Testspiel: Belgien – Luxemburg

08.06.2024
Testspiel
Belgien - Luxemburg
Stade Roi Baudouin
Endergebnis: 3:0 (1:0)
Zuschauer: 35.287 (ca. 500 Gäste)
Ticket: 30€
Fotoalbum

Nach einigen entspannten Tagen folgte der finale Saisonabschluss mit der größten Bude Belgiens, auf die wir uns bereits seit der Buchung im April freuten. Dafür ging dann zwar der Hopper-Auflauf in Riesa flöten, aber was soll’s, bin ehrlicherweise kein allzu großer Freund solcher Veranstaltungen. Geplant wurde, neben dem Länderspiel der Belgier gegen den Nachbarn Luxemburg, auch gleich ein ganzes Wochenende in Brüssel, entsprechend wanderten sowohl Zugtickets als auch eine Hotelübernachtung nahe des Nordbahnhofs in den Warenkorb. Vor allem die Anfahrt per Zug machte bei lediglich drei Stunden auf der Direktverbindung ab Frankfurt durchaus Sinn, während so die recht komplizierten Genehmigungen der Umweltzone für das eigene Gefährt umgangen werden konnten.

Entsprechend ging es am Samstagvormittag ab zum Frankfurter Hauptbahnhof und hinein in den ICE, wo sich das Thema drei Stunden aber selbstredend schnell erledigte. Ein defekter Zug auf der Strecke, dann eine Streckensperrung, ein zu voller Zug der wegen Überfüllung nicht losfahren durfte (als ob) und belegte Gleise in Köln klatschten mal eben eine weitere Stunde obendrauf. Man kennts in diesem Jahr zu genüge… Somit spät in Brüssel-Nord eingetrudelt, erwischte uns am Ausgang der richtig derbe Eindruck der belgischen Hauptstadt außerhalb des touristischen Zentrums: Frankfurter Bahnhofsviertel hoch zehn. Zum Glück war es nicht allzu weit zum Hotel, das entsprechend der Gegend über stets verschlossene Türen verfügte. Einladend…

Das Zimmer war dafür top und sorgte für einige Momente der Entspannung, ehe uns die hungrigen Mägen auf den Weg zum Spielort trugen. Per Metro ging es zunächst bis zur Station Stuyvenbergh, wo eine recht ordentliche Frituur inklusive dem heiß geliebten Mexicano auf uns wartete, ehe wir per Pedes zum Expo-Gelände aus dem Jahre 1958 schritten. Größtes Aushängeschild dieser ist wohl auch das Wahrzeichen Brüssels schlechthin, das Atomium, einem über 100 Meter hohen Koloss aus Stahl, der damals dem beginnenden Zeitalter der friedlichen Nutzung von atomarer Energie zur Stromerzeugung gewidmet wurde. Für mich ein wirklich eindrucksvolles Monument, das wir entsprechend dank sonnigem Wetter auch ein wenig auf uns wirken ließen, ehe es so langsam in Richtung Spielort ging.

Unsere Tribüne T4 fanden wir dabei im Norden samt eigenem Eingang, der allerdings nur mit doppelter Sicherheitskontrolle zu überwinden war. Nach der Kontrolle der Tickets folgte erst die übliche Ordnerkette, darauf dann aber eine weitere Abtastkontrolle durch die Staatsmacht. Die Ereignisse vom Spiel gegen Schweden sind leider noch nicht allzu lange her, entsprechend wirkten die Gestalten der Sicherheitsapparate auch einigermaßen stoisch und streng. Kurz darauf enterten wir den Block L des Oberrangs und erblickten zum ersten Mal das Stade Roi Baudouin zu unseren Füßen. Eine wirklich geile Schüssel, die sich hier vor uns auftat! Komplett doppelstöckig aufgebaut, will sich nur die Haupttribüne nicht so recht in die runde Form einfügen, während in den Lücken hin zu den beiden Kurven zwei gigantische Flutlichtmasten ihren Platz finden. Der Farbverlauf von Weiß zu Dunkelgrau im All-Seater wirkt ebenso stimmig, während die 50.093 Plätze das nach dem alten König Baudouin benannte Stadion zum mit Abstand Größten in Belgien machen. Ein richtig schönes Stadion!

Ebenso ein geschichtsträchtiger Ort, wurden doch im 1930 eröffneten Rund mitunter Partien der EM 2000 als auch zahlreiche Endspiele der Europapokale ausgetragen. Aber auch ein Ort der Trauer und des Leids aufgrund der Geschehnisse vom 29. Mai 1985, an dem im Finale des Europapokals der Landesmeister die große Tragödie im damals noch unter dem Namen „Heysel“ bekannten Stadion geschah. Ein absolut marodes Stadion, korrupte Kartenvergabe und fehlende Sicherheitsvorkehrungen führten zu einem Blocksturm des Anhangs von Liverpool in einen eigentlich neutralen Bereich, der allerdings nahezu komplett von Fans von Juventus Turin vereinnahmt wurde, die im Vorfeld Steine und Fackeln mit den Liverpooler Fans austauschten. Der dünne Trennzaun war durch die Engländer schnell überwunden, die dadurch eine Massenpanik unter den Italienern auslösten, die wiederum gegen eine Mauer drückten und diese zum Einsturz brachten. 39 Menschen verloren ihr Leben, 600 wurden verletzt.

