30.06.2024
21. Spieltag J1 League
Cerezo Osaka - Nagoya Grampus
Sakura Stadium
Endergebnis: 2:1 (1:0)
Zuschauer: 16.400 (ca. 2.000 Gäste)
Ticket: 4.200¥ (~24,50€)
Fotoalbum
Die Klimaanlage in unserem kleinen Hotelzimmer in Otorii ratterte noch immer fröhlich, als die Augenlider am Sonntagvormittag mit unverhoffter Leichtigkeit nach oben schnellten. Ausgeschlafen, zum ersten Mal seit drei Tagen mal länger als vier Stunden. Ein herrliches Gefühl! Somit energiegeladen aufgestanden, fix die drei Sachen zurück in die Koffer geworfen und das hoteleigene Frühstück verköstigt, was sich als kleine Bentobox samt aufgebrühtem Kaffee offenbarte. Futter ganz ordentlich, doch in Sachen Kaffee blieb der erste Eindruck bis zum letzten Tag des Trips bestehen: Können sie hier weniger. Sei dem Land aber verziehen, da kulinarisch bei so ziemlich allen anderen Dingen die Maximalpunktzahl eingeheimst werden kann – nicht zuletzt Grund unserer Reise.
Wenig später fanden wir uns im Hotelshuttle wieder, der uns binnen Minuten erneut zum Flughafen Haneda kutschierte, dieses Mal jedoch zum T2 für nationale Flugverbindungen mit ANA. Meisterleistung in Sachen Effektivität ist hier tatsächlich noch eine Untertreibung, denn der vom Flughafen empfohlene Plan schaut so aus: 20 Minuten vor Abflug Koffer an einem der unzähligen, automatischen Schalter abgeben, danach binnen einer Minute durch die Kontrollen und 10 Minuten vor Abflug am Gate stehen. Und da war anscheinend noch ordentlich Puffer mit eingerechnet, brauchten wir von Kofferabgabe bis zum Gate doch lediglich fünf Minuten. Kam mein an Frankfurt gewöhnter Schädel einfach nicht drauf klar. Zeit hatten wir also mehr als genug (über eine Stunde) und futterten erstmal eine gute und bezahlbare Portion Udon, ehe eine bereitstehende 777 für die Kurzstrecke nach Osaka-Itami bestiegen wurde. Ein riesiger Bomber für die Distanz, mit deutlich mehr Plätzen als der Flieger ab Frankfurt.
Los war am frühen Sonntag auf der im halbstündigen Rhythmus (durch ANA und JAL) existierenden Verbindung aber nicht, sodass wir mit ordentlich Platz ausgestattet einen kleinen Blick auf den Fuji zu erhaschen versuchten. Klappte aufgrund des Wetters zwar weniger, dafür nahmen wir bereits die Kansai-Region aus der Vogelperspektive ins Visier, ehe der blau-weiße Vogel zur tiefen Landung auf den Stadtflughafen ansetzte. Die Koffer kamen schnell und die kurze Wege bis zur Monorail fielen ebenfalls nicht wirklich ins Gewicht, sodass wir kurze Zeit später in der gebuchten Unterkunft nahe dem Zentrum um Shinsaibashi eintrafen. HolidayInn Express, macht man in der Regel wenig mit falsch und Frühstück gab’s obendrauf. Für die nächsten zwei Nächte also unsere Bleibe, die zunächst mit dem wuchtigen Reisegepäck dekoriert wurde, ehe wir im Nahen Viertel auf Nahrungssuche gingen.
Fündig wurden wir in einem typischen Laden mit Barhockern an der Theke, wo uns fürstliche Portionen an Reis- und Eigerichten aufgetischt wurden. Letzten Happen runter, dann zurück in die Metro (in Osaka steht man übrigens auf der rechten Seite einer Rolltreppe, als Abgrenzung zum verhassten Tokyo) und eine halbe Stunde später am Nagai Park aufgelaufen. Einer der vielen, großen Parks der Stadt mit gleichzeitig hoher Konzentration an Fußballstadien. Denn neben dem heutigen Stadion, dem Sakura Stadium (oder auch Nagai Ball Field) steht hier in direkter Nachbarschaft mit dem großen Nagai Stadium ein WM-Spielort von 2002 sowie in dessen Schatten mit dem Yanmar Field ein weiteres, großes Rund, das sicherlich in der Zukunft mal einen Besuch rechtfertigen würde.
