22.08.2021
5. Spieltag Bundesliga
SK Sturm Graz - FK Austria Wien
Stadion Liebenau
Endergebnis: 2:2 (0:1)
Zuschauer: 12.529 (ca. 500 Gäste)
Fotoalbum
Sturm Graz ist natürlich auch so ein Name, der vor dem geistigen Auge direkt Bilder von starken Choreographien, Corteos und Pyroshows projektiert. Klar war für mich also schon früh, dass es neben einem Besuch des SK Rapid auch unbedingt einen Abstecher in die Steiermark geben sollte, nein, sogar musste. Der sonntägliche Kick gegen die Wiener Austria war letztlich auch DER ausschlaggebende Faktor, warum es für uns überhaupt gen Österreich ging. Entsprechend groß die Vorfreude in der Planungsphase, die mit der Gewissheit, dass Rapid donnerstags international spielte, auch für Graz eine Woche vorher endlich beginnen sollte. Zwecks Anreise blieb man der Schiene treu und einen Abstecher in die Stadt wollte man bei zweieinhalb Stunden Fahrt pro Strecke natürlich auch noch machen.
Das resultierte natürlich in einer recht kurzen Nacht und einer müden U-Bahnfahrt gen Wiener Hauptbahnhof am frühen Morgen. Da man hier bereits am Vortag aufschlug und bereits die ein oder andere Frühstückslokalität ausspähte, wurde sich hier fix was reingezogen und wenig später per Railjet (dem österreichischen Schnellzug) die Fahrt angetreten. Sollte übrigens die tschechische Bundesbahn werden, die uns über eine wirklich malerische Alpenstrecke bis in die Steiermark verfrachtete. Bei den Ausblicken blieben sogar die müden Augen weit geöffnet. Eine der schönsten Strecken, die man bisher zurücklegte. Die zweieinhalb Stunden waren daher fix abgesessen, sodass wir gen Mittagszeit Graz erreichten.
Vom Hauptbahnhof per Pedes gen Altstadt und mal wieder festgestellt, dass im eher konservativ geprägten Süden sonntags aber wirklich alles dicht ist, was sich auch auf die Suche einer geeigneten Mittagsrast auswirkte. Fündig wurden wir letztlich in einem Brauhaus in der Altstadt, wo die beiden Klassiker, Schnitzel und Käsespätzle samt ein paar Krügen Bier, hervorragend stärkten. Somit hatte man wieder genügend Energie für den weiteren Rundgang, der uns, neben der schön anzuschauenden Altstadt mit ihren vielen engen Gassen, auch auf den Schloßberg samt Grazer Wahrzeichen, dem Uhrturm, führte. Von hoch oben hatte man mal wieder eine perfekte Aussicht auf die Stadt, vom Hauptbahnhof bis nach Liebenau. Das Ziel des Nachmittags also schon fest im Blick. Auf dem Weg hinab wurde dann noch ein langer Stollen erkundet, der nicht nur den Eingang zu einem im zweiten Weltkrieg errichteten, weit verworrenen Tunnelgeflecht unterhalb des Berges markiert, sondern dringend benötigte Abkühlung von der wirklich unangenehmen Schwüle bot. Eine Runde hier unten kann ich definitiv empfehlen. Wahnsinn, was damals in so kurzer Zeit, oftmals mit banalen Mitteln entstanden ist.
Mit genügend Zeit auf der Uhr konnte man sich im Anschluss sogar noch eine kleine Auszeit in einem Café gönnen, dann verwirrten die sonntäglich anders nummerierten Tramlinien enorm beim Finden des richtigen Weges zum Spielort. Die Linie 4 gab’s schlichtweg nicht und auf die Idee, einfach an die nächste Halte um die Ecke zu laufen, kamen wir anfangs nicht. Es sollte die Nummer 13 sein, die uns, samt bereits großem schwarz-weißem Haufen, nach Liebenau, einem Stadtteil im Südosten, brachte und uns wirklich direkt vorm Stadion entließ. So dicht vor den Toren eines Stadions kannte ich das nur aus Bochum. Vor Ort musste man erstmal umdisponieren, da der gewünschte Block bereits ausverkauft war. Ohnehin schien viel los zu sein und gute Plätze waren rar, entsprechend gewann mit Block 21 Option C. Hauptsache nicht vorher online bestellt. Nieder mit den e-Tickets!
