12.05.2019
32. Spieltag Verbandsliga Hessen Süd
1. Hanauer FC - Hanauer SC
Heinrich-Sonnrein-Sportanlage
Endergebnis: 1:1 (0:1)
Zuschauer: 300
Fotoalbum
Die Suche nach einem zweiten Kick fürs Wochenende sollte nicht lange dauern, denn das Hanauer Derby stand schon seit längerer Zeit auf der Liste ganz weit oben. Dieses Mal beim HFC, weshalb die dortige Heinrich-Sonnrein-Sportanlage zuerst gekreuzt werde sollte. Hebt man sich die dicke Bude in der direkten Nachbarschaft eben für die nächste Saison auf.
Zum im Aufstiegsrennen zur fünftklassigen Hessenliga entscheidenden Duell erwartete man demnach eine gute Kulisse, was das, im Gegensatz zum Vortag, perfekte Wetter auch noch unterstrich. Leider sollte der Kick zeitlich verlegt werden, sodass erst um 17.45 Uhr (was ne Anstosszeit…) die Kugel rollte. Natürlich parallel zum ebenfalls verschobenen Rheinhessen-Derby der Frankfurter Eintracht gegen Mainz. Wenn das mal nicht den ein oder anderen Zuschauer kostet.
Dennoch gings voller Vorfreude die gut zwanzig Minuten hinauf nach Hanau. Das Auto fand seinen Stellplatz unweit des Eingangs, oder zumindest unweit der Tür, die man fälschlicherweise für den Eingang hielt. Daher gings direkt mal eine Runde um die Anlage zum Durchgang, wo man zu zweit faire neun Taler Eintritt hinterließ. Da eine Karte ermäßigt war und die andere nicht, das aber nicht auf den Tickets vermerkt war, kann man an dieser Stelle über die Preise nur mutmaßen. Schätze aber mal sechs Euro normal und drei ermäßigt.
Wenige Schritte später stand man auch schon in der Anlage ohne jeglichen Ausbau, die zudem auch noch komplett von Gras umgeben ist. Keine Pflastersteine, kein Teer. Wird bei Regen wohl schön matschig. Wobei, ohne Ausbau stimmt nicht ganz, denn die aktive Fanszene des Heimvereins baute sich selbst drei Stufe aus 276 leeren Bierkisten. Beweisfotos davon sind auf den gängigen Portalen zu finden. Daneben boten kleine Grashügel eine etwas erhöhte Position, wovon wir allerdings auf Grund der erwünschten Sicht auf die Heimszene Abstand nahmen. Ansonsten liegt der Platz inmitten einer grünen Idylle, die höchstens von ab und an vorbeifahrenden Schnellzügen der nahen Bahnstrecke gestört wurde.
Während man die Verpflegung in Form von Schweinesteaks und Radler aus der Bügelflasche ausgiebig testeten (und für lecker befanden, wobei man die angepriesene Bratwurst vom lokalen Bauern leider nicht probierte), schienen die anfangs gesteckten Erwartungen in Sachen Zuschauer nicht ganz aufzugehen. Am Ende waren es 300, was im Großen und Ganzen für die hiesigen Verhältnisse wohl in Ordnung geht.
Davon sammelten sich stattliche 25 zu einem ordentlichen Haufen auf der eigens errichteten Mini-Tribüne und flaggten einige Zaunfahnen an die Bande. Danach legten die „Supporters Hanau“ auch gesanglich gut los. Größtenteils sporadisch, gab es über das gesamte Spiel verteilt Melodien aus deutschen Stadien sowie bekannter Lieder aus Funk und Fernsehen. Von „Que Sera Sera“ über „I was made for lovin‘ you“ bis hin zum öfters vorgetragenen, englischen Schlachtruf “Come on Hanau” war so ziemlich alles dabei. Zu Beginn des zweiten Durchgangs gabs sogar eine kleine Pyroshow bestehend aus mehreren weißen Rauchfackeln. Alles in allem ein schicker Auftritt, den man in dieser Konstanz nicht erwartet hätte.
