07.08.2020
13. Spieltag Virslīga
FK Metta - BFC Daugavpils
Daugavas stadions
Endergebnis: 1:4 (0:1)
Zuschauer: 413
Fotoalbum
Für gewöhnlich spart man sich das Beste zum Schluss auf, gerne auch in Bezug auf Touren. Dieses Mal sollte mit dem Daugavas stadions allerdings gleich zu Beginn das größte und irgendwie auch kultigste Stadion Rigas, wenn nicht ganz Lettlands, auf dem Programm stehen. Gibt durchaus schlechtere Wege, den LP inmitten des Baltikums zu machen. Da die Geschichte an diesem Freitag sogar auf einen Doppler hinauslief, galt es sich entsprechend darauf vorzubereiten, was letztlich auf der Außenterasse eines auf Amerika machenden Schuppens feuchtfröhlich gelang.
Im Anschluss ging’s mit dem Bus aus der Altstadt in den Osten, wobei man die Haltestelle „Daugavas stadions“ eigentlich auch nicht verpassen konnte. Ab hier sind es nur noch wenige Meter bis zum Glück und tatsächlich ragten die seltsamen, Trapez-förmigen Flutlichter nach kurzer Zeit gen Himmel. Fix durch die leicht griechisch anmutenden Eingangspforten und ab gen Eingang der Haupttribüne, die heute als einzige geöffnet wurde. Und da auch leider nur der Unterrang, zumindest mit freier Platzwahl. Die Tickets schnappten wir uns bereits für günstige vier Taler im Vorverkauf, allerdings in der im Baltikum immer gleichen Din-A4 Form. Hässlich, allerdings waren zum Start des Vorverkaufs mal wieder nur 250 Zuschauer zugelassen, sodass man einfach auf Nummer Sicher gehen wollte.
Letztlich ruderte der Verband zu den vorher bereits verkündeten maximal 1.000 Zuschauern zurück. Mehr brauch es hier auch nicht, wenn man sich das allgemeine Interesse am lettischen Fussball mal so anschaut. Heute waren es immerhin 413, wobei die Zahl Deutscher die Gästezahl um einiges überstieg. Die mussten allerdings ebenso zunächst den kritischen Blicken der Security-Schränke standhalten, die anscheinend eifrig drauf aus waren, irgendwelche Ticketfälscher zu entlarven. Vorbei am Fressalien-Stand, der mit einem schier grenzenlosen Angebot an Backwaren, belegten Brötchen und in der Sonne dahinschmelzenden Donuts aufwartete und den Bierstand hinter uns gelassen, der mit zwei aus der Stadt stammenden Craftbieren aufwartete, stand man endlich im Drei-Seiten-Rund. Geiles Ding!
Neben den wohl größten Flutlichtern der Ostsee (sage und schreibe zehn Schweinwerfer-Reihen!) fallen direkt die beiden erhöht errichteten Hintertortribünen mit ihren Sitzschalen im blau-gelb-roten Sonnenuntergangsmuster ins Auge. Die wurden, entgegen der Historie des häufig als Nationalstadion betitelten Runds, allerdings erst 2018 fertiggestellt. Somit bietet das Stadion mitsamt seiner doppelstöckigen, unüberdachten Haupttribüne derzeit 10.461 fussballinteressierten Platz. Auf der Gegenseite thront immerhin die genauso überdimensionale Anzeigetafel vor den dahinterliegenden Bahngleisen. Eine vierte Seite wird’s daher wahrscheinlich nicht geben. Dafür soll wohl irgendwann in der nahen Zukunft ein Dach errichtet werden.