32 Taler pro Nase ärmer, aber mit breitem Grinsen ausgestattet, wanderte noch fix ein Schal über den Tresen und wir schließlich gut eine Stunde vor Anpfiff in unseren Block. Von außen waren bereits erste Schmähgesänge gegen die Violetten zu hören, entsprechend wollte man da nix verpassen. Und auch so beschwerten sich die Füße wenig über eine längere Pause. Die Sitze stellten sich durch Reihe eins allerdings als nicht wirklich tauglich heraus, umdisponiert wurde schließlich Mitte der ersten Hälfte. Aber auch so war zwar der Blick auf den Heimblock perfekt, auf den Gästesektor allerdings recht bescheiden. Da wäre man auf der gegenüberliegenden Seite deutlich besser aufgehoben gewesen. Was soll’s, schließlich ist man hier! Und das realisierte man auch mal wieder erst, als die Augen durch die kleine, aber sehr eng gebaute Bude schweiften. 16.304 Plätze groß (oder eher klein), aber gerade das macht das Stadion irgendwie aus. Kompakte Bauart, niedrige Dächer, nah am Spielfeld. Hat was! Nur warum man im ganzen Rund auf Metall-Klappsitze setzte und die auch noch blau waren, war uns ein Rätsel.
Wie schon beschrieben zeigte sich die Heimkurve keineswegs still, die eine gute Stunde vor Anpfiff fast schon in voller Mannstärke anwesend war. Dazu dann die ganzen Zaunfahnen, wie die der Grazer Sturmflut, Jewels, Avanti Brigata oder Tifosi mit Totenkopf – geil! Mal wieder so eine Erinnerung an früher, als man nicht einmal zu träumen wagte, überhaupt einmal hier zu stehen. Mit näher kommendem Anpfiff wurden dann auch die Schlachtrufe und Gesänge intensiver bis hin zum eigentlichen Spielsupport. Auch hier kann ich meine Worte vom Spiel am Donnerstag wiederholen: Wahnsinn, was hier für eine Geschlossenheit an den Tag gelegt wird. Astreine Mitmachquote bei Klatsch- und Hüpfeinlagen, schöne Schalparaden, beständiges Tifo und ein generell leidenschaftlich vorgetragener Support. Dazu immer wieder Schmähgesänge und Gassenhauer, die das restliche Rund mitnahmen.
Da fühlten sich die letztlich gut 12.000 Heimfans akustisch deutlich stärker an als manch drei- oder vierfach gefülltes deutsches Stadion. Auch hier wurden die Gesänge lange gehalten, allerdings, und das ist bekanntlich absolute Geschmackssache, hätten es gerne ein paar textlastigere Passagen sein dürfen. Vieles bestand gefühlt nur aus „Eh“ und „Oh“ aber ja, man ist nicht in Italien. Insgesamt aber ein richtig starker Auftritt, auch wenn es keine optischen Aktionen geben sollte. Einzig ein Spruchband gegen die Gäste soll Erwähnung finden: „Austria Wien steht für Anspruch und Stil? – Schwindlige Investoren und leere Ränge bei jedem Spiel!“.
