27.01.2024
19. Spieltag 2. Bundesliga
FC Hansa Rostock - SV Elversberg
Ostseestadion
Endergebnis: 2:1 (0:1)
Zuschauer: 24.000 (45 Gäste)
Ticket: 20€
Fotoalbum
Schon früh stand die Tour an die Ostsee unter keinem guten Stern. Weite Strecke und somit eine überschaubare Motivation in Elversberg in Sachen Mitfahrerzahl gepaart mit dem windigen Wetter im Januar sorgten nicht unbedingt für Jubelsprünge bei Bekanntgabe der Ansetzungen. Immerhin auf Samstag terminiert, wanderten somit Zugtickets samt Hotelaufenthalt in Berlin in den Warenkorb, ehe das Chaos mit Ankündigung des unnötigen Bahnstreiks so richtig losging. Kommen wir wenigstens noch nach Berlin? Dann ginge ja ab dort mit Mietwagen. Der flog nach weniger als 24 Stunden aber auch wieder aus der Planung, da es zwar von Frankfurt nach Berlin am Freitag geklappt hätte, Samstagabends aber nicht mehr zurück. Also einfach alles storniert und die 1.500 Kilometer auf die eigene Karre geladen. Welche Gewerkschaft zahlt mir eigentlich die Kosten?
Die Krampfadern hielten somit die halbe Woche, ehe Freitagnachmittag der Laptop zugeklappt und pünktlich zum Frankfurter Feierabendverkehr die gut sechs Stunden bis Berlin durchgeballert wurden. Der Verkehr hielt sich nach dem Rhein-Main-Gebiet zum Glück in Grenzen, sodass nach Check-in im Hotel nahe des Gesundbrunnens gar noch ein Bierchen drin war, ehe eine kurze Mütze Schlaf für den Samstag reichen musste. Das türkische Frühstück im Viertel am nächsten Morgen war reichhaltig und schmackhaft, ehe wir pünktlich die Pferde sattelten und erneut zweieinhalb Stunden der nördlichen Autobahnen der Republik begutachten durften.
Rostock erreichten wir schließlich neunzig Minuten vor Anpfiff und fuhren am augenscheinlich verschlossenen Gästeparkplatz vor. Klappte hier aber wie in einem schäbigen Nachtclub: Der Türsteher – äh, Ordner fragte nach dem Passwort („wollt ihr zum Gästeblock?“) und öffnete erst daraufhin die schweren Tore. Wenige Minute später das gleiche Schauspiel, nur mit einer Einheit der Bereitschaft, die mit der Bewachung des Elversberger Gästeblocks wohl das Glückslos des Wochenendes zog. Die Staatsmacht übernahm auch gleich die Einweisung auf dem übersichtlichen Parkplatz direkt vor den Toren des Gästeblocks und machte fortan einen Ruhigen. Wir freuten uns dagegen über die gefühlte VIP-Behandlung wie schon in Aue und Magdeburg. Hat auch was Gutes, hier mit Elversberg aufzufahren.
Die happigen Tickets für den Steher für 20€(!) in den Scanner gehalten, enterten wir wenig später den großen Gästeblock und begutachteten die Vielzahl der Tags und Graffitis der heimischen Szene, die hier augenscheinlich nach jedem Spiel sämtliche Hinweise auf andere Vereine penibel entfernt und Wände und Toiletten mit gastfreundlichen Slogans neu tapeziert. Hat Stil und steckt auch sicherlich viel Arbeit drin. Schön zudem eindrucksvollen Flutlichter, die erfreulicherweise als Überbleibsel des alten Runds erhalten blieben. Sonst hat das Ostseestadion mit seinen 26.500 nutzbaren Plätzen so einige Besonderheiten, wie die lediglich drei kleinen Stehblöcke in den Kurven, was etwas entfernt an Mannheim erinnert. Sonst eine Bude aus einem Guss, die durch ihre recht hohe Bauweise einen guten Blick aufs Spielfeld ermöglicht.
Die Traversen füllten sich in der Folge trotz der sportlich angespannten Situation der Hanseaten eindrucksvoll, während die Verpflegung im Gästeblock mit einem schmackhaften Fischbrötchen auftrumpfte. Somit war alles angerichtet zum persönlich ersten Besuch im Wohnzimmer der Kogge samt Blick auf die Heimspielstimmung der Rostocker, die man immerhin vier Mal zuvor auswärts erleben durfte. Was gleich auffällt: Hansa gehört zur handvoll Szenen in Deutschland mit zwei Kurven. Zum einen wäre da die bekannte Südtribüne, die direkt neben dem Gästeblock den absoluten Großteil der Szene vereint. Hier dirigieren die sagenumwobenen Suptras eine wirklich bockstarke Kurve, die in Sachen Geschlossenheit und Sangeskraft an diesem Nachmittag komplett ablieferte.
