29.09.2024
7. Spieltag 2. Bundesliga
Hertha BSC - SV Elversberg
Olympiastadion
Endergebnis: 1:4 (0:2)
Zuschauer: 43.123 (300 Gäste)
Ticket: 17,60€
Fotoalbum
Ausgesprochen leise rattern die Räder unseres grünen Flixtrains über niedersächsische Gleise. Gegenüber breitet sich ein Typ mit Hajduk Split Jogger quer über den Gang aus, hinter uns sorgt die bescheidene Netzabdeckung für ein jähes Ende eines viel zu lauten Telefonats. Ruhe, die am Ende eines solchen Tages, nein, eines solchen Wochenendes dringend notwendig scheint. Denn irgendwie muss der vollgestopfte und unter Alkoholeinfluss irgendwie funktionierende Kopf auch nur ansatzweise mit diesen zwei kranken Tagen klarkommen. Samstag früh sich noch fast auf dem heimischen Sofa verbleibend gesehen, setzte es am Nachmittag fünf Buden im Cottbuser Stadion der Freundschaft, ehe der Abend zunächst bei bestem Köpenicker Döner und später auf ein paar Pullen im Hotelzimmer endete.
Sonntagmorgen stand bereits das Grinsen im Gesicht, noch bevor das eigene Bewusstsein reinkickte. Geil, wir spielen heut wieder im Olympiastadion! Auch beim zweiten Mal ein unfassbares Gefühl, in diesem Tempel des deutschen Fußballs aufzulaufen, von dem man sich im blau-weißen Berlin nur allzu gerne verabschieden würde. Doch die größte Herausforderung war überhaupt den Spielort nach mäßigem Hotelfrühstück zu erreichen. Denn nicht nur die S-Bahn von unserem Hotel in Schönefeld blieb aufgrund einer Baustelle in ihrem Depot, auch die Straßen waren aufgrund des Marathons entweder gesperrt oder vollgestopft. Übrigens DAS Event, welches die Pläne so einiger Gästefans im Vorfeld verhagelte. Denn schon direkt nach Bekanntgabe der Ansetzung im Sommer riefen die meisten Hotels utopische Preise auf, was die Fahrt für etliche junge und auch für viele eingefleischte Fans schlicht nicht erschwinglich machte. Pech auf der einen Seite, aber warum setzt man die Partie gerade auf den gleichen Zeitpunkt eines der größten Sportevents in der Hauptstadt?
Da liefen sie nun über eine Brücke direkt vor uns, während wir uns durch die Blechlawine der A100 langsam gen Westen arbeiteten. Sollen sie machen, wir schauen lieber Anderen beim Rennen zu. Und auch nur dann, wenn eine Kugel mit im Spiel ist! Nach einiger Zeit erblickten wir das Monument aus grauem Marmor endlich vor uns, parkten das Gefährt etwas abseits (Danke an Kev nochmal für die letzten beiden Tage!) und stapften gen Südtor, wo einige wenige, bekannte Nasen bereits warteten. Hier noch ein Pläuschen mit einem Bekannten aus DD, da noch eine Runde mit den Exilanten, die derzeit in der Hauptstadt ihre Brötchen verdienen. Schön wars im Gästeblock, wenn auch äußerst übersichtlich. Knappe 300 insgesamt, davon aber auch noch etliche aus dem Umland. Eigentlich beschämend und ein klarer Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr, als noch deutlich über 600 der deftigen Niederlage beiwohnten.
Angeflaggt wurde vom kleinen Haufen im oberen Bereich trotzdem, auch wenn die Umlandfans nicht mal ansatzweise Interesse zeigten, sich irgendwo dazu zu stellen. Richtig mieser Block. Darunter litt auch der Support, der über den Begriff sporadisch niemals hinweg kommen sollte. Ein paar Lieder hier und da, garniert mit lauten Schlachtrufen ins weite Rund, das auch beim persönlich dritten Besuch insgesamt weiterhin Eindruck machte. Positiv war wenigstens der konstante Fahneneinsatz, viel mehr aber auch nicht. Hatte ein wenig was von früher, als nur 15-20 Leute durch den Südwesten tourten und ihr Ding durchzogen. Entsprechend für Heute das Beste draus gemacht, aber definitiv kein Anspruch für die zweite Liga, auch nicht in Elversberg.
