10.12.2024
20. Spieltag EFL Championship
Portsmouth FC - Norwich City FC
Fratton Park
Endergebnis: 0:0
Zuschauer: 20.151 (1.368 Gäste)
Ticket: 30£ (~36€)
Fotoalbum
Mittlerweile ist es eine liebgewonnene Tradition unsererseits, den verbleibenden Resturlaub für einen Trip auf die Insel in der kalten Jahreszeit zu nutzen, um irgendwie von der utopischen Zahl 92 ein paar Späne abzufeilen. Wurde dieses Mal sogar eine ganze Woche draus, weshalb wir uns fix bei der Familie im Süden einbuchten, die gar nicht mal so günstigen Flüge charterten und gleichzeitig Tickets für drei Spiele in der Championship eintüteten. Zweite Liga ist immerhin noch einigermaßen bezahlbar, zudem passen Namen der Clubs, Kulisse und Stadien ebenfalls in den meisten Fällen.
Los ging es allerdings am frühen Montagmorgen mit großem Chaos bei der Frankfurter S-Bahn, die über Nacht mal wieder nicht mit ihren Baustellen fertig wurden. Die halbe Stunde Verspätung planten wir im Vorfeld aber bereits ein, sodass dennoch genügend Zeit für ein Frühstück beim goldenen M am Flughafen war, ehe uns der Kranich, erneut mit einer Stunde Verspätung samt Betrachtung des grauen Vorfeldes vor Abflug, durch starken Wind nach Heathrow verfrachtete. Flug kürzer als die Wartezeit vor Abflug im Flieger – lieben wir! Nach ruppiger Landung ging der Rest zum Glück fix, sodass wir wenig später per kostenlosem Shuttle zum gebuchten Mietwagen gebracht wurden. Den fix ausgelöst, beim nahen Tesco klassisch beim Meal Deal zugelangt und schließlich die gute Stunde bis Southampton getourt, wo der Rest des Montags in familiärer Atmosphäre über die Bühne ging.
Dienstag war dann auch schon Portsmouth angesagt, der erste Stopp erfolgte zwecks Frühstück allerdings in Sarisbury, wo uns köstliches, hausgemachtes Dim Sum geschmacklich zurück nach Hong Kong verfrachtete. Einfach grandios, diese Auswahl in Sachen kantonesischer Küche auf der Insel! Weiter ging es anschließend ins Zentrum der Hafenstadt (zudem dicht besiedelste Stadt Großbritanniens), die an vielen Ecken von den typischen, roten Backsteinhäusern geprägt wird. Der dort ansässige und zudem wichtigste europäische Militärhafen ist die Basis der englischen Marine, die hier unter anderem sämtliche ihrer Flugzeugträger und U-Boote verstaut, die somit ein ums andere Mal im Hafenbecken erblickt werden können. Das Glück hatten wir nicht, dafür fanden wir an den Gunwharf Quays recht fix einen Stellplatz fürs Gefährt, ehe wir die Gegend ein wenig erkundeten.
Kalt war es, zudem blies ein strammer Wind, der sich in jeden Winkel des Innenfutters der dicken Winterjacke vorarbeitete. Passte aber perfekt zur Szenerie, die mit Blick auf die alte Innenstadt als auch die gegenüberliegende Landzunge glänzte. Das erneuerte Hafenviertel selbst besteht mittlerweile aus einem Outlet-Center, an dessen Ende mit dem Spinnaker Tower das Wahrzeichen der Hafenstadt errichtet wurde. Mit seinen 170 Metern Höhe immerhin das höchste, außerhalb von London befindliche, begehbare Gebäude des Vereinigten Königreiches. Erinnert ein wenig an ein bekanntes Hotel in Dubai. Aufgrund des grauen Wetters sparten wir uns jedoch den teuren Aufstieg und hauten stattdessen die Kohle im Outlet raus, stapften anschließend noch ein wenig über den „deutschen Weihnachtsmarkt“ (Und ja, hier gab es Krakauer, Käsekrainer und Glühwein ausschließlich auf Deutsch beworben) und füllten die Bonus-App in einem Costa, ehe es schließlich in den östlichen Stadtteil Fratton ging.
