Super League: FC Zürich – Grasshopper Club Zürich

02.04.2022
28. Spieltag Super League
FC Zürich - Grasshopper Club Zürich
Stadion Letzigrund
Endergebnis: 1:1 (0:0)
Zuschauer: 15.327 (ca. 2.000 Gäste)
Fotoalbum

Das weiße Fleckchen namens Schweiz war mir schon länger ein Dorn im Auge. Zu nah liegt dieses teure Stückchen Alpen, doch geklappt hat es mit einem Spielbesuch trotz vermehrter Anläufe bisher noch nie. Kaum aus England zurück, machten wir daher um ein Wochenende Nägel mit Köpfen und schnürten zwei Spiele in der Alpenrepublik. Zu verlockend aber auch, sich das Züricher Derby am Samstag sowie Basel gegen Bern am Sonntag reinzuziehen. Ein halbes Vermögen floss in die jeweiligen Tickets, um dann wiederum bei der Übernachtung zu sparen. Denn es sollte Weil am Rhein werden, Grenzstadt zu Basel. Das halbierte die Kosten für die Übernachtung und sparte uns zudem die Geschichte mit der Vignette sowie horrenden Parkkosten. Klar war aber schon früh, dass für die etwa 36 Stunden Schweiz genauso viel berappt werden musste wie für eine Woche Balkan.

Dennoch freuten wir uns ob der kommenden Duelle am Wochenende, auch wenn der zwischenzeitliche Wintereinbruch die ein oder andere Sorgenfalte zur Stirn hinzufügte. Die sind da unten ja die weiße Pracht gewöhnt, also wird auch gespielt – so der Gedankengang. Samstag früh reiste dennoch eine gewisse Unsicherheit auf der dreistündigen Anreise nach Weil am Rhein mit, wo das eigene Gefährt einen sicheren Tiefgaragen-Stellplatz empfing. Die Taschen blieben dank der frühen Ankunft noch im Kofferraum, sodass es mit leichtem Gepäck an der Grenzhaltestelle hinein in die Tram ging. Nach einer halbstündigen Stadtrundfahrt erreichten wir den Hauptbahnhof, der auch gleich als mittägliche Verpflegungsstätte dienen sollte. Für die Supermarkt-Bäckerei reichte es noch, ebenso für ein gutes Bier aus dem überraschend reichhaltigen Angebot eines Ladens in der Wartehalle. Dann ging’s in den vorab online gebuchten IC mit Ziel Zürich. Eine weitere knappe Stunde durch hügelige und weiße Landschaften später war die Anreise endlich vollbracht.

Der Bahnhof Zürichs tat sich vor uns auf und die kleine Stadtrunde konnte beginnen. Von Lindenhof über die Rathausbrücke bis zum Zürichsee durchschritten wir zahlreiche kleine Gassen mit Edelboutiquen en masse, stets in Begleitung vom immer stärker werdenden Schneefall. Der hüllte die zwischen Bergen gelegene Stadt in eine nahezu frühweihnachtliche Stimmung, da fehlte nur noch der Glühwein und die Aussicht auf Raclette. Für die gute Stunde, die wir im Endeffekt in der Innenstadt verbrachten, gefiel das Ganze auf jeden Fall ziemlich gut, auch wenn wir beileibe nur ein Bruchteil der Stadt zu Gesicht bekamen. Der nächste Besuch wäre aber definitiv im Sommer angedacht.

Aus der Innenstadt ging’s dann wiederum per Tram zum Letzigrund. Dort etwas früher als erwartet eingetroffen, besorgten wir uns außerhalb noch fix ein Bierchen und erfreuten uns am Anblick der rostbraunen Tore dieses schönen Baus. Der Einlass erfolgte dann natürlich ohne Kontrolle (Hauptsache noch fix die Dose geext, während andere die Palette reinbrachten) und wir konnten uns endlich vor dem windigen Schneetreiben verstecken. Unsere Plätze fanden wir in Block A3 der Haupttribüne, was die mit Abstand teuersten jemals erstandenen Tickets für ein Fußball-Spiel markierte. Ganze 70 Franken mussten pro Nase hingeblättert werden, also etwa 68€. Heftig und mir eigentlich viel zu viel. Es sollte aber die einzige Tribüne sein, von der man sowohl freie Sicht auf die Züricher Südkurve als auch den Gästeblock hatte und andere Kategorien waren fix weg.

