ähnlichem Speiseplan. Fiel ja bei der letzten Tour auf die Insel im Dezember flach, warum also nicht. Fish and Chips sowie eine gute Portion Chicken, Mash and BBQ-Gravy sättigten am Abend, ehe wir uns bei mittlerweile eingezogener Dunkelheit auf den Weg zum südlichsten Zipfel des Landes machten.
Am dortigen Europa Point war um 21.00 Uhr Anstoß, weshalb, nach erneut kostenlosem Parken direkt neben der Spielstätte, noch eine nächtliche Runde entlang des Leuchtturms drin war. Die gegenüberliegende Küste Nordafrikas war anhand der Lichter der Städte nun nochmal klarer zu erkennen, während der hinter uns gelegene Fels Gibraltars, abseits des Flutlichts des benachbarten Stadions, die einzige Lichtquelle der von drei Seiten vom Ozean umsäumten Landzunge markierte. Der Wind blies mittlerweile eisig und ließ uns dann doch wissen, dass der aktuelle Kalendermonat nicht Mai oder Juni sondern Januar lautet, weshalb wir frühzeitig den Gang zur Spielstätte antraten. Ein Ticketverkauf oder auch nur irgendwelche Kontrollen mussten nicht überwunden werden, und so standen wir bereits fix in der derzeitigen Heimspielstätte aller Vereine der ersten und einzigen Fußballliga Gibraltars. Länderpunkt und gleichzeitig Liga voll, hehe.
Die Bude selbst besteht aus sechs überdachten Reihen auf einer Seite, während auf der dem Meer zugewandten Seite ein Funktionsgebäude eine Art Balkon für VIPs offerierte, das wars dann auch schon. Exakt 777 Schaulustige finden auf dem alten Cricket- und Rugby-Ground Platz, der für die 2019er Ausgabe der Island Games in ein Fußballstadion verwandelt wurde und seit 2024 sogar offiziellen FIFA-Anforderungen zur Austragung von Länderspielen genügt. Und warum? Weil das Land seit ungefähr einem Jahrzehnt eine Renovierung oder Neuerrichtung des ikonischen Victoria Stadiums im Schatten des Flughafens plant, zu dem es vom internationalen Verband mehr oder weniger verdonnert wurde.
Etliche Jahre wurden Pläne immer wieder präsentiert, verworfen, umgeschrieben und sich dann doch schließlich auf den Neubau geeinigt, der die Bude direkt neben der Landebahn ersetzen soll. Hatten wir zwischenzeitlich gehofft, dass auch diese Saison noch an alter Wirkungsstätte gekickt werden würde, kam der Verband mit der Tatsachenentscheidung um die Ecke, die komplette Saison am Europa Point auszutragen und lediglich vereinzelte Jugendpartien in den Norden des Landes zu verschieben. Nun soll es im Frühjahr wirklich mit dem Abriss losgehen. Also ganz bestimmt, so wie in den letzten Jahren auch… Aber seis drum, denn auch am Europa Point ließ es sich in der lauen Sommernacht bei einem kalten Fanta Limon in der Hand bestens aushalten.
Gut 100 Zuschauer sollten es zudem werden, wobei etwa ein Viertel bis ein Drittel Deutsch seine Muttersprache nannte. So dauerte es auch keine fünf Minuten, ehe wir bekannten Gesichtern aus Sandhausen über den Weg liefen. Grüße an der Stelle! Das reichhaltige Abendessen zuvor erwies sich zudem ebenso als schlau, servierte die Futterbude doch nichts außer Bier, Softdrinks und ein paar Chips, während sich die Locals (eigentlich durchweg Spanier) mit ihren mitgebrachten Bocadillos und co beschäftigten. Das Rascheln der Tüten sowie die Gespräche am Bierstand über die besten Gästeblöcke der deutschen Ligen waren auch die stimmungstechnischen Highlights der Ligapartie zwischen dem Lynx FC und den Lincoln Red Imps.
Während erstgenannter Club weder in der derzeit mit 11 Teams besetzten Liga als auch zuvor nicht wirklich auf sich aufmerksam machen konnte, handelt es sich bei Zweiterem um den absoluten Rekordclub des Zwergstaates. Seit Gründung 1976 zählt der Trophäenschrank ganze 28 Meistertitel, 20 Pokale sowie 30 weitere Titel, während die Rot-Weißen 2014 als erstes Team an der Quali zur Championsleague teilnahmen. In der Saison 21/22 reichte es sogar bis zur Gruppenphase der Conference League, während auch sonst sämtliche Rekorde auf die Red Imps fallen. So wurde zwischen 2003 und 2016 14 Mal in Folge die Liga gewonnen, während zwischen Mai 2009 und September 2014 gar der Weltrekord der längsten Serie ohne Niederlage aufgestellt wurde.
Und auch heute gaben sich die Gäste keine Blöße, ließen sich selbst vom Rückstand nach wenigen Augenblicken nicht schocken und schaukelten den Sieg in einem flotten und tatsächlich recht ansehnlichen Kick über die Bühne. Ein netter Abend und somit guter Abschluss des grandiosen Tages an sich, der mit einer erneut quasi nicht vorhandenen Kontrolle am Grenzübertritt endete, ehe es in gut zweieinhalb Stunden zurück nach Sevilla ging. Dort überraschte uns der Blick auf den rappelvollen Plaza La Alameda um halb Zwei in der Nacht immens, sodass die Vorfreude auf den nächsten Tag in Sevilla schon jetzt in die Höhe schoss!