2. Bundesliga: FC St. Pauli – SV Elversberg

14.04.2024
29. Spieltag 2. Bundesliga
FC St. Pauli - SV Elversberg
Millerntor-Stadion
Endergebnis: 3:4 (1:0)
Zuschauer: 29.546 (1.000 Gäste)
Ticket: 14€
Fotoalbum

Nicht nur für die SVE ging es am Wochenende zum ersten Mal ans Millerntor. Auch für uns markierte der Auftritt bei St. Pauli ein Novum, der darüber hinaus zur Komplettierung des Unterhauses noch fehlte. Entsprechend banden wir den erneuten Trip in die Hansestadt gleich wieder in ein langes Wochenende ein, flankiert vom vorherigen Aufenthalt auf der Insel. Der Plan stand früh, lediglich das Thema Tickets blieb lange offen. Zum Glück gerade rechtzeitig wanderten die Einlassberechtigungen in den digitalen Warenkorb, ehe das viel zu knapp bemessene Kontingent bereits vergriffen war. Fehleinschätzung des eigenen Vereins auf der einen Seite, dazu direkt ein freier Verkauf statt Mitglieder zuerst. Fehler, aus denen man in der Zwischenzeit zum Glück lernte. Dass dennoch einige treue Fans leer ausgingen ist und bleibt schlichtweg schade, auch wenn der Verein nochmal ein kleines Kontingent freischalten konnte.

Für uns startete das Wochenende bereits am Freitagmorgen um drei Uhr in der früh im Norden Southamptons. Tief die Augenringe, leicht das Gepäck, hungrig die Mägen – also das typische Gefühl einer Auswärtsfahrt! Gut neunzig Minuten dunkler Landstraßen später, der gesperrten Autobahn sei dank, erreichten wir Gatwick, parkten das Gefährt und ließen bei Pret im Terminal viel zu viele Pfund für den üblichen Fraß, den man außerhalb des Flughafens für weniger als die Hälfte bekommt. Immerhin bei den Flügen wurde ordentlich gespart, ging es doch via easyJet direkt nach Hamburg. Neben unseren vier Nasen war der Durchschnittsbesucher am Freitagmorgen männlich, Anfang dreißig, Teil eines JGAs und hatte mindestens drei Pints intus. Kein Wunder, dass die Bierration an Bord auf halber Strecke bereits restlos vergriffen war.

Gut eine Stunde Pub-Atmosphäre später erreichten wir Hamburger Boden und fuhren geradewegs in Richtung Unterkunft am Dammtor. Selbstredend viel zu früh, doch immerhin die Rucksäcke fanden eine geeignete Abstellkammer. Der Rest des Freitags als auch der komplette Samstag wurde gemütlich mit der Familie in der Hansestadt verbracht. Neben dem schönen Park Planten un Bloomen wurde das komplette Programm abgerissen: Jungfernstieg und Binnenalster, Landungsbrücken samt Hafenrundfahrt, Speicherstadt, Rathaus, Reeperbahn, Fischbrötchen. Alles bei bestem Wetter und absolut entspannt. Muss auch mal sein, als auf Biegen und Brechen einen Kreisligakick am Stadtrand zu beehren.

Mindestens genauso entspannt war der Sonntagmorgen, der nach erfolgreichem Check-Out noch genügend Zeit für ein ausgiebiges Franzbrötchen-Frühstück ließ, ehe die kurze Anreise zum Millerntor in Angriff genommen wurde. Sowohl in der U-Bahn als auch am Gästeeingang waren bereits unzählige Anhänger der Saarländer präsent und ließen die anfänglichen Befürchtungen, es hier mit vielen Heimfans im Gästeblock zu tun zu haben, schnell verstummen. Fix ging es schließlich in den Gästeblock um endlich einen Blick in die noch verwaiste Bude zu bekommen. Ein wirklich schickes Stadion, eng am Spielfeld und mitten im Wohngebiet. Hat ein bisschen was von England und allein wegen der Lage hierzulande einen gewissen Seltenheitswert. Lediglich die Stehränge der Südkurve wirken in echt nochmal deutlich kleiner als auf Bildern oder im TV. Da hätten es ein paar mehr Stufen auch getan, oder eben gleich wie auf der massiven Gegengeraden. Denn so eine Kurve wie der Gästeblock im Grünwalder macht optisch nur bedingt was her.

