DFB-Pokal: SV Elversberg – Bayer Leverkusen

30.07.2022
1. Runde DFB-Pokal
SV Elversberg - Bayer Leverkusen
Waldstadion an der Kaiserlinde
Endergebnis: 4:3 (3:2)
Zuschauer: 7.414 (1.200 Gäste)
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Erste Runde DFB-Pokal, volle Hütte, Euphorie-Welle nach Auftaktsieg in Essen und sportlich attraktivster Gegner aller Zeiten. Es sollte eigentlich ein perfekter Tag bei strahlendem Sonnenschein werden, und doch war die eigene Vorfreude auf diesen Tag etwas getrübt. Grund war die angekündigte Abstinenz des Motors der Elversberger Kurve, der Horda Fanatica. Nicht jedoch aus Protest oder Ähnlichem, sondern aufgrund eines eigentlich ehrbaren Grundes: Der lange geplanten Hochzeit eines Gründungsmitglieds und Capos der Gruppe. So weit so normal, doch in Elversberg fehlt dann schlicht und ergreifend die einzige, wirklich nennenswerte Gruppe im C1. Auch wenn das Potential des Blocks seit Jahren und insbesondere seit dem furiosen Finale der Vorsaison nie dagewesene Ausmaße annahm, klappt ohne Koordination und Vorsänger für gewöhnlich wenig bis gar nichts.

Mit entsprechend niedriger Erwartungshaltung in Bezug auf Stimmung und neutraler Vorfreude aufs Sportliche (Was kann da schon groß passieren?) ging’s hinauf an die Linde, wo sich ziemlich fix lange Schlangen bildeten. Ein Eingang mit lediglich zwei Ticketkontrollen für den C1 sind bei diesen Spielen einfach zu wenig. Erfreulich hingegen der Auftritt des neuen Caterers, der mit guter Mannstärke und der erstmaligen Option des Zahlens per Karte die Getränkewünsche deutlich fixer Abarbeitete als diese Fleisch gewordene Schlaftabletten der vorherigen beiden Saisons. Nie wieder Grunder! Die Bude füllte sich in den geöffneten Bereichen mehr als ansehnlich, gut 7.500 Zuschauer sieht man in Anbetracht der letzten beiden Jahre gerne wieder!

Über die Stimmung auf der Heimseite aufgrund der Umstände wenig Berichtenswertes. Zaunfahne und Trommel hingen trotzdem, auch wenn Letztere aufgrund des fehlenden Taktgefühls der Anwesenden nur sporadisch zum Einsatz kam. Angestimmt wurde eher typisch britisch aus der Masse heraus, wobei das Elversberger Publikum dann doch einen guten Tag erwischte und ordentlich Bock auf Support hatte, Haupttribüne inklusive. Die Eigeninitiative auch ohne anwesenden Kern der Szene möchte ich ausdrücklich loben! Entgegen jeder Vorstellung ging das mit kompliziertem Text versehene „Allez Allez Allez“ mit am besten, während sonst die üblichen Gassenhauer in kurzen Runden wiederholt wurden. Etwas getrübt wurde die Geschichte aufgrund eines Notarzteinsatzes im Block im ersten Halbzeit. War aber auch mal wieder angenehmes Wetter heute! Selbstverständlich vom Spielverlauf beeinflusst ein dann doch ordentlicher Auftritt, der dennoch weniger im Gedächtnis bleiben wird.

