Eerste Klasse A: Sporting Charleroi – RSC Anderlecht

27.11.2021
16. Spieltag Eerste Klasse A
Sporting Charleroi - RSC Anderlecht
Stade du Pays de Charleroi
Endergebnis: 1:3 (0:1)
Zuschauer: 10.816 (ca. 1.500 Gäste)
Fotoalbum

Nachdem sich von den Kumpanen in Gelsenkirchen verabschiedet wurde, ging’s zügig durch den Abfahrtsstau gen Autobahn, denn so einen richtigen Zeitpuffer hatte man irgendwie nicht eingeplant. Über freie Autobahnen per Kickdown nach Duisburg, dann im Schneckentempo an Maastricht vorbei und Lüttich hinter uns gelassen, erreichten wir nach etwas unter drei Stunden staufreier Fahrt schließlich Charleroi, wo der Hotelparkplatz in einer zentral gelegenen Tiefgarage angesteuert wurde. Gewann letztlich den Convenience-Award dank zentraler Laage im Stadtzentrum, auch wenn der Zehner lieber in Bier investiert worden wäre. Im direkt darüber gelegenen Novotel klappte es mit dem Einchecken ebenfalls flott, sodass die Sachen aufs Zimmer flogen und wir wenig später durch die Dunkelheit gen Norden stapften.

Die Mägen grummelten und das Wetter war mies, dazu verhinderten einige bereits gesperrte Zufahrtsstraßen zum Stadion ein zügiges Weiterkommen. Als dann auch an der zweiten rausgesuchten Friterie ein rotes „fermé“ prangte, kotze man bereits die eigene Frustration im Strahl raus. Doch es sollte irgendwie unser Glück werden, denn just bevor wir weiterliefen trafen wir plötzlich auf zwei vertraute Gesichter. Zwei Gleichgesinnte aus Osnabrück waren es, die ebenfalls mit der Futtersuche beschäftigt waren und einer heißen Spur folgten. Da schlossen wir uns natürlich gerne an. Immer wieder witzig, auf wen man in den verschiedensten Teilen Europas zufällig trifft. Klar bekam man mit, dass die beiden mittags in Seraing aufschlugen und verabredete sich daher bereits im Stadion, dass man sich aber hier auf der Straße mitten im wortwörtlichen Nichts der verlassenen Arbeiterstadt trifft, war einfach nur bester Zufall.

So marschierten wir schnellen Schrittes durch die wenig einladen wirkenden Gegenden der größten Stadt der Wallonie und erreichten nach schier endlosem Herumirren die Friterie Francis. Hier verkaufte ein korrekter Kollege aus einer Garage heraus alles, was das Belgier-Herz so begehrt. Auf Burger und co. Mussten wir allerdings aus Zeitgründen verzichten, sodass vier Portionen Frites geordert wurden. Natürlich verschätzte man sich mit den Portionen mal wieder total. Mit der Mittleren der fünf Größen wäre locker eine dreiköpfige Familie für ‘ne halbe Woche über die Runden gekommen. Da war Kris’ Babyportion tatsächlich mit der dreifachen XL-Megges Variante doch die mit Abstand kleinste. Im Laufschritt gen Stadion also Pommes in den Rachen gestopft und versucht, sich möglichst wenig mit der göttlichen Sauce Andalouse zu besudeln, dann der erste Schock beim Erblicken der Stadiongegend: Lange Schlangen an den Einlässen. Sehr lange Schlangen an den Einlässen! Bei gut zwanzig Minuten bis Anpfiff ungut. Da aber auch die gerade auflaufenden Ultras der Schwarz-Weißen noch nicht drinnen waren, würde man zumindest nix verpassen, so die Annahme.

Um zwei Tribünen musste man noch herum, dann standen wir glücklicherweise vor der kleinsten aller Schlangen an der Tribüne 2. Gut zehn Minuten anstehen, 2G der Polizei zeigen, Taschen- und Körperkontrolle und zwei Mal die im Vorfeld erworbenen e-Tickets vorzeigen, dann war der anstrengende Teil des Tages geschafft. Die Treppen rauf zum Oberrang gingen nun locker von der Hüfte und die Plätze im Block K2 waren schnell gefunden. Auch hier hatten wir mit den Jungs aus Osna quasi Sitze nebeneinander gebucht, ohne uns vorher abzusprechen. Kannste dir eigentlich nicht ausdenken. Von unseren Plätzen in der ersten Reihe hatten wir unterdessen beste Sicht auf alle Teile des Stadions, wenn man mal die etwas seltsame Balustrade vor unseren Füßen abzieht. Insgesamt machte das für die EM 2000 renovierte Stadion einen geilen Eindruck, auch wenn es dank einiger Rückbauten nicht mehr an die Ausmaße von damals erinnert.

