13.09.2020
1. Runde DFB Pokal
SV Elversberg - FC St. Pauli
Waldstadion an der Kaiserlinde
Endergebnis: 4:2 (2:1)
Zuschauer: 500 + 100 vor den Toren (30 Gäste)
Fotoalbum
Genau zehn Jahre nach dem ersten Kunststück gegen Hannover gelingt es der SVE wieder in die zweite Hauptrunde des DFB-Pokals einzuziehen. Entsprechend groß der Jubel und die Freude, an der einzig der Krähenfuß dieses dummen Virus hing. Was hätte die Linde explodieren können bei dieser Leistung. Hätte der Gegner mit einem vollen Gästeblock im Rücken vielleicht selbstbewusster aufgespielt? Fussball in Zeiten von Corona, ein Wettbewerb mit mehr Unbekannten denn je.
Den Anfang fand die Geschichte allerdings noch Ende Juli. Die erste Hauptrunde wurde ausgelost, allerdings mit zahlreichen Blanko-Kugeln. Der Saarlandpokalsieger sollte gegen St. Pauli ran dürfen, ein durchaus attraktives Los, vor allem aus Fansicht. Aber was kann man sich davon in diesem Jahr schon kaufen? Der Weg bis zu diesem „größten Spiel der Saison“ war jedoch ein weiter, war doch noch nicht mal das Viertelfinale gespielt. Das Ganze sollte, inklusive Finale, in einem sportlich straffen Programm Mitte August nachgeholt werden. Inmitten der Vorbereitung auf die neue Saison. Für die SVE hießen die Gegner innerhalb einer Woche Brebach, Auersmacher und schließlich der FC Homburg, wobei Letzterer im Finale an der Geister-Linde im Elfmeterschießen besiegt werden konnte.
Die Freude über den Sieg im Krimi war enorm. Endlich wieder Pokalsieger, nach zwei Jahren wieder im DFB-Pokal. Allerdings wich die Freude irgendwann dem puren Realismus. Ja, man wusste bereits, welches „Geschenk“ man für den Sieg bekommt. Kein Bangen bei der Auslosung, kein Rumraten über den Gegner. Und noch trauriger: Wahrscheinlich sowieso ein Kick vor leeren Rängen. Ganz so schlimm wurde es letztlich nicht, denn ganze 500 Zuschauer sollten dem Kick beiwohnen dürfen. Davon ging allerdings mehr als die Hälfte an das (DFB- und) Sponsoren-Pack, sodass letztlich 140 Tribünen-Tickets und genau 100 Karten für den Elversberger Fanblock übrig blieben. Letztlich zu wenig, um alle zu versorgen, weshalb sich ein Großteil der Elversberger Fanszene dazu entschloss, dem Kick nicht im Stadion beizuwohnen. Auch wir entschieden uns letztlich für den Gang an den Zaun. Wenn, dann alle!
Die Stimmung im Umfeld war dann aber trotzdem ausgelassen. Das Wetter passte und das Bier war kalt, was will man mehr? Zudem ermöglicht die heimische Kaiserlinde unzählige Möglichkeiten, einer Partie auch ohne Betreten der Anlage beizuwohnen, teils sogar mit besserer Sicht als aus dem Block. Genau eine solche Stelle findet sich am Heimeingang, wo sich entsprechend gut 60-70 Ticketlose einfanden. Ein Ausblick wie aus dem (noch?) nicht existenten Oberrang des C1! Insgesamt dürften sich etwa 100 weitere Zuschauer an den Zäunen und Balustraden eingefunden haben. Auch etwa 30 St. Paulianer zeigten sich erkennbar, wovon etwa zwanzig auf der Haupttribüne Platz nahmen und der Rest aus Versehen Teile der Vegetation in Brand setzte. Zündeln muss eben gelernt sein. Unterstützung gab’s von den paar Hamburgern auch, allerdings maximal sporadisch. Bei der SVE ging ein bisschen mehr, wobei teils auch beide Tribünen in die Gesänge miteinstiegen. Oder zumindest Krach machten, den ausgeteilten Klatschpappen sei Dank.
Auf dem Rasen ging es zum aller ersten Mal überhaupt gegen einen Zweitligisten in den Pokalfight, nachdem in den überschaubaren Teilnahmen zuvor ausnahmslos Bundesligisten sich die Ehre erwiesen. Wie steht man also im Vergleich zum Unterhaus? Erstmal schlecht, denn das 0:1 ließ bereits zur 7. Minute viele Hoffnungen bröckeln. Was dann allerdings folgte, ist bis heute nicht in Worte zu fassen. Die SVE hielt dagegen, biss sich rein und zauberte den besten Auftritt aufs Parkett, den man in den letzten Jahren zu Gesicht bekam. Alles stimmte. Passwege, Dribbling, Stellungsspiel. Fast die gleiche Mannschaft, die in Ulm einen Bambini-Auftritt aller erster Sahne hinlegte, spielte einen gestandenen Zweitligisten komplett an die Wand. Dragon, Fellhauer und zwei Mal Schnellbacher netzten mit Leichtigkeit und schier ohne Gegenwehr, viele weitere Chancen wie auch der Elfmeter von Suero hätten ebenso drin sein müssen. Sechs, sieben Treffer? An diesem Tag wären sie verdient gewesen.
Teils hatte man das Gefühl, man sähe sich einen Kick im Saarlandpokal an. Gegen einen Verbands- oder Bezirksligisten, der mit seinen begrenzten Mitteln dagegenhält, sich letztlich aber doch ne Packung fängt. Schlecht gespielt? Für die Kiezkicker an diesem Tag kein Ausdruck. Der schmeichelhafte zweite Treffer für Braun-Weiß sollte dann zwar doch noch fallen, am Gesamtbild aber nix mehr ändern. Elversberg war einfach besser, und das locker um eine Klasse. Der Jubel, gepaart mit einer seltsamen Ungläubigkeit im und außerhalb des Stadions wurden immer größer. Schlusspfiff – Ekstase! Mit Leichtigkeit in Runde zwei, wer hätte das Gedacht?
Die Feier mit der Mannschaft war zwar kurz, dafür umso emotionaler. Selbst die zwischenzeitlich angerückte Schmier konnte und wollte dem Jubel keine Grenzen setzen, man hielt sich immerhin an im Saarland geltendes Recht. Entsprechend friedlich endete der Freudentaumel am späten Sonntagnachmittag. Leer waren die Ränge immerhin fix. Und nun? Ein weiterer Pokalfight, kurz vor Weihnachten. Wer der Gegner ist, entscheidet sich wohl erst irgendwann im Oktober. Auswahl genug gibt’s ja noch.
Was übrig bleibt ist jedoch der seltsame Wunsch, genau diesen Nachmittag in genau dieser Form nie wieder zu erleben. Fussball lebt durch seine Fans. Die eigenen, wie auch die des Gegners. Ich würde sogar behaupten, dass der Kick mit 2-3.000 Gästefans bei weitem nicht so geendet hätte. Was man nun will, ist der bekannte Drahtseilakt. Aber der eigene Wunsch bleibt: In der nächsten Runde ein ausverkauftes Flutlichtspiel!