24.07.2022
1. Spieltag Eerste Klasse A
RSC Anderlecht - KV Oostende
Stade Constant Vanden Stock
Endergebnis: 2:0 (1:0)
Zuschauer: 19.000 (ca. 150 Gäste)
Fotoalbum
Das positive am Stadion-Hotel in St. Truiden war sicherlich die erholsame und lange Nacht, die man dank der fehlenden Weiterfahrt genießen konnte. Sonst begeisterte das Hotel eher semi und das Frühstück mied man bei Preisen von 17,50 pro Kopf schonmal ganz. Daher nach dem Aufstehen fix hinunter in den nahen Supermarkt und locker den gleichen Betrag in etwas Essbares samt Mitbringseln für’s heimische Kuchenregal investiert. Gibt aber auch einfach leckeres Zeug hier! Es folgte der Check-Out sowie die etwa einstündige Fahrt nach Brüssel. Zerbrach man sich im Vorfeld über das Thema stadionnaher Parkplatz noch den Kopf, fand man in der Vorwoche des Rätsels Lösung auf einigen einschlägigen Internetportalen. Sonntag kann man nahezu überall auf der Straße frei parken, man muss nur was finden. Und das Glück sollte mit uns sein, denn keine 200 Meter vor den Toren der Heimstätte des RSCA entfernt fand unser Gefährt ein schattiges Plätzchen in einer ganz nach England anmutenden Straße. Könntest auch durch Liverpool fahren, sieht genauso aus.
Den ursprünglichen Plan, die gut fünf Stunden bis Anpfiff rein in Anderlecht zu verbringen, verwarfen wir nach einer ersten, kurzen Runde. Bisschen wie eine Kreuzung aus Offenbach und dem Frankfurter Bahnhofsviertel, also sicherlich keine Gegend, in der man freiwillig so viel Zeit verbringt. Also gut 45 Minuten zu Fuß bis zum Bahnhof Midi und dort zuerst mit einem kühlen Humpen Hoegaarden gestärkt. Mit der gewonnenen Energie trotzten wir der Hitze und stapften in Richtung Altstadt, wo am Manneken Pis, dem für mich enttäuschensten aller jemals gesehenen Wahrzeichen, ein erster Stopp eingelegt wurde. So viel Aufwand für so einen kleinen Brunnen, naja. Der danach anschließende Grand-Place machte dies mit seinen eindrucksvollen Bauten wieder wett. Großen gefallen fand man an den engen Gassen und unzähligen Restaurants, die jedoch mit den immer gleichen und überteuerten Speisen um die Gunst der Touristen warben. Die Galerie Royales Saint-Hubert wurde ebenfalls noch durchschritten, dann meldeten sich die Mägen zwecks Nahrungsaufnahme.
Ein so richtig ansprechender Laden konnte auf die Stelle nicht gefunden werden, sodass wir mit der Brasserie Ommegang in eine der vielen Touri-Fallen tappten. Das Essen war zwar lecker und die Portionen reichhaltig groß, aber eben auch deutlich überteuert. Was soll’s, passiert eben mal. Da wir die ein oder andere Runde Bier über den ursprünglichen Zeitplan hinaus genossen, wurde es nichts mit kostenneutralem Fußweg zur Spielstätte. Also ab in die Metro und hier nochmal ein Ticket gezogen, um die gut sieben Stationen zurückzulegen. Erfreulicherweise ohne Maske, wusste gar nicht mehr wie sich das anfühlt.
Wenig später erreichten wir das am Morgen noch so verwaiste Stadionumfeld, was nun mit unzähligen in Lila-Weiß gekleideten Fanatikern aus allen Nähten zu platzen schien. Dennoch klappte der Einlass ohne jegliche Kontrollen(!) einwandfrei. Die Plätze in Block E13 des Oberrangs der Osttribüne fanden wir ebenso schnell, welche uns perfekte Sicht sowohl auf den ausgemachten Heim- als auch Gastbereich bescherten. Mit 40 Tacken recht happig für einen solchen Gegner und Platz für die Beine war auch vergleichbar mit alten englischen Buden wie dem Goodison, aber passt schon. Das Stadion selbst gefiel mit seiner engen Bauweise recht gut, auch wenn die große Wand zwischen Ober- und Unterrang etwas überdimensioniert daher kam. Dennoch schöne Farb-Kombination und generell ein würdiges Stadion für das eigene Jubiläum des 300. besuchten Fußballplatzes.