Zum anderen findet sich in Block 9 und 9A ein weiteres Stimmungszentrum auf der gegenüberliegenden Seite, das ebenfalls eine quantitativ starke Masse hinter sich weis und ebenso eine beeindruckende Mitmachquote an den Tag legte. Warum beide Seiten ihr eigenes Ding durchziehen und losgelöst voneinander Gesänge anstimmen statt zusammen eine Einheit zu bilden, wissen die beiden Parteien wohl nur selbst. Doch selbst in dieser Form war der Nachmittag in Sachen Stimmung, nach dem erneut zwölfminütigen Protest gegen die DFL-Investorenentscheidung, grandios.
Dichte Schalparaden des gesamten Stadions vor Spielbeginn, mit voller Inbrunst vorgetragene Vereinslieder sowie das bekannte „Dem Morgengrauen entgegen“ direkt nach Beendigung des Boykotts auf der Süd, das den benachbarten Gästeblock beben ließ. Das fetzte und war schlichtweg beeindruckend. So sehr, dass man sich neben der Kurve kaum noch untereinander verständigen konnte. Absolute Geschlossenheit auf der Süd als auch in den 9er Blöcken, dazu keinerlei Schwenkfahnen oder sonstige Akzente, sondern einfach Lautstärke pur. Teils wirklich surreal, und das gegen Elversberg. Nicht auszumalen, wie die Bude hier in einem Derby gegen einen der vielen verhassten Gegner abdreht.
Dem hatte die sehr übersichtliche Zahl Elversberger selbstredend rein gar nichts entgegenzusetzen. Der Bahnstreik ließ dann doch mehr Leute als geplant von der weiten Anreise absehen, sodass die vorhandene Meute nach dem DFL-Protest lediglich sporadische Schlachtrufe und vereinzelte Gesänge von sich gab, insbesondere in den seltenen Momenten der Stille in der Bude. Irgendwann machte man sich einen Spaß draus, nutzte die lauten Trommelrhythmen der Süd für die eigenen Lieder und fühlte sich gewissermaßen an die alten Regio Südwest Zeiten erinnert, als es im tiefen Baden-Württemberg auch nicht mehr als 40 Mannen waren. Feste feiern wie sie fallen, aber auch solche Nachmittage erhobenen Hauptes durchziehen. Realistisch bleiben und sich einfach über die Leute freuen, die das gesamte Wochenende für die schwarz-weißen Farben opfern. Und auch mal den Vergleich zum Dezember 2013 ziehen, als die SVE zuletzt im Ostseestadion auflief – vor damals original 0 Gästen.
Ähnlich wie zu Drittligazeiten taten sich die Saarländer auch an diesem Samstag schwer, erstmals gegen die Kogge irgendwelche Punkte mitzunehmen. Schwacher Start, dann langsam in die zähe Partie gekämpft, ehe Schnelly vor der Pause das unverhoffte 0:1 per Kopf in die Maschen nagelte. Pause, Freude, geht hier was? Aber nix da. Aus der Drangphase der SVE entsprangen zwar Chancen ohne Ende, doch das Tor machte schließlich Rostock auf der anderen Seite. Unglückliche Momente mit dem sonst guten Unparteiischen prägten anschließend die Schlussphase, in der Jäkel bei einem Abwehrversuch Fuß- mit Volleyball vertauschte und sich den roten Karton abholte. 92. Minute, Tor für Rostock. The same procedure as last year? Yep, Hinspiel reloaded. Wiedermal vergibt Elversberg einen besseren Auftritt und lässt Hansa in der Nachspielzeit jubeln. Einfach nur bitter.
Sorgen bereitet zudem die generelle Leistung der Abwehr, die durch den Wegfall von Jäkel auch in den nächsten Wochen einiges aushalten muss. Es ist zwar noch ganz früh in der Rückrunde, doch die derzeitige Schwächephase muss irgendwie beendet werden, zumal die Niederlagen gegen die direkten Konkurrenten im Abstiegskampf besonders schmerzen. So unser Wort zum Sonntag, ehe es im Anschluss spaßige sieben Stunden auf den Heimweg ging.