21.04.2019
29. Spieltag 1. česká fotbalová liga
AC Sparta Praha - MFK Karviná
Stadion Letná
Endergebnis: 1:3 (0:2)
Zuschauer: 10.425 (25 Gäste)
Fotoalbum
Der Sonntag startete mit ungewöhnlichem Ausschlafen, was direkt mit der Anstoßzeit um 17.00 Uhr zusammenhing. Demnach ließ man sich morgens viel Zeit, futterte erstmal wieder ein Stück des mitgebrachten Frühstücks und gönnte sich, an Stelle des widerlichen Instantkaffees, eine erste Dose Bier auf dem Balkon in der morgendlichen Sonne. Könnte man sich dran gewöhnen. Im Anschluss gings wieder kurz in die Innenstadt, ehe man sich mit der Tram dank Baustelle verfuhr und früher als erwartet in der Nähe des Letná eintraf.
Die Chance nutzte man mal eben für ein paar neue Fotos der mittlerweile verblassenden Graffitis am großen Stadion, ehe man zwecks Futtersuche in einer Dönerbude fündig wurde. Mit vollen Magen begab man sich auf der Suche nach einem Zeitvertreib für die gut drei Stunden bis Anpfiff, wobei man letztlich in einer nahen Kneipe voller Sparta-Fans versackte. Das Bier war kalt und floss daher in Strömen, was die Zeit bis zum erneuten Aufbruch radikal verkürzte. Per Pedes gings nun auf die knapp fünfhundert Meter „weite“ Strecke zur Heimspielstätte Spartas.
Dort wollten zunächst die Tickets erworben werden, da man im Vorfeld bewusst auf eine Online-Bestellung verzichtete. E-Tickets und so, mehr muss ich denke ich nicht sagen. Da Sparta zudem nur eine Semi-Runde spielt und mit dem MFK Karviná beileibe kein interessanter Gegner zu Gast war, brauchte man sich über den Status ausverkauft sowieso keine Gedanken zu machen. So kam es zwar, dass die zunächst ausgesuchten Oberrangtickets auf der Nord nicht mehr zu haben waren (bzw. keine drei Plätze nebeneinander), man jedoch stattdessen die deutlich günstigeren Tickets für den Unterrang auf der gleichen Tribüne zog. Mit 190 Kronen pro Nase (also etwa 7,40€) mal wieder ein echter Schnapper für ne erste Liga.
Nach kurzer Schlange an den Kontrollen gings auch schon rein in die feine Stube, wobei unsere Plätze in der dritten Reihe im Block D80 (höhe Grasnarbe hinterm Tor) alles andere als Jubelstürme auslösten. Daher gab man selbige direkt wieder auf, bestieg den Oberrang dank fehlender Ordner und suchte sich eine freie Reihe aus, die es letztlich auch bleiben sollte. Glück gehabt!
Endlich hatte man nun Zeit, seine Blicke durch die Bude schweifen zu lassen. Ein schnörkelloses, reines Fussballstadion mit wenig außer blankem Beton und roten und blauen Sitzschalen. So, wie es sein sollte! Einzig die Haupttribüne, ebenfalls in den Vereinsfarben rot-blau-gelb gehalten, wirkte insgesamt dank eingelassener Glasfassaden etwas moderner. Ungewöhnlich dagegen ist die Bauweise an sich, da das Stadion eigentlich als Fünfeck errichtet wurde. Die angrenzende Straße erforderte ein „abknicken“ der Nord in eine gewisse Schräge. Zudem suchte man Flutlichtmasten vergebens, da die Beleuchtung recht hässlich in Reihen auf dem Dach montiert wurde.
Dennoch versprühte der Bau echt viel Charme und wusste zu gefallen. Mit genau 21.362 Plätzen auch nicht wirklich klein, wenn auch mal wieder ein All-Seater. Dabei ist dieser Ort seit jeher das heilige Grün Spartas. Seit 1917 spielt der 1893 gegründete Club an dieser Stelle, wobei das Stadion zu Beginn des Öfteren Zwangsrenoviert werden musste. So 1934, als ein Feuer die damalige Holztribüne zerstörte, sowie 1945 im Zuge des Kriegsendes. 1967 bis 1969 erhielt das Stadion seinen umläufigen Oberrang, ehe seit 1994 seine jetzige Form besteht.
Leider kursieren in den letzten Jahren immer wieder Meldungen, dass der Tschechische Fußballverband, welcher seine Heimspiele ebenfalls im Letná austrägt, an gleicher Stelle eine neue, modernere Arena für bis zu 40.000 Zuschauer plant. Hoffen wir mal, dass dieser Plan nicht allzu schnell in die Tat umgesetzt wird. Denn eine solch große Bude wird Sparta wohl nur selten voll bekommen. Am heutigen Tag waren es immerhin gut 10.000 Schaulustige, die bei sommerlichem Osterwetter die Traversen bevölkerten. In dieser Saison und bei diesem Gegner vergleichsweise Top, weshalb das Stadion an sich auch gut gefüllt ausschaute.
Das Hauptaugenmerk galt jedoch der uns gegenüberliegenden Tribüne, auf dem sich der aktive Kern rund um die Ultras Sparta versammelten. Dieser bestach direkt, wie auch das restliche Rund, mit einer ausgeprägten Zaunfahnenkultur. Ohne alles gezählt zu haben, dürften da bestimmt 50-60 Fahnen unterschiedlichster Größe gehangen haben. Blickfang natürlich die beiden Großen „Ultras Sparta“ und „Letenští“ Lappen, die das Stadtwappen sowie die Fahne der sportlichen Fraktion („Mladá“) einrahmten. Bis auf die unschön aufgehängte Hauptfahne ein schickes Bild in der ganzen Bude.