Eingepfercht von unzähligen Wohnblocks ruht der Betonklotz und macht wirklich den starken Eindruck eines Stadions einer Arbeiterstadt. Bis auf die doppelstöckige Haupttribüne komplett mit einem Rang ausgebaut und überdacht, dazu abgeflachte Tribünenränder aufgrund der eng dahinter verlaufenden Straßen. Angepasst an den Platz eben, bisschen wie die früheren Dinger in England. Kultiges Ding, was uns bis auf die Flutlichter extrem gut gefiel. Denn die wirkten irgendwie wie abgesägte Baukräne. Was man nur mal wieder nicht verstehen muss: Zuletzt wurde das Stade du Pays de Charleroi im Jahr 2014 auf die derzeitige Kapazität von 14.891 Zuschauern rückgebaut, weil die alten, großen Ränge nie wirklich ausgelastet waren und nur unnötig Geld verschlangen. Momentan, also gerade sieben Jahre später, denkt man wieder über einen erneuten Ausbau oder gar Neubau nach, der irgendwann bis 2024 erfolgen soll. Wäre enorm schade um dieses schöne Teil!

Unterdessen tropfte das Kondenswasser bereits aus der Maske, die wirklich die gesamte Zeit getragen werden musste. Auch auf dem Sitzplatz. Bisschen ätzend, allerdings hielten sich viele der Schaulustigen auch brav an die Vorgaben. Vorbildlich wurde das Ganze durch etwas größere Masken in den beiden Fanblöcken umgesetzt, im Neudeutschen auch Sturmhauben genannt. Entsprechend war die Vorfreude auf das, was da kommen mag, natürlich enorm und letztlich alle Mühen des Tages wert. Das Treiben auf den Rängen startete dagegen erst kurz vor Anpfiff so richtig. Auf der Tribüne 4, dem aktive Fanblock der Fanszene von Charleroi, wurde ein Transpi mit der Aufschrift „Feu en T4, rage sur le terrain… pour 3 points!“ entrollt, auf Deutsch in etwa „Feuer auf der T4, Wut auf dem Feld… für 3 Punkte!“. Das Feuer folgte auch prompt in Form einiger Fackeln, Blinker und etwas Rauch, was die Bude zu unserer Linken gut einnebelte.

Aber auch die zahlreich angereisten Gäste, deren Zaunfahnenbild dank Platzmangel am Zaun eher einen semi Eindruck machte, legten mit einer Blinkershow über den halben Block gut los. Das folgende Gesangsduell war schon bombastisch. Charleroi mit den Klassikern französischer Kurven, in die auch andere Tribünen regelmäßig einstiegen. Dazu eingangs viele Doppelhalter und Fahnen, die auch später immer mal wieder im Bereich der Storm Ultras, heute mit umgedrehter Zaunfahne, herausgekramt wurden. Die Gassenhauer hauten auf jeden Fall gut in den Gehörgang und die Rhythmen der melodischen Chansons ließen die Füße im Takt wippen. Auf der Gegenseite legten die aus der Hauptstadt angereisten Gäste eher einen typisch britischen Auftritt aufs Parkett, primär mit englischen Gesängen, teils auch auf Niederländisch und selten in Französisch.

Am Anfang noch etwas verhalten, rückte der stets voller werdende Gästeblock spätestens im zweiten Durchgang deutlich näher zusammen und errang die Stimmhoheit im recht vollen Rund. Dass aus Nancy bekannte „Olele, Olala“ war ebenso stark wie das öfter vorgetragene „Everywhere we go“, was als Ohrwurm noch Tage später hängen blieb. Allgemein hatte man durch den starken Unterschied der Supportstile in der Wallonie und Flandern eher den Eindruck eines Länderspiels. Insgesamt aber richtig starker Auftritt beider Seiten, wobei Charleroi auf den Rängen in Halbzeit eins die Nase vorn behielt, während die Gäste, auch getragen vom Spielverlauf, im zweiten Durchgang besser überzeugten.

So toll das Geschehen auf den Tribünen, so langweilig gestaltete sich der Kick zwischen dem Fünften und dem Sechsten der Tabelle. Lange passierte überhaupt nichts, ehe Anderlecht, seines Zeichens belgischer Rekordmeister mit 34 Titeln, mit dem Pausenpfiff zur Führung traf. Nach der Pause erhöhten die Gäste früh auf 0:2 und ließen die Party im Gästeblock steigen, ehe die mittlerweile recht stillen Anhänger von Sporting Charleroi in der 77. Minute mit dem Anschlusstreffer wortwörtlich aus dem Nichts noch einmal Hoffnung schöpfen durften. Doch die Hauptstädter machten mit einem erst nach Videobeweis gegebenen Elfmeter vermeintlich den Sack zu. Charleroi, im Übrigen als einer der wenigen großen Clubs noch nie Meister oder Pokalsieger geworden, traf zwar in der Nachspielzeit zum 2:3, doch wieder intervenierte der VAR und nahm den Treffer zurück. Am Ende jubelten die Lila-Weißen über den verdienten Auswärtssieg und feierten gemeinsam mit den Freunden aus Lyon die drei Punkte.

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Die Heimseite, ihrerseits unterstützt durch PSV Eindhoven, baute dagegen fix ab und verließ das Stadion gen verregneter, dunkler Nacht. Machten wir dann auch irgendwann und spurteten durch die Kälte gen Hotel. Endlich war Duschen und die Füße hochlegen angesagt, endlich strömte wieder etwas Wärme durch die durchfrorenen Körper. Noch immer angetan von einigen Gesängen ging’s fix und fertig, aber ebenso zufrieden mit dem langen Tag in die Kiste.