Mit dem RSC Anderlecht hatte man es ohnehin mit einem der größten Schwergewichte des belgischen Fußballs zu tun. Seit 1935 ununterbrochen in der höchsten Spielklasse unterwegs, mit derzeit 34 Titeln Rekordmeister, dazu zwei Mal Gewinner des Europapokals der Pokalsieger und einmal des UEFA-Pokals. Kein Wunder also, das gut 19.000 Zuschauer die Bude nahezu füllten. Etwas verwirrend war dabei für mich die Konstellation der verschiedenen Fangruppen, die sich erst nach und nach herauskristallisierten. Da wäre zum einen die Hauptgruppe „Mauves Army“ im Unterrang der Nord, die mit Abstand die meisten Sangeswilligen vereint. Direkt daneben auf den Sitzen erspähte man die Gruppe für körperliche Ertüchtigung, die hier und da in die Gesänge einstieg oder was eigenes trällerte. Im Oberrang der Kurve zwischen Nord und Ost schien der britisch angehauchte Haufen Casuals zu stehen, der entsprechendes Liedgut auf Englisch vortrug, wie auch oft von der Mauves Army zu hören.
Im Süden machen sich im Unterrang die „South Leaders“ mit einer kleineren Gruppe breit, die deutlich dem französischen Stil zugeordnet werden kann. Schräg darüber im Oberrang dann einige Leute hinter der „Purple Heart“-Fahne, die ebenfalls mit Trommel und Capo ausgestattet waren, aufgrund der sehr geringen Zahl aber nie wirklich in Erscheinung traten. Augenscheinlich haben hier eine Menge Leute Bock auf Support, können sich ob der Ausrichtung aber nicht einigen. Führte selbstredend zu abstrusen Situationen von drei bis vier unterschiedlichen Liedern für den gleichen Verein. Stimmungsvolle neunzig Minuten definitiv, aber schön ist anders. Habt euch doch einfach lieb und zieht an einem Strang, kann doch nicht so schwer sein. Dass es auch gemeinsam geht zeigten diverse Wechselgesänge zwischen den verschiedenen Kurven, die aber mal richtig schepperten. Sonst gab’s wieder das schon in Charleroi abgefeierte „Everywhere we go“ auf die Ohren, was auch hier die Füße freudig wippen ließ. Ohrwurm garantiert!
Optisch erwähnenswert ist noch die Choreo der South Leaders zu Anpfiff. Auf einer großen Fahne zwischen Ober- und Unterrang prangte zum zehnjährigen Jubiläum der Gruppe das Gründungsjahr 2012, eingerahmt von Gruppen-, Stadt-, Viertel- und Vereinswappen. Dazu am unteren Zaun der Spruch „il etait une“ (frei übersetzt: Es war einmal) samt goldener, römischer Zehn. Im Spielverlauf in beiden Bereichen des Unterrangs stets einiges an Material in der Luft und generell lautstarker, durchgehender Support ab einer halben Stunde vor Anpfiff. Wie oft hier das ganze Stadion mit einstieg ist richtig stark! Von den gut 150 Gästen von der Küste bekam man selbstredend nicht viel mit, allerdings schienen gut zehn bis zwanzig in Hawaii-Hemden stets in Bewegung.
Auf dem Rasen setzte sich der Favorit in einem mäßig unterhaltsamen Spiel mit zwei Buden jeweils kurz vor Halbzeitende durch, während die Gäste die Partie zu zehnt beendeten. Keine Überraschungen also. Mit dem gemachten Häkchen und einem Eindruck zwischen verwirrend und bockstark ging es wenig später nach draußen, wo wir tatsächlich Glück hatten, dass unsere Straße nicht komplett von Fans belagert wurde und wir einigermaßen das Auto an den Massen vorbei manövrieren konnten. Hat man eben ganz andere Probleme, wenn man fast vor den Eingangstoren parkt.
Die Uhr schlug fast neun als wir Anderlecht in Richtung Autobahn verließen und letztlich die gut vierstündige Heimreise antraten. Das war’s mal wieder aus Belgien, doch das Land der Fritten und des guten Biers sieht uns sicherlich bald wieder!