Dabei waren die Mängel am Stadion im Vorfeld bekannt und selbst die Kontrolle durch die UEFA am Vortag bescheinigte dem Austragungsort ein eigentlich klares „Durchgefallen“. Doch schon damals regierte beim Verband die reine Gier nach Geld, während die Absprache zwischen den Sicherheitsbehörden nicht stattfand. Auch am Tag der Katastrophe konnte von der Staatsmacht aufgrund leerer Batterien in den Funkgeräten nicht reagiert werden. Besonders perfide: Trotz dieser Tragödie wurde das Spiel mit knapp 90 Minuten Verspätung angepfiffen und bis zum Schluss durchgezogen. Es sollte das vorerst letzte Spiel einer englischen Mannschaft im internationalen Geschäft bleiben, denn die Konsequenzen waren entsprechend drastisch. Alle Clubs von der Insel wurden für fünf Jahre ausgeschlossen, Liverpool selbst gar für sechs. Zusätzlich wurde die Kartenvergabe für internationale Begegnungen eingeschränkt und, auch aufgrund der Hillsborough-Katastrophe vier Jahre später, zukünftig lediglich Sitzplätze zugelassen.

Das Brüsseler Stadion hingegen wurde in der Folge kaum noch für Fussball genutzt, ab 1994 nahezu neugebaut und ein Jahr später unter dem heutigen Namen neu eröffnet. An die Opfer von damals erinnern eine Gedenktafel als auch weitere Skulpturen im angrenzenden Park, während lediglich die Metro-Station den alten Namen Heysel noch trägt. Puh, wie schaffe ich da nur den Schwenk hin zu unserer heutigen Begegnung? Friedlich beschreibt die wahrgenommene Atmosphäre zum Abendspiel wohl am Besten, waren doch hauptsächlich Familien mit unfassbar vielen Kids auf den Traversen unterwegs. Und das auch gar nicht mal so leise, abgesehen und vielen nervigen Tröten. Denn die belgische Kurve wirkte in einigen Zügen gar strukturiert sowie mittels Trommel und wechselnden Vorsängern einigermaßen koordiniert. Vor allem zu Beginn wurde es ab und an mal laut, wobei sich der Support auf einige Schlachtrufe als auch bekannte Melodien ohne Text konzentrierte. Insgesamt nix Besonderes, allerdings mit die beste Länderspielstimmung, die ich bisher erleben durfte. Soll in dem Zusammenhang ja auch leider was heißen.

Auf der Gegenseite reisten gut 500 Gäste zum kürzesten, möglichen Auswärtsspiel aus Luxemburg an und formten einen motivierten Haufen, der schon etwas mehr an eine organisierte Fanszene erinnerte. Hinter einer großen und einigen kleinen Zaunfahnen war der Mob stets in Bewegung, zeigte eine schicke Schalparade, Klatscheinlagen und teilte für manche Gesänge auch mal den Haufen in der Mitte. Die kleine Pyroeinlage aus zwei Fackeln zu Beginn des zweiten Durchgangs war da noch das Sahnehäubchen eines insgesamt starken Auftritts des Anhangs aus dem Großherzogtum. Sportlich war das Schaulaufen vor der EM nur von minderem Unterhaltungswert und endete mit einem niemals gefährdeten 3:0 für Belgien. Doppeltorschütze übrigens Lukaku, so viel fürs Protokoll. Nach Schlusspfiff ging’s zur nur übersichtlich genutzten Metrostation und tatsächlich direkt mit der ersten Bahn zurück ins Zentrum. Vorbildliche Orga, muss man auch mal erwähnen! Nach einem schnellen Bissen Fastfood endete der Abend schließlich mit der Übertragung der Klänge von Green Day vom Ring in der Kiste.

Sonntag stand noch ein wenig Sightseeing auf dem Programm, gaben wir uns zuvor doch lediglich ein Mal in Brüssel die Ehre, lugten damals aber nur durch Innenstadt und Anderlecht. Bei bestem Wetter ging’s daher erstmal fix vor den Touri-Massen zum historischen und wunderschönen Grand Place, ehe wir in einem nahen Le Pain Quotidien zwecks Frühstück vorstellig wurden. Ich mag den Laden einfach! Danach ging’s zunächst in den östlichen Parc du Cinquantenaire, ehe wir in Richtung EU-Zentrum samt bekanntem Sitz der europäischen Kommission stapften. Kennt man aus diversen TV-Beiträgen, nun schweifte auch mal das eigene Augenpaar über die bekannte Fassade. Weiter ging’s zum Parc de Bruxelles samt königlichem Palast, wobei der Park an sich bei strahlendem Sonnenschein Platz zum Verweilen bot.

Hier gibt’s weitere Bilder!

Im Vergleich zum Vortag ein gänzlich anderes Bild, das die belgische Hauptstadt hier von sich preisgab. Man darf Brüssel eben nicht nur auf die fiesen, angrenzenden Viertel außerhalb der Spielstätten reduzieren. Schließlich ging’s mit bestem Blick auf die Altstadt wieder hinab in selbige, wo im Moeder Lambic Fontainas vorzügliche Kaltgetränke verköstigt wurden. Allein schon wegen der immensen Bierkultur haben wir eine große schwäche für das schöne Land im Westen! Am späten Nachmittag folgte dann noch die letzte Stärkung, ehe der Kram im Hotel abgeholt und schließlich der Nordbahnhof wieder erreicht wurde. Dank „Verspätung aus vorheriger Fahrt“ konnten die gelben Wände der Bahnhofsanlage eine halbe Stunde länger als geplant betrachtet werden, ehe uns das weiße Geschoss der Bahn via Lüttich und Köln tatsächlich in den versprochenen drei Stunden zurück ins Rhein-Main-Gebiet verfrachtete. Tolle Stadt, schönes Stadion und stets ein volles Glas in der Hand – Belgien wie wir es lieben!