Mit nicht allzu viel Zeit auf der Uhr ging’s für uns schnurstracks zur Gegengeraden des heutigen Spielortes, an dem fix ein Schal in die Sammlung wanderte und wir wenige Augenblicke später durch die Kontrollen schreiten konnten. Also Ticketkontrollen, alles andere ist hier ja egal. Mit ordentlicher Lautstärke vernahmen wir bereits die beiden Kurven, die sich während der Aufwärmphase der Spieler warm sangen, während wir unsere recht mittig gelegenen Plätze nur mit viel Mühe finden konnten. Bisschen verwirrende Beschilderung und wenn, dann nur auf japanisch. Klappte am Ende aber wie üblich, sodass die Augenpaare durch den schicken Kasten wanderten. Die Haupttribüne erstrahlte dabei in neuem Glanz, ebenso die doppelstöckige Tribüne der Hausherren, während unsere Gegengerade schon ein paar Jahre auf dem Buckel gehabt haben dürfte. Daher war auch von Überdachung nicht viel zu sprechen, reichte dieses doch lediglich über die oberen zehn Sitzreihen, sodass die Blicke dann doch etwas Banger auf den dunklen Abendhimmel schielten.
Noch schlechter wären lediglich die Gäste auf der einzig nicht überdachten Tribüne dran gewesen, doch bis auf ein paar Tropfen blieb es glücklicherweise trocken. Wohl auch für die Greenkeeper überraschend, die mit Feuerwehrschläuchen den Rasen von Hand bewässerten. Für eine Sprinkleranlage hatte es beim jüngsten Umbau vor drei Jahren wohl nicht mehr gereicht… Als auffällig dürfte sonst noch die Farbwahl der 24.481 Sitze, ach was, des gesamten Clubs zu nennen sein. Nennt mal einen anderen pinken Club im internationalen Profigeschäft – bis auf das Rosa aus Palermo und den Messi-Club aus Miami fällt mir da nix ein.
Als Inspiration diente die Blüte des Kirschbaumes, gleichzeitig der offizielle Baum der Stadt Osaka, deren Farbe man nicht nur ins Wappen integrierte, sondern auch gleich in den Vereinsnamen. Cerezo ist nämlich der spanische Name des Kirschbaumes, der seit der Neugründung 1993 im Zuge der Professionalisierung des japanischen Fußballs den Namen des Clubs zierte. Viel Glück brachte das zwar nicht, denn die erfolgreichste Zeit des 1957 gegründeten Werksvereins „Yanmar Diesel Football Club“ (Hersteller von Traktoren und Landmaschinen) war einige Jahre zuvor in den 70ern zu verorten. Drei Pokalsiege und vier Meisterschaften konnten die Pink-Blauen als Werksmannschaft erringen, ehe just zur Einführung der Profiligen der Abstieg aus dem Oberhaus erfolgte. Folglich spielte der Club aus dem Süden Osakas bei Gründung der J League keine Rolle und der Platz ging an den nördlichen Verein Gamba, der Osaka als Gänze repräsentieren sollte. Die Geburtsstunde des Osaka Derbys.
Bereits ein Jahr später, 1994, kickte Cerezo wieder im Oberhaus, doch Titel holte der Club für lange Jahre keine mehr. Schlimmer noch: Aus insgesamt sechs Finalteilnahmen im Pokal sprang kein einziger Titel heraus, was den Kirschblüten das nationale Image des ewigen Zweiten verlieh. Erst 2017 war der Bann gebrochen, als Cerezo als frischer Aufsteiger sowohl den League Cup als auch den Kaiserpokal gewinnen konnte, ehe 2021 und 2022 erneut silberne Medaillen nach Hause geholt wurden. Gefeiert wird in dieser Saison übrigens lediglich der 30. Geburtstag des Clubs, auch wenn man sich gleichzeitig die Titel als Werksmannschaft aufs Trikot schreibt. Mindestens genauso gewöhnungsbedürftig wie die vorherrschende Farbe im Stadion, aber was soll’s – denn wenn ein pinker Club irgendwo reinpasst, dann ja wohl in Japan!
