Football League Two: Stockport County FC – Colchester United FC

18.11.2023
18. Spieltag Football League Two
Stockport County FC - Colchester United FC
Edgeley Park
Endergebnis: 2:0 (1:0)
Zuschauer: 9.664 (263 Gäste)
Ticket: 22£
Fotoalbum

Die Schuhe waren nach dem Schlammfest namens Saturday Morning League gerade getrocknet, da ging es mit gut gefüllten Bäuchen auch schon weiter in Sachen Fussball. Unterm Strich natürlich das Hauptspiel der Tour, wenn auch der vorherige Kick überhaupt den Grund der Reise nach Manchester stellte. Aber ein weiteres Kreuzchen für die legendären 92 sollte auch noch aus dem Arm geschüttelt werden, was sich auch in England bei Länderspielpausen als nicht so einfach erweist. Die ersten beiden Ligen pausieren sowieso, die League One aufgrund zahlreicher Abstellungen bis auf ein, zwei Partien faktisch auch. Lediglich auf die League Two ist größtenteils verlass, sodass mit Stockport County gleich ein Besuch beim derzeitigen Ligaprimus eingebucht wurde.

Die Tickets gingen entsprechend schon zwei Wochen zuvor über die digitale Ladentheke, melden die „Hatters“ doch gerne „Sold-out“, zumindest in den überdachten Stadionbereichen. Somit herrschte ordentliche Vorfreude auf die fast volle Bude und gewisse Erwartungen an eine frenetische Atmosphäre keimten auch auf. Immerhin ist der Erfolgsfaktor, den die Engländer für ihre Gesänge als Gegeben ansehen, seit etlichen Wochen vorhanden. Mit den hässlichen E-Tickets in Händen stapften wir somit erwartungsvoll in Richtung Edgeley, einem Stadtteil Stockports, in dem die Heimspielstätte der Blau-Weißen bereits seit 1891 die Straßenzüge ziert. Herrliche Lage, direkt am Rand eines Wohngebietes und eingebettet in einen kleinen Park, stach vor allem die große Westtribüne direkt ins Auge, an deren Fuße ein Abstecher in den Fanshop leider erfolglos abgebrochen werden musste. Zu viel Euphorie, schlichtweg alles weg. Schon krass, was hier derzeit abgeht. Ist ja wie daheim!

Somit ging es leider ohne Schal durch den engen Eingang der benachbarten Haupttribüne, dem Danny Bergara Stand, hinein auf Selbigen und hin zu unseren Plätzen in der zweiten Reihe. Blickwinkel eher Grasnarbe statt Kopfhöhe der Spieler, aber gerade das macht den Fussball auf der Insel so attraktiv. So nah ran kommt man fast nirgendwo. Somit erschloss sich uns ebenso ein unverbaubarer Blick auf die alte Bude, die im Wandel der Zeit so einige Tribünenteile spendiert bekam. Blickfang weiterhin die gigantische Westtribüne, das Cheadle End, das gut die Hälfte der Gesamtkapazität von 10.842 fasst. Im Vergleich überragen diese Traversen bei Weitem alles andere und stellen mit Eröffnung 1995 den modernsten Teil des Stadions.

Die beiden Seitentribünen wirken da nicht nur deutlich kleiner, sondern zeigen auch stärkere Alterserscheinungen. Das löchrige Dach der Haupttribüne hätte wohl die gleiche Widerstandsfähigkeiten gegen Starkregen wie ein Sieb. Noch nasser wird es dann nur im Osten hinterm Tor, denn die dortige „Terrace“ verfügt zwar seit einigen Jahren über Sitze, allerdings sucht man ein Dach im Schatten der großen Anzeigetafel vergebens. Laut großangelegter Pläne soll sich dieser Zustand jedoch bald ändern, haben die Hutmacher, wie der Club aus dem historischen Zentrum der englischen Hutindustrie auch genannt wird, mit steigendem Erfolg diverse Umbaupläne für ihren Edgeley Park vorgelegt. Im Kurzen: Verdopplung der Kapazität auf 20.000 durch Erweiterungen und Neubau aller Seiten bis auf die Westtribüne. Somit sind die Tage der alten Traversen genauso gezählt wie die der Zugehörigkeit in die League Two, wenn County sportlich so weitermacht.

Dabei sah die jüngere Vergangenheit des seit 1883 bestehenden Clubs bei weitem nicht nach einer schnellen Rückkehr in die oberen Spielklassen aus. Generell war der SCFC lediglich in den Jahren nach der Gründung der Ligen im englischen Unterhaus präsent, während der Verein ab den 30ern bis in die Neunziger stets auf dritt- bis viertklassigem Niveau kickte. Erst ab 1997 folgten fünf Spielzeiten in der Zweitklassigkeit, ehe Stockport bis zum Jahr 2013 gar in die sechste Liga abstürzte. Es folgte die Übernahme des Clubs als auch des Stadions (um es vor dem anstehenden Abriss zu bewahren) durch einen lokalen Investor, folglich die Entschuldung sowie der steile Aufstieg, der in der Saison 21/22 mit der Rückkehr in die League Two ihren bisherigen Höhepunkt fand.