Denn dort stand bereits am ersten, vollen Tag das vermeintliche fußballerische Highlight der Tour in den Startlöchern. Am nahen Tesco schmiss uns die Mitfahrergelegenheit raus, sodass wir nur noch wenige Meter durch die Dunkelheit stapfen mussten, ehe uns das, von Außen mit starken Lagerhallen-Vibes versehene, Stadion begrüßte. Am Fanshop sowohl vorbestellte Tickets als auch einen Schal eingesammelt, schauten wir anschließend in die „Fanmeile“ am westlichen Ende, die zwar noch recht verwaist wirkte, dabei aber mit reichhaltigem Verpflegungsangebot lockte. Pigs in Planket mit Gravy, ein recht ordentlicher Chesseburger mit Cheezy Chips, dazu ein frisches IPA im Plastikbecher. Jetzt nicht die kulinarische Offenbarung schlechthin, für englisches Stadionfutter aber recht appetitlich und zudem in bezahlbarem Rahmen.
Mit gefüllten Bäuchen ging es anschließend ins North End, wo im windgeschützten Umlauf erneut das ein oder andere Getränk verzehrt wurde, während sich der Großteil der Anhängerschaft um die zahlreichen Monitore versammelten, die das Liverpooler Gastspiel in Girona übertrugen. Viel früher als zehn Minuten vor Anpfiff braucht man hier sowieso nicht auf den Plätzen zu sein, denn verpassen würde man in der Zwischenzeit überhaupt nichts. Somit wärmten wir uns noch einige Momente unter den Traversen, ehe wir schließlich die Plätze in Reihe Eins von Block G der Nordtribüne bezogen. Richtig starke Plätze auf Höhe der Grasnarbe – geht auch nur hier!
Ein wahrer Traum derweilen das Stadion selbst, benannt nach dem nahen Stadtteil als auch dem benachbarten Bahnhof, das als All-Seater Platz für 20.899 Zuschauer bietet und seit 1899 als Heimspielstätte des Portsmouth FC dient. Einzigartig ist dabei nicht die Lage in der Innenstadt, denn solche Gegebenheiten findet man glücklicherweise in England noch häufiger vor, sondern die Tatsache, dass ein Großteil von Portsmouth und somit eben auch das Stadion auf Portsea Island errichtet wurde. Somit handelt es sich um den einzigen, professionellen Spielort des Landes, der nicht auf dem Festland Großbritanniens liegt. Und auch die Bude selbst machte einen grandiosen Eindruck auf uns und versprühte ab der ersten Sekunde den Flair, für den man immer wieder gerne auf die Insel reist. Vier ungleiche Tribünen, allesamt ganz nah am Spielfeld.
Toll der Blick auf die Gegenüberliegende Haupttribüne, den South Stand, der mit Giebeldach samt verzierter Uhr von ganz alten Zeiten berichtete. Abenteuerlich die dreifach geknickte Dachkonstruktion unserer Nordtribüne, die mit weitem Abstand die größte Kapazität des Fratton Parks in sich vereint. Klein dagegen das Milton End, komplett mit Safe-Standing ausgestattet und traditioneller Standort der Gästefans, während das zuletzt erneuerte Fratton End doch deutlich moderner wirkt. Ulkig hier die zehn Safe-Standing Reihen am oberen Ende über die gesamte Breite. Da hätte es der mittlere Block alleine auch getan.
Traditionsreiche Traversen also, die in den Jahren seit Gründung des Clubs 1898 schon viele große Stunden erlebten. Von den 1920ern bis in die 50er gehörten die Blau-Weißen durchgehend der obersten Spielklasse an, gewannen 1939 den Pokal sowie 1949 und 1950 zwei Jahre in Folge die Meisterschaft. Anschließend verschwand der Club für viele Jahre aus den oberen Etagen, sackte zwischenzeitlich bis in die vierte Spielklasse ab und feierte erst 2003 eine länger anhaltende Rückkehr ins englische Oberhaus. 2008 konnte zum zweiten Mal der FA-Cup gewonnen werden, ehe der erneute Absturz bis in die vierte Liga folgte. Ab 2017 erholte sich Pompey in der dritten Liga und feierte schließlich im Sommer 2024 die Rückkehr in die Championship. So die Kurzfassung der Historie, über die auch ganze Abhandlungen im Netz zu finden sind. Wie üblich bietet das englischsprachige Wikipedia alleine schon Lesestoff für einige Nächte zu sämtlichen Clubs der 92 und darüber hinaus. Wer also Interesse hat – ihr wisst Bescheid!