Warum die Hausherren über eine solch respektable Fanszene verfügen, wird bei einem kurzen Blick auf die Geschichte des Clubs recht schnell klar. Denn der 1. Hanauer Fußball-Club 1893 ist nicht nur der erste Verein Hanaus, sondern auch der älteste Fussballverein Hessens und somit wichtiger Bestandteil des deutschen Fussballs. Im Jahre 1900 zählte er zu den Gründungsmitgliedern des DFBs und stellte über zwei Jahrzehnte eine der besten Mannschaften im Südwesten. Zwischen 1902 und 1938 spielten die Schwarz-Weißen sogar acht Mal um die süddeutsche und drei Mal um die deutsche Meisterschaft.
Der größte Erfolg datiert allerdings aus dem Jahr 1894, als es der HFC bis ins Endspiel der deutschen Meisterschaft schaffte. Dort sollte man bei der Viktoria aus Berlin antreten, was für den Verein allerdings wirtschaftlich nicht stemmbar war. So musste auf die Anreise verzichtet werden, was gleichbedeutend mit der kampflosen Vizemeisterschaft war. Im Sommer 2007, also 113 Jahre nach Erstaustragung, entschied Viktoria das neu ausgetragene (Show-) Finale auch sportlich für sich. Eine nette Sache und ein schönes Stück deutscher Fussballgeschichte.
Auch später machte sich Hanau nochmal einen Namen und spielte einige Jahre in der 2. Bundesliga (zuletzt 1978/79), ehe es über die Jahre beständig bergab ging. Nachdem man sogar bis in die Tiefen der A-Ligen vordrang, geht’s aktuell immerhin um den Aufstieg in die fünftklassige Hessenliga. Und da stellte die Partie gegen den Stadtrivalen eine echte Vorentscheidung dar, spielten doch die zweitplatzierten Hausherren gegen den Dritten. Die Gäste, ein 1960 hauptsächlich von kurdischen Gastarbeitern gegründeter Verein, wurden dabei ebenfalls von zahlreichen Anhängern unterstützt, allerdings ohne erkennbares Tifo oder sonstige Untermalung. Ein paar „Sechzig“ Rufe gab es hier und da aber dennoch.
Und zu Beginn war es vor allem der SC, der etwas besser ins Spiel kam und in der ersten Hälfte die zwischenzeitlich verdiente Führung erzielte. Spielerisch war das Ganze allerdings wenig ansehnlich und vom vielen Rumgehacke und den daraus resultierenden Unterbrechungen zerfahren. So auch von den betagteren Stehnachbarn als „bisschen dünn für ein Spitzenspiel und Stadtduell“ kommentiert.
Hektischer wurde es dann erst wieder im letzten Drittel, als zunächst 93 den Ausgleich erzielte, ehe die vorher schon fleißig verteilten gelben Karten Früchte trugen. Wegen erneuten Fouls und Beleidigungen (Spieler zum Schiri: „Seit wann verstehst du Türkisch?“) hagelte es am Ende satte vier rote Karten, gleichmäßig verteilt auf beiden Seiten. Die stark dezimierten Teams versuchten es nochmal, doch am Ende blieb das 1:1 bestehen. Ganz zur Freude der anwesenden Mannschaft von Rot-Weiß Walldorf, die damit sicher Meister waren und dies auch ausgiebig zelebrierten. Für den HFC geht es nun ziemlich sicher in die Relegation, während sich der SC aus dem Aufstiegsrennen endgültig verabschiedete.
Damit endete auch unser Nachmittag in Hanau, der mit Sicherheit nicht der letzte war. Denn neben dem noch nicht besuchten Stadion des SC machte auch die Stadt einen netten ersten Eindruck, dem man in der nahen Zukunft gerne vertiefen möchte.