Der Mob an sich war dann zahlenmäßig nicht ganz so groß, wusste dafür gesanglich aber umso besser zu überzeugen, da die Mitmachquote im abgetrennten Block schlichtweg bei 100% lag. Zusammen mit einigen ebenfalls Motivierten aus den Nachbarblöcken gabs teils innbrünstige Gesänge auf bekannte und unbekannte Melodien, die durchweg lange gehalten wurden und niemals wirklich abflachten. Dazu bockstarke Wechselgesänge und extrem viele Klatscheinlagen.
Im Zuge des für Sparta eher kontraproduktiven Spielverlaufs entwickelte sich im zweiten Durchgang eine wahre Scheissegaleinstellung, mit welcher sich der Mob immer mehr in einen Rausch sang und gegen Ende förmlich explodierte. Geil! Abstriche machen musste man unterdessen beim eingesetzten Tifo, denn bis auf drei weiße „Anti SKS“ Fahnen (Slavia) und einigen weiteren Schwenkern in Vereinsfarben gabs wenig. Da war uns an diesem Tag aber sowieso die Lautstärke und Atmosphäre im Allgemeinen wichtiger.
Für einen persönlich ersten Berührungspunkt mit der tschechischen Ultrakultur schonmal nicht schlecht. Gleichzeitig hatte man aber auch das Gefühl, dass da noch so einiges geht. Bock auf mehr ist gegeben! Zu den Gästen gibt’s indes nicht viel zu sagen. Zum einen bekam man selbige aufgrund der Plätze nicht zu Gesicht, zum anderen gaben die gut 25 mitgereisten Grün-Weißen vielleicht drei oder vier Schlachtrufe während des Spiels zum Besten. Daher wenig bis nicht einschätzbar, was den ersten Eindruck mit der Szene des MFK angeht.
Sportlich stand an diesem Tag ein durchweg uninteressantes Spiel auf dem Programm, da am 29. Spieltag (von 30) die weiteren Wege für beide Vereine bereits feststanden. Für Sparta geht’s in die Meisterschaftsrunde (ausgespielt zwischen den ersten 6 Teams der Tabelle), während der MFK in die Abstiegsrunde muss (ausgespielt zwischen den letzten 6 Teams). Kurze Erklärung dazu: In diesen Runden stehen quasi nochmal fünf Spieltage an (Also nicht Hin- und Rückspiel wie z.B. in Belgien), während die Punkte aus der Hauptrunde komplett mitgenommen werden. Daher stand schon vor Teilnahme Spartas an der Runde fest, dass es auch dieses Mal nicht zu einem Titel für den Rekordmeister reichen wird.
Für den erfolgsverwöhnten Anhang des (kombiniert mit der Zeit in der Tschechoslowakei) 32 fachen Meister und 26 maligen Pokalsiegers ein nur schwer zu tolerierender Zustand. Aktuell sind es eher Slavia und Pilzen, die die Liga dominieren und in regelmäßigen Abständen vor Sparta landen. Dies führte in den vergangenen Jahren zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen der Szene und der Vereinsführung, was im Dezember 2018 im bekannten Video gipfelte. In selbigem, was auch in Deutschland mal wieder hohe Wellen schlug, machten drei mit Baseballschläger, Maschinengewehr und Bazooka (!) bewaffnete Anhänger der Führungsriege des Vereins die Ansage, dass man doch bitte wieder auf den Fussballthron des Landes zurückkehren möchte. Ganz friedlich und freundlich natürlich.
Das Mal so nebenbei genannt, ist Sparta aber auch tatsächlich nur noch dritte Kraft im Land und sogar nur noch Zweite in der eigenen Stadt. Für den Verein, zu dessen größten Erfolgen zudem zwei Halbfinaleinzüge im UEFA Cup als auch im vorangegangenen Europapokal der Pokalsieger gehörte (sowie zuletzt das Erreichen des Viertelfinales der Euro League 2015/16) und auf knapp 300 internationale Spiele zurückblicken kann, ein aktuell recht schwieriger Zustand.
Daher hagelte es auch an diesem Tag Pfiffe für die eigene Mannschaft, die es gegen den Vorletzten der Tabelle schafften, in unter vier Minuten hinten zu liegen und nach gut 20 Minuten sogar das zweite Tor zu kassieren. Das dritte Gegentor nach der Pause war dann recht ansehnlich und erhielt, zwischen all der Häme, auch ein wenig Applaus, ehe Sparta kurz vor Schluss zumindest den Ehrentreffer schaffte.
Den ohnehin schon gut aufgelegten harten Kern Spartas interessierte das eigene Tor jedoch mit am wenigsten, da dies in den Gesängen komplett unterging. Nur nach Abpfiff änderte sich die Stimmung schlagartig in ein gellendes Pfeifkonzert, weshalb die Runde der Mannschaft durchs Stadion den ungefähren Durchmesser des Mittelkreises hatte. Der Kick war vorbei, der Favorit geschlagen und das Stadion blitzartig verwaist.
Daher verabschiedeten auch wir uns vom nunmehr letzten Kick der Tour, ehe es durch einen großen Park hinunter in die Stadt ging. Bei Unmengen Pivo und Chickenwings ließ man es sich abends gut gehen, ehe man am frühen nächsten Morgen wieder nach Hause tourte.
Hier gibt’s viele weitere Bilder!
Kleines Fazit: Tschechischer Fussball kann was! Kulinarisch top, Stadien geil und Fanszenen mitunter vorhanden. Nur das Gerumpel auf dem Rasen selbst könnte etwas besser sein.