Und das bringt uns auch gleich zu den Violetten selbst, über deren Auftritt man im Vorfeld lange grübelte. Wie viele kommen wohl mit? Und wie ist deren Support im Vergleich zu den Hütteldorfern? Die Antwort folgte von den Violetten in Form einer Choreo zu Spielbeginn. Unter dem Motto „Be a winner – Sei ein Wiener!“ wurden viele silberne und rote Folien-Schwenker verteilt, während in der Mitte eine runde Blockfahne das Licht der Welt erblickte. Wie schon beschrieben von unseren Plätzen aus leider absolut nicht einsehbar, selbst die später erscheinenden Zaunfahnen rund um die Fanatics bekam man nicht so richtig zu Gesicht. Was man aber sah war die stete Bewegung und die früh angerissenen Fackeln und etwas lila Rauch, die nach Absenken der Blockfahne dem Block einheizten. Generell wurde auf dieses Stilmittel, wie auch auf eine gehörige Portion weißer Rauch, im weiteren Verlauf der ersten Hälfte immer wieder gesetzt, um den Mob zu pushen. Klappte auch ganz ordentlich, zeigte sich die Austria akustisch doch für uns überraschend stark.
Hier sollte es eher schnellere Liedwechsel mit wenigen Wiederholungen geben, was allerdings für den gelebten Stil gut fruchtete. Auch hier eine astreine Mitmachquote, steter Einsatz von Fahnen und Tifo aller Art sowie wirklich unglaublich viel Bewegung, gerade in den vorderen Reihen. Was die Jungs da wohl vorher genommen haben… Fussball ist einfach die härteste Droge! Zu Beginn des zweiten Durchgangs kamen Pyroliebhaber dann voll auf ihre kosten. Die Halbzeitpause unter einer Blockfahne verbracht, zerstreuten sich unzählige lila-weiße Sturmhauben im gesamten Gästeblock und nebelten mit unzähligen Rauchtöpfen sowie weißen und roten Fackeln die Bude aber so richtig ein. Starkes Bild und schon jetzt eine der besten Pyroshows unserer letzten Monate. Wobei, so viel Auswahl gab’s da ja eh nicht.
Passend zum starken Gesangsduell mischten auch die Kicker auf dem Rasen gut mit. Bereits in der dritten Minute netzten die am Tabellenende situierten Austrianer, doch eine ellenlange VAR-Unterbrechung führte letztlich zu einem weiter torlosen Kick. Und die VAR-Geschichte sollte so schnell kein Ende finden. Kurze Zeit später Freistoß für den FAK, der kurzerhand zu einem Elfmeter umgemünzt wurde. Der Heimbereich nun bereits vollends am Kochen, doch die Gäste netzten eiskalt zur (erneuten) verdienten Führung. Nachdem sich der angesprochene Nebel zu Beginn der zweiten Hälfte legte, überraschte der SK Sturm die Hauptstädter eiskalt und drehte binnen weniger Minuten die Partie. Die Nordkurve samt Stadion nun natürlich absolut oben auf, hier hielt es gefühlt keinen mehr auf seinem Klappsitz. Die mit Abstand stärkste Phase der Grazer endete allerdings jäh mit einem erneuten Treffer, dieses Mal wieder für die Gäste. Absolut starkes Spiel von beiden Seiten, was sich in den letzten Minuten völlig offen gestaltete.
Auch wenn es beide Seiten weiter versuchten, blieb es jedoch bei einem für neutrale Beobachter gerechten 2:2. Für die Austria ein wichtiger Punktgewinn im Keller, für Graz eher verlorene zwei Zähler im Kampf um die Spitzenplätze. Aber da will man so früh in der Saison bekanntlich noch nicht viel hineininterpretieren. Vollends zufrieden mit dem erlebten ging’s für uns im während des Spiels einsetzenden Regen wieder nach draußen und gen Tramhaltestelle. Und auch hier konnte man, wider Erwarten, direkt mit der ersten Bahn die Rückreise antreten. Wenn man das mal mit Situationen wie in Düsseldorf vergleicht… klar, weniger Leute, aber dennoch gut gelöst. Einen Umstieg später am Hauptbahnhof angekommen, schob man sich noch fix schmieriges Fastfood zwischen die Kiefer und wärmte sich im bereits wartenden Railjet gen Wien auf.