Nicht unerwähnt lassen möchte ich jedoch ein paar Worte zum berühmtesten Schlachtruf der Hausherren, der auch am heutigen Abend seine Kreise durch die Bude zog. „Play up Pompey, Pompey Play up“ hallt es auf die Melodie des berühmten Glockenspiels von Westminster bereits seit den frühen 1890er Jahren aus den Kehlen der Fans des später aufgelösten Royal Artillery Portsmouth FC, ehe es eben jene Anhänger aufgrund der gewünschten Professionalisierung des englischen Fussballs zum neu gegründeten Portsmouth FC zog, die den Gesang als auch den Spitznamen „Pompey“, dessen Herkunft bis Heute ungeklärt ist, mitnahmen. Denn neben der alten Spielstätte des Amateurvereins thronte das Rathaus, dessen Glockenturm eben jene Melodie im üblichen, viertelstündlichen Takt abspielte. Daran orientierten sich auch die Unparteiischen, um die Spiele pünktlich um 16.00 Uhr zu beenden. Entsprechend stimmten die Fans ins Glockenspiel mit ein und einer der ältesten Gesänge mit Fußball-Bezug war geboren.
Auch heute schallt die Melodie äußerst häufig, meistens jedoch bei Standards sowie knapp vor An- oder Abpfiff über die Traversen des Fratton Parks, der sich auch diesen Abend in vielen Teilen äußerst sangesfreudig zeigte. Viel der typischen Chants wurden angestimmt und dann auch meist vom kompletten Stadion getragen, wie üblich aber nie mehr als eine Runde. Stehend wurde der Kick vom Milton und Fratton End aus verfolgt, von wo aus auch die meisten Lieder auf die anderen Bereiche überschwappten. Insgesamt tatsächlich eine gute Atmosphäre hier, was für ein Heimpublikum nicht allzu üblich ist. Seit dem wirklich sehr guten Auftritt von Southampton gegen Coventry im April diesen Jahres mit Sicherheit auf dem persönlichen Treppchen in der Kategorie Heimstimmung auf der Insel.
Auf Seiten der Gäste aus Norwich, im Übrigen bewaffnet mit einer Trommel, waren die ersten 20 Minuten durchaus überzeugend, da beinahe beständig Liedgut gen Nachthimmel getragen wurde. Danach baute der Haufen, der zudem nie die ganz große Lautstärke erreichte, aber zusehends ab und war folglich nur noch sporadisch zu Gange. Typisch, mag man schon fast sagen. Sportlich trafen zwei unterschiedliche Welten aufeinander: Portsmouth als Aufsteiger ganz unten, während sich Norwich in Sprungweite zu den Playoff-Plätzen befand. Doch auf dem Rasen dominierten die Hausherren in einem nicht wirklich hochkarätigem Spiel, das nach knapp 100 Minuten ohne Tore zu Ende ging. Der englische Fußball mag zwar qualitativ einer der Besten sein, unterhaltsam ist aber definitiv anders.
So endete auch schon ein netter Abend in einem tollen Stadion samt guter Heimstimmung in einer Auslass-Situation, die jedem heimischen Planer auf direktem Wege zur fristlosen Kündigung verhelfen würde. Geschiebe, Gedränge und zwei große Besucherströme, die auf einen Trichter namens Ausgang zuflossen. Wohl auch noch ein Relikt aus Zeiten vor Heysel und Hillsborough… Nach gut fünf Minuten stapften wir wieder auf die Straße, nahmen einen Bus per Tap and Go zurück zum Hafen, lösten den Mietwagen für ein kleines Vermögen aus dem Parkhaus (15€ für nen halben Tag) und tourten schließlich über die leere Autobahn zurück gen Southampton. Schickes Stadion, Heimpublikum über, Gäste und Spiel dagegen genau in den Erwartungen. Guter Start in die Woche, allerdings sollte es die stimmungsvollste Partie bleiben.