Und tatsächlich wussten die Tifosi auf der Nord nicht nur in Sachen Lautstärke zu überzeugen, sondern ebenso in der Optik. Etliche Zaunfahnen zierten die Zäune an vorderster Front, zwischen den beiden Rängen als auch unterm Dach, wo mit dem Fetzen der „Real Osaka Ultras 1994“ nicht nur das größte Stück Stoff, sondern gemeinsam mit der benachbarten „Osaka City Football Club“-Fahne eine Anspielung auf den unbeliebten, Blau-Schwarzen Derbygegner aus dem Norden hängt, der seine Spiele seit jeher in Suita, technisch gesehen also außerhalb Osakas, austrägt. Nicht der einzige Fingerzeig, der eigentlich wahre Club der Stadt zu sein, zieren doch auch ein paar der zahlreichen Schwenker und Doppelhalter ähnliche Motive. Insgesamt eine top Optik der Kurve, die sich abermals bis zum letzten Platz über die volle Distanz aktiv zeigte.
Und das bereits während sich die eigenen Spieler aufwärmten. Da wird nicht nur eine gute Portion des üblichen Gesangsrepertoires ausgepackt, sondern gleich jedem der anwesenden Akteure das extra für ihn gedichtete Lied gesungen. Bei manchen, offensichtlich noch neuen Spielern war’s der übliche Klatschrhythmus samt Ruf des Namens, während für einige der Lieblinge mal „Tequila“ zelebriert wurde, mal gänzlich unbekannte Melodien für eine oder zwei Runden über den Rasen schallten. Schon beeindruckend, wie sehr der japanische Personenkult auch im Fußball seine Bahnen zieht. Nachdem sich die Kicker in die Kabine verabschiedeten, folgte das finale Einklatschen der Kurve sowie eine dichte Schalparade, ehe wenig später eine große Blockfahne in Form eines Schals den Unterrang bedeckte.
„For the top of dreams“ war darauf zu lesen, flankiert von zwei Logos. Drüber und drunter stand auch noch etwas, doch der starke Wind und die etwas zu großzügige Abmessungen in Länge und Breite beließen den restlichen Text für uns im Verborgenen. Trotzdem ein nettes Bild, ehe die Kurve in den lauten und guten Spielsupport startete. Wie erwähnt mit Mitmachquote am oberen Anschlag waren vor allem die Klatscheinlagen ein absoluter Hingucker, während die mittig im Oberrang positionierte Hauptgruppe augenscheinlich keinerlei Mühen in der Koordination hatte. Da bedurfte es keinerlei Ansagen welches Lied als nächstes kommt, das doch mal mehr Leute in den Randbereichen die Klappe aufmachen sollen oder sonstige Scharmützel, wie man sie aus der Heimat kennt. Zwei Trommelschläge und die ganze Kurve wusste, was zu tun war.
In Sachen Liedauswahl schlussfolgerten wir aufgrund der gespannten Bänder einen südamerikanischen Einfluss, fanden uns aber fix in Europa wieder. Sei es „Wouldn’t it be good“ (auch bekannt durch Zwickau), das aus Magdeburg bekannte „Ganz Deutschland steht in deinem Schatten FCM“ oder auch sämtliche andere „Allez“/„Olé“-Gesänge, die man in unseren Breitengraden rauf und runter singt, allerdings jeweils nochmal mit eigener Note abgewandelt und hier und da mit synchronen Armbewegungen versehen. Zudem generell viel Bewegung durch das fast schon unaufhörliche Springen während des gesamten Spiels. Auf die Ausdauer bin ich echt neidisch. Das war insgesamt schon eine mehr als ordentliche Geschichte, die der pink-blaue Anhang hier aufs Parkett zauberte.
Doch auch die Gäste aus dem nicht allzu weit entfernten Nagoya, auch als Toyota-Stadt bekannt, fluteten in anständiger Anzahl die Gästesektoren und tauchten den Hintertorbereich in ihre rot-gelben Farben. Auch hier ein optisch richtig starkes Bild aus unzähligen Schwenkern sowie einigen Doppelhaltern im Zentrum voller Mentalita’ Ultras, nicht nur nach italienischem Vorbild, sondern gleich in italienischer Sprache. Manch einer sieht in der Kurve der Rosso Giallo unter der Führung der Ultras Nagoya (UN) gar eine Kopie der Roma, an der man sich augenscheinlich etwas detaillierter orientierte. Heraus kamen dadurch etliche, starke Zaunfahnen als auch eine entsprechende Auswahl an Melodien (unter anderem „Avanti ragazzi di buda“), die in ähnlich schneller Geschwindigkeit wie auf dem Stiefel voller Gestiken gen Spielfeld getragen wurden.