Stark dagegen erneut die Ostkurve, angefangen bei der unfassbar geilen Schalparade des gesamten Stadions zu Frank Zanders Hymne bis hin zu den großflächig verteilten Schwenkfahnen über Ober- und Unterrang. Ein richtig schönes Bild in dichtem Blau und Weiß, was die Herthaner über volle neunzig Minuten, gänzlich losgelöst vom Spielverlauf, da zauberten. Und auch auf die Ohren gab es die volle Lautstärke im ersten Durchgang, ehe das Geschehen auf dem Rasen der Kurve etwas den Stecker zog. “Ich bin wieder hier, in meinem Revier…” hallte aus den Kehlen der Szene, als den Freunden aus Karlsruhe, die Opfer eines beispiellosen Schauprozesses wurden, Solidarität bekundet wurde, während in großen Lettern “Durchsuchungswahnsinn statt Verhältnismässigkeit – Karlsruher Türen sind kein Adventskalender! – Schaujustiz beenden!” ein Spruchband zierte. Weitere Spruchbänder wurden zusätzlich den Freunden aus Genua („Fuori Ultras Genoa dalle galere!“ – Holt die Ultras Genua aus dem Knast) sowie internen Themen wie der Verabschiedung eines altgedienten Spielers gewidmet.
Viel mehr kann ich zu Stimmung und Kurven eigentlich gar nicht schreiben, denn die eigenen Jungs auf dem Rasen fesselten dermaßen, dass kaum ein Moment verging, ohne dass sich die SVE in feinster Manier in den gegnerischen Strafraum kombinierte. Früh zeigte der Unparteiische auf den Punkt, ehe Sahin zur Führung in der 4. Spielminute vollendete. Geil, setzen wir die Berliner im Vergleich zum Dezember mal mehr unter Druck? Oder war es das und man fängt sich wieder fünf Buden? Beides nicht, denn Elversberg dominierte fortan das Geschehen, erspielte sich Chance um Chance und ließ die Abwehr der Herthaner in Einzelteilen zurück. Ein klasse Lupfer von Schnelly sorgte für die Zwei-Tore-Führung vor der Pause, ehe Damar nach Wiederanpfiff den dritten Treffer beisteuerte. War ist denn hier los? Kein Vergleich zum fahrigen Kick gegen Ulm, der die Befürchtungen vor einer erneuten Klatsche überhaupt erst aufkommen ließ.
Da sorgte noch nicht einmal der zwischenzeitliche Anschluss der Hausherren für Sorgenfalten auf der Stirn, denn beeindruckt zeigten sich die eigenen Jungs davon keineswegs. Das Spiel kannte weiterhin nur eine Richtung, sodass Sahin durch einen erneuten Strafstoß den alten Abstand wieder herstellte. Danach stellte die SVE auf Verwalten um, ließ Hertha aber nicht mehr zurück ins Spiel kommen. Neunzig plus fünf Minuten waren schließlich vorbei, der letzte Pfiff ertönte und der zweite Saisonsieg schlussendlich in trockenen Tüchern. Was für eine bockstarke Vorstellung der Kicker im Dress der SVE! Leistung gezeigt und sich endlich auch mit Toren belohnt. Hut ab, das war richtig stark! Laut wurde es nochmal kurz zur Feier, während sich das restliche Stadion in Windeseile leerte. Lediglich die Ostkurve blieb in großen Teilen auf ihren Plätzen, wobei sich die Reaktionen zwischen lauten Pfiffen und zaghaftem Applaus nicht wirklich eins waren. Anspruch und Wirklichkeit – das alte Lied.
Irgendwo detonierte ein Böller, ehe sich die große Schüssel so langsam wieder in ein einheitliches Grau verwandelte. Früh in der Saison, aber so richtig glücklich scheint man in der Hauptstadt nicht zu sein… Für uns ging es derweilen wieder nach draußen und ab zur S-Bahn, die uns in kurzer Zeit bis an den Spandauer Bahnhof transportierte. Dort noch eine fixe Runde im goldenen M gedreht, ehe wir zurück zum Anfang der Geschichte springen. In den Flixtrain, der uns am Vortag noch dermaßen sauer am Frankfurter Südbahnhof stehen ließ, heute aber seine Arbeit in aller Ruhe vollbringt. So ruhig, das eigentlich nur ein Wort in diese Atmosphäre passt: Auswärtssieg!