Die Bude füllte sich, wie üblich, im weiteren Verlauf bis auf den letzten Platz, bevor noch vor dem Einlaufen der Mannschaften dem kurz zuvor verstorbenen Kiste, einem Mitglied von USP, in einer Schweigeminute gedacht wurde. Große Teile des Stadions reckten die Schals zu „You’ll never walk alone“ in die Höhe, während inmitten der Süd eine einzelne Fackel einer der Kreativadern der Szene gedachte. „Kiste für immer – Ultras sterben nie“ prangte dazu auf großen Lettern am Zaun. Wenig später hüllte eine gigantische Blockfahne die gesamte Süd in ein tiefes Schwarz, ehe wenig später unzählige Spruchbänder ihm gedachten. Dazu prangte ein besprühter Wholetrain an vorderster Front, während auch in sämtlichen anderen Teilen des Stadions Tapeten insbesondere seinem Wirken im Stadtbild gedachten. Auch im Gästeblock wurde mittels Spruchband Anteilnahme ausgedrückt.

Nach den bewegenden Momenten stieg die Südkurve in den Spielsupport ein, der insbesondere am Anfang weite Teile des Stadions mitnahm. Gerade Schlachtrufe und die eher einfachen Gassenhauer wurden von den verschiedenen Stimmungszentren gut mitgetragen, während auch das optische Tifo der Süd beständig in der Luft kreiste. Auch der Zaun sah zumindest etwas besser aus als beim Auswärtsspiel an der Linde. Allerdings bleibe ich weiterhin kein Fan von einem solchen Fetzen-Chaos. Ist vielleicht auch nur der persönliche Ordnungsdrang, allerdings kann ich mit einem dichten Zaun voller gleich großer Zaunfahnen wie in Magdeburg oder generell Polen deutlich mehr anfangen als hiermit. Akustisch vernahm man die Südkurve allerdings nicht wirklich beständig, dafür waren die kreativen Parts entweder zu leise oder der Gästeblock schlicht zu laut.

Und vor allem Letzteres hätte ich in einem solchen Ausmaß niemals für möglich gehalten. Genau 1.000 Gäste säumten den verkleinerten Block und machten sich das erste Mal mittels Schalparade bei der im Stadion abgespielten, eigenen Hymne bemerkbar. Danach folgte bereits zu Beginn ein sehr guter Auftritt, der zu Klatscheinlagen und Schlachtrufen schonmal den ganzen Block mitnahm. Auch sonst waren Beteiligung als auch Lautstärke um Welten besser als beim Gastspiel im Volkspark wenige Wochen zuvor. Lange gehaltene Lieder und ein gutes Timing der Gesänge taten ihr übriges zum stimmungsvollen ersten Durchgang bei, ehe sich der Gästeblock in Halbzeit Zwei und insbesondere in der letzten halben Stunde in ein grandioses Tollhaus verwandelte. Wechselgesänge zwischen Ober- und Unterrang sowie maximale Ekstase gegen Ende lassen den Auftritt prägend in Erinnerung bleiben. Definitiv in den Top 3 der Saison!