Wir ließen uns unterdessen unweit der Mittellinie nieder und ergötzten uns an der ausufernden Tartanbahn. Zum Glück hat da jemand beim Bau der Kurven mitgedacht, sonst würde man von der untersten Reihe nicht mal ansatzweise etwas vom Spiel mitbekommen. Wie bereits erwähnt waren alle zahlende Nasen im Schatten des Unterranges anzutreffen, wovon sich etwa zehn zu Anpfiff mit „Ultras Metta“ Shirts am linken Rand versammelten und die akustische Unterstützung aufnahmen. Was folgte war ein Dauersupport über weite Teile des Spiels, lange getragene Lieder und vor allem einige bis dato noch unbekannte Melodien. Der Haufen bereitete uns viel Spaß, sodass wir in der zweiten Hälfte in deren Nähe wanderten um dem abwechslungsreichen Liedgut zu lauschen. Kein Megafon, keine Trommel, dafür einige grün-weiße Zaunfahnen. Anstimmen aus der Kurve raus und Klatschen was das Zeug hält. Respekt, vor allem bei solchen Umständen und Ligen!
Denn nachdem der Platzwart einen Rasensprenger permanent per Hand drehen musst, um eine Ecke des Sechzehners nicht vollständig zu fluten, war das abgelieferte Spiel mehr als mau. Gut, die lettische erste Liga, in der gerade einmal zehn Teams in einer Vierer-Runde um die immer gleichen Gegner in der Euro- und Championsleague-Quali kicken, ist jetzt nicht mit der Serie A zu vergleichen. Interessant aber ist die große Zahl an offen deklarierten „Fußballschulen“ im Ligensystem, wozu sich auch der heutige Gastgeber, der 2006 gegründete Futbola Klubs Metta/LU zählt. Das „LU“ steht hierbei für Latvijas Universitāte, dem Kooperationspartner und letzten Endes auch Geldgeber des Vereins. Ziel der Kooperation ist es, junge Talente an den Club zu binden und gleichzeitig ein Studium an der prestigeträchtigen Uni zu ermöglichen. Viel gebracht hat es bis dato nüscht, schaffte Metta doch das ungewöhnliche Kunststück, seit nunmehr neun Saisons im Oberhaus zu kicken, von 2013 bis 2018 allerdings ununterbrochen die Saison auf dem Vorletzten Tabellenplatz abzuschließen. Ein gutes Pferd und so…
Über die heutigen Gäste, den BFC Daugavpils (nein, der Club stammt nicht aus Berlin, das Kürzel steht für Bērnu Futbola Centrs), welche mit dem Gründungsdatum 2009 ebenfalls ein noch recht unbeschriebenes Blatt darstellten, gibt’s jetzt auch nicht so viele Worte zu verlieren. Geschichtlich bedingt entwickelten sich die aktuellen Clubs allesamt erst in den 2000ern durch Fusionen und Neugründungen, zumal der eigentliche Ligabetrieb nach dem Ende der sowjetischen Besatzung 1991 erst nochmal langsam ins Rollen kam. Die Spielzeiten zwischen 1944 und 1990 waren lediglich Regionalmeisterschaften der Lettischen Sowjetrepublik.
Aber genug trockene Geschichte an dieser Stelle, denn ein paar Worte zum Kick sollen auch noch ihren mehr oder minder verdienten Platz finden. Denn das war schlichter Rumpelfussball. Mit einem krummen Treffer gelang den Gästen die Führung zur Halbzeit, in der wir uns dem schmackhaften und vor allem billigen Stadionfutter (ein belegtes Brötchen und eine sehr geile Nussschnecke) widmeten. Wieder waren es die Gäste aus Daugavpils, die mit einem wahren Kacktor die nächste Bude einnetzten. Da hatte der Heimtorwart wohl die frisch gewaschenen Handschuhe dabei. Gen Ende wurde es nochmal etwas spannend, doch die Gäste ließen nichts anbrennen und fuhren einen auch in der Höhe verdienten 1:4 Auswärtssieg ein.
Unser Torekonto freute sich, dass der Länderpunkte ebenso. Viel Zeit zum Verabschieden des astreinen Runds blieb jedoch nicht, denn der zweite Kick des Tages wartete bereits. Entsprechend nahm man die Beine in die Hand und den nächsten Bus gen Zentrum.