Am Ende sollte sogar der Heimbereich ausverkauft sein, was ich aufgrund vorheriger Derbys und deren Zuschauerzahlen nicht für möglich hielt. War es die sportlich sehr aussichtsreiche Ausgangslage des FCZ, der sich mit gewaltigem Punktevorsprung wohl bald zum Meister krönen kann? Oder zieht das diesmalige Züricher Derby dann doch besonders? Die Antwort war dahingehend leider genauso einfach wie ernüchternd: Aufgrund von Ausschreitungen bei einem der letzten Aufeinandertreffen blieb die Südkurve, Heimat des Anhangs des FCZ, bei diesem als auch beim nächsten Heimderby geschlossen. Entsprechend musste sich der gesamte Anhang auf eine Hälfte der Kurve quetschen bzw. sich mit Karten für andere Bereiche eindecken. Mist, aber immerhin wurde kein Boykott ausgerufen. Wäre natürlich mal wieder bezeichnend gewesen.

Die Plätze recht früh eingenommen, erfreuten wir uns zu aller erst am Blick auf den neuen Letzigrund. 26.104 Zuschauer finden in diesem schönen Rund mit seinen roten Sitzen Platz, die großteils von Mundlöchern verschont bleiben und somit eine Einheit bilden. Auch die unzähligen Masten der Flutlichter gefielen gemeinsam mit der runden Dachkonstruktion sehr. Ein schönes Rund, welches trotz moderner Züge einen unverkennbaren Charakter Inne hat. Gleiches möchte ich für die Fanszene des FC Zürich vorwegnehmen. Viel las man schon in vergangenen Jahren über die eigene Note, die den Gesängen zugesetzt wird. Oftmals wurde die Szene in diversen Berichten als mitunter Beste der gesamten Schweiz bezeichnet, was natürlich auch bei uns eine gewisse Erwartungshaltung schürte. Und wir wurden definitiv nicht enttäuscht.

Durch die Sperrung der eigentlichen Heimat verzichtete der Haufen auf große optische Aktionen und lies lediglich den auch über den Verein kommunizierten Spruch „Nie usenand gah“ (eine Liedzeile eines bekannten Züricher Reggae-Sängers) am vorderen Zaun anflaggen. Umso mehr konzentrierte sich der durchweg motivierte Haufen auf den akustischen Part des Tages, stets in Verbindung mit einem schicken Fahnenmeer und einzelnen Schalparaden. Dabei gab es viele für uns neue Melodien auf die Ohren, während bei bekannten Liedern hier und da eigene Noten Platz fanden. Unter anderem fand sich sogar die Tetris-Melodie im Repertoire wieder – auch so eine Geschichte, die ich niemals als Kurvenhit bezeichnet hätte. Stimmungstechnisch wirklich allererste Sahne, was die Jungs da fabrizierten. Immer wieder ließ man sich von den Klängen und Rhythmen anstecken und summte oder wippte auf den kalten Sitzen mit. Beeindruckend alleine die erste Hälfte, in der vielleicht fünf Lieder ausreichten, ohne das jemals die Lautstärke abflachte. Eine geile Kurve, die uns an diesem verschneiten Nachmittag absolut mitnahm.

Auf der anderen Seite sorgte der Anhang des GC für den optischen Part des Tages. Nach Aufbauarbeiten und etwas späterem Betreten der Kurve positionierte sich der ordentliche Haufen hinter einem großen Vereinsbanner. Hätte zwar an dieser Stelle mit mehr Leuten gerechnet, allerdings kenne mich in der Schweiz (noch) nicht wirklich aus. Auch hier keine Gruppenbanner und nur wenige Schwenker, dafür umso mehr Sturmhauben, die den Startschuss für einen feurigen Nachmittag bedeuteten. Zu Beginn sorgte blauer und weißer Rauch samt einiger Blinker für ein eingenebeltes Stadion, während zu Beginn des zweiten Durchgangs das Highlight folgte: Unzählige gelbe und rote Fackeln wurden angerissen, während einige Vulkan-Feuerwerke an den jeweiligen Blockrändern das Bild abrundeten. Und auch danach leuchteten immer wieder rote Lichter im Gästeblock, insbesondere nach dem Treffer für die Gäste. Zudem fand ein Böller den Weg auf den Rasen, was das zu dem Zeitpunkt am anderen Ende des Platzes stattfindende Spiel nicht störte. Akustisch kam bei uns jedoch wenig bis gar nichts an, dafür saßen wir zu dicht an der Südkurve. Lediglich bei gegenseitigen Pöbeleinlagen wurde es mal richtig laut, der Rest entzog sich unserer Wahrnehmung.