Zudem suchte man hier die typischen Vertikalschwenker an vorderster Front vergebens, denn sämtliches Material wehte über den gesamten Block verteilt in der Luft. Die ganz große Lautstärke konnte aufgrund des fehlenden Daches zwar nicht erreicht werden, besser gefallen haben uns die Gäste zumindest anfangs dennoch. Da waren auch trotz des zerfahrenen Spiels regelmäßig richtig gute Momente dabei, ehe die Hausherren spätestens im zweiten Durchgang die Nase vorne behielten. In Sachen Atmosphäre auf alle Fälle nochmal etwas mehr, als wir im Vorfeld erwarteten.
Sportlich war die Geschichte im ersten Durchgang magere Kost, sodass die Blicke hauptsächlich in die Kurven, aber auch mit leichten Fragezeichen auf die etlichen Mädels schwappten, die im Minutentakt durch die Gänge wanderten und Bier verkauften. Im Vergleich zur Heimat sind es hier tatsächlich junge Models, die mit eigentlich dafür fehlender Statur mit Fass auf dem Rücken ihre Chance wittern, für einen begehrten Job als Idol entdeckt zu werden. Bei den Temperaturen bewegten die sich zumindest in Teilen mehr als die Kicker auf dem Platz. Das 1:0 aus spitzem Winkel markierte irgendwann die Führung für Cerezo, die im zweiten Durchgang direkt ausgebaut werden konnte. Ein Strahl zum 2:1 durch die Gäste ließ die Geschichte dann doch in einer ansehnlichen Schlussphase münden, an dessen Ende die Punkte aber verdientermaßen in Osaka blieben.
Startschuss für eine wirklich lange Siegesfeier, eingeleitet durch unzählige kleine Leuchtstäbe des Publikums, die die Tribünen in ein helles Pink färbten. Unter den Klängen des Vereinssongs drehten die Kicker ihre Runde, ehe binnen eines Moments sämtliche Lichter im Stadion erloschen und lediglich eben diese Leuchtstäbe im Rhythmus der Lieder der Kurve das Stadion erhellten. Machte schon was her in dem Moment, auch wenn ich es anfangs belächelte. Besser als die üblichen Handylichter allemal. Nach der Stadionrunde wurde nicht nur der Spieler des Spiels gekürt, sondern dieser auch gleich live interviewt (samt Simultan-Übersetzer Japanisch-Brasilianisch), was sich hier genauso wie die restliche Feier beinahe das gesamte Stadion gab. Da verließ nahezu keiner auch nur 20 Minuten nach(!) Schlusspfiff seinen Platz, geschweige denn vorher. Da war es uns beinahe unangenehm, irgendwann uns einen Weg nach Draußen zu erkämpfen, um den hungrigen Mägen eine Chance auf eine Portion Nahrung zu geben.
Diese fanden wir wenig später im Distrikt Namba, genauer gesagt im Viertel Dotonbori, das für seine unzähligen Lichter und aufwendig gestalteten Fassaden der Restaurants bekannt ist. Hier steppt vor allem abends und nachts der Bär, was uns die Möglichkeit auf ein paar Snacks wie die bekannten Takoyaki einbrachte. Zwar auch sehr touristisch hier, aber den Glico-Mann muss man gesehen haben, wenn man schonmal hier am Kanal ist. Nach einer weiteren, kurzen Runde führte der letzte Weg des erneut sehr langen Tages in die frischen Hotelfedern.
Nach den ersten beiden mehr als anstrengenden Tagen waren wir gar nicht mal so traurig darüber, dass die folgenden fünf ohne Spielbesuch auskommen mussten. So hatten wir mehr als genug Zeit, den geplanten Themen Sightseeing, Shopping und Kulinarik nachzugehen, die immerhin Hauptmotivatoren für die Reise ins Land der aufgehenden Sonne markierten. Da sind die eingeplanten Spielbesuche sowieso nur willkommenes aber nicht unbedingt notwendiges Beiwerk. Entsprechend wurde der verregnete und dennoch unglaublich schwüle Montag primär in Malls in Umeda unweit des Hauptbahnhofs verbracht, mal kurz die andere Seite des Yodo-Flusses samt Skyline-Blick begutachtet und dabei die überall vorhandenen Getränkeautomaten als Lebensretter gekürt, ehe sich den kulinarischen Aushängeschildern der Region, mittags Okonomiyaki und abends Yakiniku, gewidmet wurde. Japanisches Wagyu-Rind auf dem Grill und einen Umeshu on the Rocks im Glas – besser kann es nicht werden.