Aber auch nicht verwunderlich, beim mit Abstand besten Spiel der SVE in diesem Jahr, wenn nicht sogar in der gesamten Spielzeit. Ab Beginn in Sachen Chancen überlegen, rächte sich das liegen lassen dieser noch vor der Pause mit dem 1:0 für Braun-Weiß. Mal wieder Eckball, mal wieder die alte Leier, so die Gedanken in der Halbzeit. Doch Elversberg spielte endlich wieder Fussball und entdeckte das Konterspiel für sich. Bereits wenige Minuten nach Wiederanpfiff setzte Neubauer die Kugel gezielt an den Innenpfosten und glich verdient aus. Doch Pauli blieb offensivstark und unterstrich mit dem 2:1 in der 69. seine Aufstiegs- und Meisterambitionen. Der kurz zuvor getätigte Dreifachwechsel von Horst Steffen schien somit gleich nach hinten losgegangen zu sein – denkste!

Im direkten Gegenzug landete ein langer Ball von Jacobsen direkt vor Boyamba, der sehenswert zum 2:2 traf. Und nun ging richtig die Post ab. Pauli offensiv, doch Elversberg spielte den perfekten Konterfussball. Zuerst Wanner, dann Vandermersch drehten binnen zwei Minuten die Partie auf ein 2:4. Auf die völlige Ekstase folgte durch das 3:4 in der 93. nochmal eine gehörige Zitterpartie, doch Kristof entschärfte auch die letzten Situationen. Schlusspfiff, Auswärtssieg! Die Gefühlswelt pendelte zwischen purer Freude und Ungläubigkeit, der Puls war sicherlich jenseits irgendwelcher Grenzwerte. Alles egal, denn die wohl wichtigsten drei Punkte der aktuellen Saison waren in trockenen Tüchern. Ein Sieg des Willens und der Mentalität, sich eben nicht trotz Rückstand beim Tabellenführer einfach zu ergeben.

All das, was die Mannschaft in den letzten Wochen vermissen ließ, schien plötzlich wieder zu 100% zu funktionieren. Grenzenlos schien der Jubel im Gästeblock bei der Feier mit der Mannschaft, die mit den unerwarteten drei Punkten einen mächtigen Schritt in Richtung Klassenverbleib hinlegte und gleichzeitig St. Pauli die erste Heimniederlage zufügte. Ausgerechnet Elversberg, ausrechnet mein Verein. Unfassbar, einfach geil! Lange hallten die Elversberger Lieder über den Rasen, ehe sich die Meute selbst im Inneren der Tribüne am Bierstand den Frust der letzten Wochen von der Kehle sang. Ein magischer Moment, der sich Minute für Minute, Sekunde um Sekunde ins Gedächtnis einbrannte.

Aber auch jeder Augenblick der Freude hat irgendwann ein Ende, denn die Uhr erinnerte an den baldigen Aufbruch in Richtung Hauptbahnhof. Leider ließen Bauarbeiten die ursprüngliche Verbindung nach Frankfurt platzen, weshalb letztlich auf einen ICE zweieinhalb Stunden vorher umgesattelt werden musste. Und das bei gleicher Ankunftszeit. Gibt besseres am Sonntagabend. Somit fix ins Hotel und Rucksäcke einsammeln, dann ab zum Hauptbahnhof, frisches Futter eintüten und wenig später gen Süden aufgebrochen.

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Klappte bis hinter Kassel auch alles ganz ordentlich, ehe sich ein Reh dazu entschied, sein Leben als Salami unter dem Zug zu beenden. Die aufmunternden Worte des Bahnbegleiters, der verlauten ließ, dass sich der Lokführer mal vergewissern wolle, was er da überfahren hat und erst dann entscheidet, ob es weitergeht, sorgten beim Blick auf den eigenen Standort Mitten in der Prärie erstmal für lange Gesichter. Glücklicherweise waren es aber nur weitere dreißig Minuten, ehe uns das Gegenteil eines Schnellzuges nach über sechs (!) Stunden in Frankfurt absetzte. Doch selbst um kurz vor zwei beim Gang in die Federn war es weiterhin da: Das Grinsen bei den Gedanken an diesen Tag. Was für eine Auswärtsfahrt!