In der Premierensaison machten die Hatters mit dem vierten Rang gleich ihr Ticket für die Play-Offs klar, unterlagen im Finale allerdings denkbar knapp im Elfmeterschießen Carlisle United. Diese Saison will man anscheinend nichts anbrennen lassen und pflügt mit nunmehr elf Siegen in Folge durch die Liga. Die Euphorie geht auch am Anhang nicht vorbei, der die Traversen auch an diesem Samstagnachmittag nahezu komplett füllte. Lediglich auf der Terrace waren ein paar Plätze frei, was aber auch am nur wenig attraktiven Gegner – in sportlicher als auch geographischer Sicht – gelegen haben könnte. Die dennoch respektablen 263 Gäste aus dem im Südosten des Landes gelegenen Colchester traten während des Spiel kaum in Erscheinung und zeigten sich lediglich bei ihren wenigen Chancen aktiv.

Das komplette Gegenteil kann man vom oberen Teil der Westtribüne behaupten, wo sich ein kleiner, aktiver Haufen der Hausherren samt Trommel versammelte. Zahlenmäßig bestimmt über Hundert, im Kern schätzungsweise eher 20-30. Direkt dahinter prangte eine die gesamte Tribüne umfassende Zaunfahne mit der Aufschrift „The scarf my father wore“. Höchstwahrscheinlich Clubeigentum, machte optisch aber dennoch was her. Die Minuten vor dem Spiel nutzte der Haufen zum kontinuierlichen Einsingen, was vor allem zu Beginn erstmal so gar nicht nach England klang. Mehr waren es europäische Rhythmen und Melodien, die der Mob zelebrierte und jeweils über Minuten hinweg trug.

So gestalteten sich ebenfalls die folgenden neunzig Minuten, die man gut und gerne als Dauersupport bezeichnen kann. Da die übrigen 99% der Stadiongängern am Singsang wenig Interesse zeigten, war die Lautstärke entsprechend, doch eine solche Konstanz hab ich auf der Insel bei meiner noch recht überschaubaren Zahl besuchter Spiele bisher noch nicht erlebt. Die ganz typischen Chants erhielten selbstverständlich trotzdem Einzug, oftmals angestimmt von der Gegengeraden oder anderen Teilen des Cheadle Ends, ebbten aber nach maximal zwei Runden wieder ab. Unterm Strich mal wieder ein erschreckend passives Publikum mit kleinem Lichtblick auf der West.

Sportlich entwickelte sich das Duell zwischen dem Ligakrösus und dem 16. der tabellarischen Platzierung entsprechend, doch das Anrennen der Hausherren blieb lange ohne Erfolg. Erst je eine Bude knapp vor und knapp nach der Halbzeit (44. und 46.), entsprechend verpasst vom Großteil der Anwesenden, schnürten den zwölften Ligasieg in Folge für County. Bei der Leistung bleibt der Aufstieg in die League One wohl nur eine Frage der Zeit. Das Stadion feierte kurz zu den Klängen des Clubsongs, verabschiedete sich aber auch typisch fix von den Rängen und flutete die engen Straßen des angrenzenden Wohngebietes. Auch wir irrten ein wenig durch die dunklen Straßen auf der Suche nach unserer Mitfahrgelegenheit namens Familientaxi, mit dem es im Anschluss auf einen schmackhaften und feuchtfröhlichen Abend nach Chinatown ging. Bis auf den abartigen Verkehr in der Innenstadt ein sehr empfehlenswertes Plätzchen für Fans der asiatischen Küche.

Gefiel uns im Endeffekt so gut, dass es uns auch am verregneten Sonntag wieder hierhin verschlug. Dank des ganztägigen Wolkenbruchs verbrachten wir den Tag nahezu vollständig in Geschäften und Restaurants, wobei vor allem das Happy Valley HK Cafe als absolute Empfehlung heraussprang. Wer mal so richtig Bock auf kantonesische Küche hat und in Manchester verweilt, wird hier mit einem Juwel in Sachen Kochkunst belohnt! Sonst erblickten wir die von Hochhäusern durchzogene und äußerst autofreundlich gestaltete Stadt aus den Fenstern eines selbigen. Einladend sah anders aus, aber da spielte das Wetter sicherlich die größte Rolle. Hierhin wird es uns sowieso zwangsläufig erneut verschlagen, die 92 wollen bekanntlich alle besucht werden!

Hier gibt’s weitere Bilder!

Zeit für die Familie blieb dadurch ebenso genug, sodass wir am Montag mit entspannten und freien Köpfen den Rückflug vom ranzigen Manchester Airport antraten. Den Gammel, den man hier an T1 vorfindet, wünscht man sich in den meisten Stadien, allerdings nicht an einem Flughafen. Entsprechend erleichtert waren wir beim besteigen des Fliegers, ehe uns der Kranich mit üblicher Verspätung zurück nach Frankfurt brachte.