Am Dienstag hieß es erneut Koffer packen und dem viel zu lauten Treiben unseres Hotel-Frühstücksbuffets zu entfliehen und in ruhigere Gefilde aufzubrechen. Denn pausenlos im Großstadtdschungel versinken wollten wir in den gut zweieinhalb Wochen dann auch nicht. Daher ging’s via Umeda mittels JR nordostwärts erstmal nach Kyoto, wo die Koffer in einem Schließfach des beeindruckenden Bahnhofs einen unbeschwerten Platz fanden und wir ein erstes Mal ins Zentrum der alten Hauptstadt eintauchten. Der touristisch stark erschlossene Nishiki-Market schien beim weiterhin plätschernden Dauerregen wie gemacht für eine kurze Runde sowie eine phänomenale Portion Tsukemen. Wer mal in der Nähe ist, findet im „Mensho Takamatsu Shijo Shop“ ein wahres Prachtexemplar in Sachen Ramen!
Gesättigt wurde folglich die letzte Zugetappe in Angriff genommen, die uns schließlich nach Otogoonsen (Otsu, Shiga-Provinz) an den großen Biwako verfrachtete. Dort buchten wir uns im Vorfeld in ein schön, klassisches Onsen-Hotel ein, dessen Fahrdienst uns nach Benutzung des Stations-Telefons (auch ein Abenteuer mit limitierten Japanisch-Kenntnissen) wenig später einsammelte. Ausgestattet mit feinstem Seeblick und privatem Onsen auf dem Zimmerbalkon war das Credo nur noch eines: Relaxen so hart es geht. Duschen stilecht mit kleinem Holzeimer, dann den Körper bei 32 Grad Außentemperatur in 40 Grad heißes Wasser eintauchen. Nächste Mal dann wieder im Winter… Trotzdem zusammen mit dem abendlich aufgetischten Kaiseki wahrlich ein Genuss!
Auch der Mittwoch startete mit traditionellen Happen zum Frühstück, während wir uns für den Tag eine kleine Wanderung entlang des Biwakos vornahmen. Per JR ging es zunächst bis zur Haltestelle Omi-Takashima, von wo aus der Weg entlang einer leider stark befahrenen Straße sowie eines Strandes entlang des Sees führte. Nach einer guten halben Stunde erreichten wir den Shirahige Shrine, der für einen Torii, also einen dieser typischen, roten Holzbögen, auf dem See bekannt ist. Eine Runde hier verweilt und die Aussicht genossen, wenig später auf dem angrenzenden Rastplatz fabelhafte und eiskalte Soba vertilgt, ehe es auch schon wieder zurück ging. Ein alternativer Rückweg konnte aufgrund einer territorial recht besitzergreifenden Gang Paviane nicht beschritten werden, allerdings erblickten wir in den Kanälen der nahen Reisfelder tatsächlich ein paar wildlebende Wasserschildkröten. Danach ging’s mit dem Zug auch schon wieder zurück und für die zweite Tageshälfte aufs Zimmer, wo bei einigen vorher eingekauften Kaltgetränken der private Onsen vollends ausgenutzt wurde.
Donnerstag dann erneut Frühstück (in den traditionellen Buden übrigens fast ausnahmslos um 8.00 Uhr, also nix für Langschläfer), ehe abermals Kofferpacken und wenig später der Aufbruch von der Region angesagt war. Via JR ging es abermals nach Kyoto, wo unser Gepäck für den Tag bei zwei Freunden, die unsere Gruppe für die nächsten Wochen auf vier anwachsen ließen, erstmal unterkam. Tagesziel war der bekannte Bambus-Wald Arashiyama am Tenryu-ji, weshalb wir uns zunächst via JR auf den Weg nach Kameoka machten. Dort, weit draußen im Westen Kyotos steht übrigens auch die neue Bude von Sanga, weshalb Bahnhof, Briefkästen und Umgebung auch überall in lila-weißen Farben erstrahlten (also offiziell beklebt, nix mit Tags, Graffitis oder Sticker). Auch so ein Projekt für das nächste Mal in der hiesigen Region.
