12.07.2020
12. Spieltag Meistriliiga
Nõmme Kalju FC - JK Tallinna Kalev
Hiiu kunstmurustaadion
Endergbnis: 2:0 (2:0)
Zuschauer: 407
Fotoalbum
Auch für den zweiten Kick der Tour organisierte man sich die Tickets vorab über den Online-Shop, da die maximale Anzahl an Personen im Stadion in diesem Fall auf 500 gedeckelt wurde. Auch hier letztlich eine gute Entscheidung, da weniger Stress und die Bude am Ende fast ausverkauft meldete. Die Anreise in den sich noch im Stadtgebiet befindlichen Vorort schaffte man unterdessen recht einfach per Bus bis zum Zentrum Nõmmes, wo ein kleiner Markt voller einheimischer Produkte begutachtet wurde. Feine Sachen, allerdings preislich nahezu auf der deutschen Stufe, also nichts für Schnäppchenjäger.
Den restlichen Weg bis nach Hiiu legte man dann per Pedes am Waldesrand entlang zurück, wobei man ebenso die ruhigen Wohngebiete begutachten konnte. Auf jede nette Hütte folgte auch irgendwo ein verfallenes Haus, aber insgesamt hatte die Gegend doch ein paar schöne Ecken. Überrascht waren wir, als wir plötzlich vor einer hölzernen Rampe standen, welche wir zunächst als Skateboard-Anlage deuteten. Ein genauerer Blick auf die dann folgenden Bauten zeigten allerdings das gesamte Ausmaß: Wir standen vor dem Nõmme Lumepark, dem Ski- und Snowboard-Areal der Hauptstadt, stilecht mit mehreren Skisprungschanzen! Vor allem die große Schanze wirkte regelrecht gigantisch, allerdings auch ebenso marode. Altes Holz und Risse in den steinernen Stützen würden mich da jetzt nicht unbedingt rauf bewegen.
Ein paar Bilder später erreichte man das Hiiu kunstmurustaadion, Spielstätte des heutigen Tages. Auch hier gab’s die Tickets zum Erstligakick für nen einheitlichen Fünfer, die wir im unschönen A4-Format bereits in den Taschen hatten. Dafür gab’s dann eine kleine Anlage mit dem im Stadionnamen bereits beinhalteten Kunstrasenplatz. Ausbautechnisch stellte die dreistufige Holztribüne das Highlight dar, wobei das danebenstehende Baugerüst mit weiteren sieben Stufen wohl die bis dato unsicherste Stahlrohrkonstruktion darstellte, die ich jemals außerhalb dubioser Stuckateurbetriebe zu Gesicht bekam. Da konnten die Beine in luftiger Höhe zwischen den Stufen ziemlich frei baumeln.
Das Gleiche dann nochmal hinterm Tor, am heutigen Tag allerdings geschlossen, sodass im gesamten Rund lediglich eine Seite geöffnet war. Den gegenüberliegenden Wald außerhalb der Anlage nutzten derweilen ein paar Sparfüchse für einen Kick für lau, hatten von dort aber auch die bessere Sicht, weshalb während der Partie auch einige im Stadion Anwesende den Gang auf die andere Seite in Angriff nahmen. Da irgendwann auch das Wetter passte bzw. das anrollende Gewitter nördlich vorbeizog, konnte man sich bei blauem Himmel mit den Gegebenheiten mehr und mehr anfreunden.
Für einen ausgiebigen Test des Verpflegungsstandes waren die Bäuche unterdessen noch zu voll, aber die Burger und das allseits bekannte schwarze Knoblauchbrot im Becher machten optisch definitiv was her. Beim Anblick der grünen Dixi-Klos legte man ebenso eine Pause in Sachen Bierkonsum ein, der während der Tour bereits ausufernd ausfiel. Der Geruch regte zumindest zum Platzwechsel an. Einen Sitz fand man dann im heutigen „Gästeblock“, sprich zwischen der unorganisierten, blauen Handvoll Anhänger von Tallinna Kalev.
Mit im Gepäck hatten die immerhin eine Zaunfahne mit Logo des geschichtsträchtigen Vereins, der zu Beginn der 60er als einziger estnischer Verein in der höchsten Spielklasse der Sowjetunion vertreten waren, in der Folge allerdings für fast 40 Jahre nicht mehr existierte. Erst seit 2002 spielt Tallinna Kalev wieder Fussball, und das seitdem eher als Fahrstuhlmannschaft. Auch aktuell zeigt die tabellarische Formkurve nach unten. Ganz im Gegenteil zu den Pink-Schwarzen Hausherren, die zwar ebenfalls Ende der 90er neugegründet wurden, in den letzten acht Jahren allerdings sämtliche vereinshistorisch bedeutenden Erfolge feierten. Zwei Mal Meister und einmal Pokalsieger, dazu zwölf Teilnahmen an der Quali zur Champions- und Europaleague und auch in dieser Saison steht der Vorstadtclub weit oben in der Tabelle.
Klar, dass sich da in den letzten Jahren auch sowas wie eine aktive Fanszene bildete, die sich getreu der Vereinsfarben als „Rosa Panter“ bezeichnen, zweier Zaunfahnen mitinbegriffen. Nach der Holland-Techno Musikbeschallung vor Anpfiff versammelte sich der Haufen am linken Rand der überdachten Tribüne und zeigte ein kleines Fahnenintro, ehe eine gezündete Feuerwerksbatterie unsere Estland-Pyro-Quote auf 100% katapultierte. Scheinbar hier alles kein Problem und sogar gern gesehen, wenn man mal den, der Aktion folgenden, Applaus da hinein deuten will.
Unter Trommeleinsatz bemühten sich die 20-30 Mann um akustische Unterstützung, die zu Beginn dann doch eher Bierzeltcharakter aufwies. Dazu dann auch passend die Damenwelt in schwarzen Stöckelschuhen und pinken Fellmantel. Sporadisch gabs ein paar bekannte Gesänge, die nach einer oder zwei Runden wieder endeten. Später folgten dann allerdings ein paar längere und vor allem textlastige Gesänge auf bisher unbekannte Melodien mit nordischem Flair. Hatte was! Im Gegensatz zum Vortag war hier im Übrigen fast schon Hopperauflauf angesagt, der zweite Kick im Nationalstadion am späten Nachmittag machte es wohl möglich. Von tschechischen Verhältnissen konnte allerdings keine Rede sein.
Auf dem künstlichen Geläuf unterstrichen die Hausherren nach nur wenigen Minuten ihre Ambitionen mit der Führung, was zusammen mit dem zweiten Treffer kurz vor Halbzeit jedoch das sportliche Highlight darstellte. Der Rest der Partei wurde dann mit angezogener Handbremse runtergespielt. Entsprechend froh war man mit Schlusspfiff, umrundete noch einmal die Bude für einen besseren Blick auf die Tribünen und nahm letztlich den nächsten Bus zurück nach Tallinn.
Auf die Freude auf „endlich wieder Fussball“ folgte alsbald die Ernüchterung, dass es das für vier Wochen wohl wieder gewesen war. Frustrierend, auf der anderen Seite kann man sich in den folgenden Tagen auch schon wieder auf die nächste Tour freuen!