Die zweieinhalbstündige Rückfahrt bei völliger Dunkelheit nutzte man schonmal zum Begutachten der Fotos und ärgerte sich mal wieder über die Wahl der Sitze. Aber naja, wusste man eben nicht. Und akustisch hatte man auch hier die volle Dröhnung abbekommen. In Wien Meidling ging’s schließlich in die U-Bahn, die uns, nach erneutem Umstieg, zurück zur Bude brachte. Duschen, Packen, Wecker stellen – heraus kamen etwa fünf Stunden Schlaf, nachdem bereits die vorherige Nacht keine Lange war. Das kann ja was werden, danke Bahnstreik!
Der Montagmorgen wurde dann auch ein spannender, denn noch hatten wir keinen so rechten Plan, wie man denn die Strecke nach Frankfurt bewältigen sollte. Fest stand nur: Unser um 13:50 Uhr gebuchter, direkter ICE fällt ersatzlos aus. Besser noch: Die Strecke über Passau wurde überhaupt nicht bedient. Dank der nun flexiblen Tickets entschied man sich einfach für einen früheren Aufbruch – und zwar viel früher. Um halb acht saßen wir bereits, mit einer kleinen Tüte Frühstück bewaffnet, in einem Railjet, der über Salzburg fuhr. Soweit so gut, fuhr die ÖBB doch wie geplant. In Salzburg sollte es dann eine RB werden, die uns nach München brachte. Die stand auch schon da, fuhr sogar los – nur um zwei Minuten später direkt an der Grenze aufgehalten zu werden. Grenzkontrolle, keiner steigt ein oder aus. Merci, wir haben ja auch so viel Zeit beim nächsten Umstieg! Zwanzig Minuten Verspätung hielten unseren Lokführer allerdings nicht davon ab, aus der Regionalbahn einen Schnellzug zu machen und die verlorene Zeit auf der neunzig minütigen Strecke wieder komplett (!) rauszufahren.
Ankunft in München, ein ganzer ICE stand da, und das war unserer. Scheißegal wohin, Hauptsache über Frankfurt oder Umgebung. Also Beine in die Hand und hingerannt, doch die Türen blieben verschlossen. Na gut, sind ja noch knapp 30 Minuten bis Abfahrt, wird schon passen. Hmm, noch 20 Minuten, macht mal hinne, vielleicht bekommen wir noch einen nicht reservierten Sitzplatz. Noch zehn Minuten… fünf… eigentlich wäre jetzt schon Abfahrt. Die nächste Bahnsteigansage wurde von den gefühlt dreitausend anwesenden Reisenden, inklusive uns, dann irgendwo zwischen Häme und Unglaube aufgenommen: Technischer Defekt am vorderen der beiden Züge, es fährt nur der Hintere. Also irgendwie dort reingequetscht, wo selbst die Gepäckablagen mit Leuten vollgestopft waren. Zehn Minuten im Zug dann der nächste Lacher: Auch dieser Zug wird heute keine Reise mehr antreten, alle wieder nach draußen! Aber ein neuer Zug soll gleich kommen, also bald. Also irgendwann.
45 Minuten waren es schließlich, ehe ein neuer ICE, diesmal natürlich nicht nur in umgekehrter Wagenreihung, sondern auch ohne Restaurant oder Reservierungsanzeigen, betreten werden konnte. Direkt zwei Sitze geschnappt und einfach nur gehofft, die nächsten vier Stunden nicht auf dem Gang verbringen zu müssen. Das Quietschen der Räder verkündete den Aufbruch gen Heimat. Die Erleichterung war jetzt natürlich groß. So groß, dass ich auf halber Strecke erstmal die Segel strich und tatsächlich für ‘ne ganze Weile pennte. Kann ich normal nie, weder im Auto, Bus, Zug oder Flieger. Neun Stunden hat’s schließlich gedauert, bis wir die Treppen ins Frankfurter Bahnhofsviertel erklommen. Natürlich war auch unsere S-Bahn vom Streik betroffen und fuhr nur stündlich und natürlich hatte man durch die Verspätung die nächste just verpasst. Aber stressen wollten wir uns nicht mehr, also gab’s erstmal was vom Chinesen und ein Bier. Das wär’s dann mal wieder mit Bahnfahren für die nächste Zeit, den Stress geb ich mir dieses Jahr nicht mehr.