Und auch auf dem Rasen hatte das 278. Züricher Derby so einiges zu bieten. Historisch im Übrigen das einzig „echte“ Derby in der Schweiz, was bestimmt nicht jeder so unterschreiben würde. Das Duell war schon immer geprägt von einer großen Rivalität um die Vorherrschaft in Zürich. Der FCZ eher als Arbeiterclub, insgesamt 12x Meister sowie zwei Mal im Halbfinale des Pokals der Landesmeister vertreten, der GC hingegen damals der Club der Oberschicht und mit 27 Titeln amtierender Rekordmeister und Platz 1 in der ewigen Tabelle, auch wenn der letzte Erfolg schon einige Jahre zurückliegt. Dieses Jahr schickt sich zumindest der FCZ an, die ständigen Meisterfeiern in Bern und Basel zu unterbinden und den ersten Titel seit 13 Jahren an den Zürichsee zu holen, während bei den Grasshoppern der Blick eher nach unten geht. Mal wieder möchte man sagen für den heimatlosen Rekordmeister, der nicht nur die Saison als Aufsteiger bestreitet, sondern noch immer kein neues Datum für die Neuerrichtung des Hardturms kennt. Entsprechend klar die Favoritenrolle an diesem Tag, doch der Kick verlief definitiv auf Augenhöhe. Dazu mal wieder schön, einen orangefarbenen Ball über den Rasen tanzen zu sehen. Gibt’s in der Heimat auch fast nicht mehr, da wird lieber drei Tage vorher abgesagt.

Der alles in allem mäßige Kick nahm erst gen Mitte des ersten Durchgangs an Fahrt auf, als nach VAR-Entscheidung der FCZ einen Elfmeter an den Pfosten setzen durfte. Bitter. In der Halbzeit änderte der Rasen seine Farbe komplett von Grün auf weiß, was kurz vor Wiederanpfiff einige Schneeschieber auf den Platz rief, um wenigstens die Linien freizuschaufeln. Die Bedingungen machten mir wirklich Freude, so selten sah man bisher Spiele auf Schnee. Nach erwähntem Feuerwerk im Gästeblock hatte der Anhang der Grashüpfer gleich wieder Grund zur Freude, denn die Kugel zappelte nach einem Angriff im Kasten. Sekunden später entschied der Linienrichter auf Abseits, die daher grundlos angerissene Fackel flog daher schnell auf den Boden. Doch wieder war es irgendein schweizer Keller, der die Tatsachenentscheidung kassierte und den Treffer wenig später gab. Großer Jubel nachträglich auf der einen Seite, Frust aufgrund des eigentlich besseren Auftretens beim Stadtclub. Der FCZ blieb weiterhin die bestimmende Mannschaft, schaffte trotz zahlreicher Chancen allerdings erst gegen Ende den mehr als verdienten Ausgleich. Schiedlich friedlich ging das Derby also Unentschieden zu Ende. Hätte ich drauf tippen können, ist irgendwie ein Standardergebnis für solch ein Spiel.

Anhand der Verabschiedungen der Mannschaften konnte man erahnen, dass der GC mit dem Punkt im Abstiegskampf besser leben konnte. Beim FCZ war eher der Tenor, dass man sowieso bald durch ist, aber Punkte im Derby lässt man nur ungern liegen. Daher waren die Mienen im Heimbereich nicht gerade die besten, als auch wir uns langsam wieder nach Draußen begaben. Den Plan, per Tram zurück zum Bahnhof zu fahren, konnten wir dank der Einstellung des gesamten ÖPNVs im Stadionumfeld gleich in die Tonne kloppen. Daher wurde sich für die im Vorfeld für gutes Wetter rausgesuchte Laufroute entschieden, die uns in einer guten halben Stunde wieder zum HB brachte.

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Mit gut Zeit auf der Uhr war sogar noch ein Abendessen drin, wobei wir uns in der lokalen Brasserie des Bahnhofs so richtig gönnten. Cordonbleu sowie Rösti mit Bergkäse überbacken mussten einfach sein, wir waren schließlich im Alpenland. War am Ende natürlich sauteuer, aber auch super lecker. Gen halb zehn fuhr schließlich unser Zug vor, mit dem es wieder die gute Stunde zurück nach Basel ging. Dort fix in die Tram zum Hotel über die Grenze und ab in die Kiste. War ein langer Tag, der sich am Ende Minute für Minute lohnte!