Wir nahmen unterdessen vom Haltepunkt Torokko Kameoka einen der unzähligen „Romantic Trains“ des Landes, sprich eine Art Ausflugszug, wobei dieser gänzlich ohne Außenverkleidung auskam. Mit Wind in den Haaren manövrierte uns die rote Diesellok über die malerische Strecke entlang des Flusses Katsura, ehe wir schließlich den wahrlich beeindruckenden Bambuswald erreichten. Klar, auch hier alles sehr touristisch erschlossen, allerdings auch den Besuch wert. Beeindruckend sind diese dünnen Riesen nämlich allemal. Mit der Tram ging es nachmittags zurück ins Zentrum sowie auf eine kleine Runde durch die engen Gassen entlang des Kamo-Flusses, ehe eine Portion Gyu-Katsu den kulinarischen Höhepunkt des Tages markierte. Tags drauf sollte es zwar wieder nach Kyoto gehen, doch unsere Unterkunft für die kommenden sechs Nächte buchten wir bereits weit im Vorfeld in Osaka, entsprechend war wieder Koffer abholen angesagt, ehe es mittels Hankyu-Line in den Osten der Großstadt ging. Im dortigen AirBnB der Marke FDS (Aura) bezogen wir eine geräumige Bude, die wir ohne Umschweife aufgrund der Lage, des Platzes und Preises wärmstens empfehlen können!
Stilecht startete der Freitag mit Frühstück aus dem nahen Konbini, ehe die bereits montags abgeholten Keihan-Pässe für eben diese, private Linie zum Einsatz kamen. Eine etwas günstigere Alternative für IC-Cards, zumindest wenn man an einem Tag ein wenig länger in den Zügen in Richtung Kyoto unterwegs ist. Also wieder in die geschichtsträchtige, alte Hauptstadt getourt und zunächst halt am orangenen Yasaka Shrine, einem der größten Schreine Japans, gemacht, dessen bewaldete Parkanlagen zumindest etwas Schatten boten. Ausgerechnet an dem Tag, an dem gut 20 Kilometer Fußmarsch anstanden, toastete uns die Sonne von Oben mit Temperaturen jenseits der eigenen Körpertemperatur. Ein hoch auf die Getränkeautomaten an jeder Ecke, die für weniger als einen Euro eiskalte Flaschen Wasser, oder noch besser, Pocari Sweat ausspuckten.
Die brauchten wir auch für den Anstieg zum bekannten Kiyomizu-dera mit seinem hölzernen Balkon, der mit einem Ausblick über gesamt Kyoto aufwartet. Und natürlich für die Chawanzanka, der Teapot Lande, der gefühlt von Touris vollgestopftesten Gasse Japans. Gehörten wir ja auch dazu, doch vor allem die lauten Gruppen nervten irgendwann abartig. So schön wie Kyoto anmutet, so überlaufen präsentierte es sich uns doch an diesen Tagen. Selbst die etwas versteckten Tempel wie der malerische Hokan-ji mit seiner weltberühmten Yasaka Pagode war überschwemmt. Raubte ehrlicherweise etwas den Spaß am freudigen Erkunden, wenn man sich überall nur noch durchschieben kann.
Besser wurde es erst bei dem Wahrzeichen, was zumindest meine Wenigkeit wie kein Zweites mit Kyoto verbindet: Dem auf einem Berg gelegenen Tempel Fushimi Inari-Taisha, auf dessen Anstieg tausende der roten Torii durch Spenden errichtet wurden und dadurch die bekannten Tunnel formen. Anfangs noch vollkommen überlaufen, lichtete sich die Besucherschar mit wachsendem Anstieg immer mehr, ehe wir uns schließlich in einem ruhigen Moment alleine in diesem Wald aus Bäumen und Torii wiederfanden. Mein Highlight des Tages und gemeinsam mit dem Arashiyama die schönsten Gegenden, die wir hier erkunden durften. Irgendwann gaben die Beine aber langsam nach, sodass wir uns der Abendbeschäftigung frühzeitig widmeten.
Zum Ausgleich des Elektrolyt-Haushalts kehrten wir folglich im Kyoto Beer Lab ein, wo nicht nur einige ausgezeichnete Brauerzeugnisse die aufgestaute Hitze ablöschten, sondern auch eine hervorragende Portion Karaage vertilgt wurde. Doppelter Daumen nach oben für den Laden, der tatsächlich auch Major Tom in der Playlist hatte. War ja zu der Zeit der Renner während der parallelen Heim-EM. Abgekühlt ging es schließlich wieder zur nächstbesten Haltestelle der Keihan-Line und zurück nach Osaka-Namba, wo erneut ein Kura für die Vollendung des Abends beehrt wurde. Ich mag den Laden einfach! Schließlich endete die erste Woche mit der Erkenntnis, in zweieinhalb Tagen Kyoto noch nicht mal die Hälfte der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des historischen Zentrums unter Augenschein genommen zu haben. Gründe also mehr als genug, neben dem Pflichtbesuch bei Sanga hier nochmal aufzuschlagen!