Die etwa 1.200 angereisten Gäste aus Leverkusen eröffneten das Spiel mit einer kleinen Choreo unter dem Motto „Macht es nochmal – holt den Pokal“. Dazu gingen in der Mitte zwei Bayer-Löwen hoch, die den DFB-Pokal in die Höhe stemmten, während der Block mit roten Folien-Schals sowie einigen rot-schwarzen Schwenkern ein optisch geschlossenes Bild abgab. Zur folgenden Aktions-Minute des DFB passte das Leverkusener Spruchband wie die Faust aufs Auge: „1 Minute gegen Klimawandel? – Viel Spass bei 90 Min. Klimaanlage in Katar!“. Doppelmoral vom Feinsten mal wieder vom wehrten Verband, dem Heim- und Gästekurve ein entsprechendes Ständchen entgegenbrachten. Akustisch legten die Gäste hinter der großen „Forza Bayer“ Zaunfahne gut los, allerdings kam nach den ersten Minuten nicht mehr viel. Quote im Hintertorblock erkennbar hoch, aber laut ist irgendwie anders. Auch hier dürften die Gründe zwischen Spielverlauf, Hitze und fehlendem Gegenüber liegen. Zweite Hälfte nochmal etwas besser, insgesamt aber nur ein passabler Auftritt in meinen Augen. Da sah man Bayer im manch BuLi-Spielen schon deutlich aktiver und lauter.

Die wirkliche Überraschung geschah jedoch auf dem Rasen. Was dieses Team der SVE derzeit an Leistung und Leidenschaft zeigt ist fast schon unheimlich. Nach nicht einmal zwei Minuten legte Jannik Rochelt die Kugel zum ersten Mal in den Kasten und ließ den Elversberger Anhang ungläubig Jubeln. Die Freude hielt jedoch nur kurz, denn Torwart Kristof ließ drei Minuten später einen platzierten Schuss durch die eigenen Beine durch. Etwas unglücklich vom in Essen so gefeierten Schlussmann, kann aber mal passieren. Die ausgleichende Gerechtigkeit folgte wiederum zehn Minuten später. Rochelt wird im Strafraum hüfthoch abgeräumt – Elfmeter – Koffi – Tor! Was für ein begnadeter Kerl, der im jungen Alter von 36 die Form seines Lebens hat! Doch wieder kam Leverkusen zum Ausgleich und hielt die Erwartungshaltung im unteren Bereich. Was da an Qualität im Bundesligisten steckt, merkte man in solchen Spielzügen immer wieder.

Nach kurzer Behandlungspause für den Unparteiischen, der in einem Zweikampf unsanft von Hinten umgestoßen wurde, durfte wieder Elversberg jubeln. Koffi bereitete vor, Schnellbacher schließt ab – 3:2 zur Pause, unfassbar! Und Elversberg wollte mehr, war im zweiten Durchgang gar die bessere und spielbestimmende Mannschaft, die sich mit Passspielen über zehn Stationen bis zum gegnerischen Sechzehner kombinierte. Die Belohnung folgte in der 74. Minute. Nach einer Ecke stieg Kapitän Kevin Conrad am Höchsten und köpfte zum 4:2. Absolute Ekstase an der Linde, niemanden hielt es mehr auf den Sitzen. Kurz vor Schluss traf Leverkusen durch Patrik Schick zwar noch zum 4:3, doch es sollte für die SVE reichen. Sieg gegen einen Champions-League-Teilnehmer! Wahnsinn! Am Gästeblock kannten die Emotionen ebenfalls kein Halten mehr, während die Heimseite lautstark die eigenen Helden in Empfang nahm.

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Mal wieder ein kleines Stück Sportgeschichte, was dieses Team gerade schreibt. Eine große Portion Stolz erfüllte mich in diesem Moment, Stolz auf diesen nicht allzu kleinen Dorfverein, Stolz auf meine Heimat! Was hier wohl noch alles möglich ist? Jetzt gilt es aber noch mehr, wirklich standfest auf dem Boden zu bleiben. Diese Leistung weiterhin Woche für Woche abzurufen und keinen Gegner auch nur ansatzweise zu unterschätzen. Denn solch eine Euphorie kann auch schnell wieder weg sein. Den ganz großen Spaßverderber will man aber auch nicht mimen, also genießen und gespannt auf die Auslosung zur zweiten Runde freuen!