09.02.2019 23. Spieltag 3. Liga FC Carl Zeiss Jena - Karlsruher SC Ernst-Abbe-Sportfeld Endergebnis: 1:1 (1:1) Zuschauer: 5.337 (ca. 600 Gäste) Fotoalbum
Im Zuge der geplanten oder zumindest immer wieder angedeuteten Umbaumaßnahmen im Ernst-Abbe-Sportfeld rückte selbiges zu Beginn des Jahres auf die Prioritätenliste. Gerade die mögliche Schließung der Südkurve verheißt alles andere als eine stabile Zukunft, weshalb man schon früh nach möglichen Kicks Ausschau hielt. Die Partie gegen Karlsruhe sollte es am Ende werden. Ein guter Gegner auf den Rängen, eine entspannte Ticketsituation und ein für beide Seiten sportlich entscheidendes Duell stellten Gründe genug dar, sich Samstagmorgens recht ausgeschlafen aus dem Bett zu schälen.
Dank der kurzfristig zusammengeschusterten Pläne gings erst um halb zehn auf die Autobahn, auf der die gut dreistündige Fahrt gänzlich ohne Verzögerungen abgespult werden konnte. Gut neunzig Minuten vor Anpfiff begrüßte uns schließlich die Plattenbausiedlung Lobeda, der bevölkerungstechnisch größte Stadtteil der zweitgrößten Stadt Thüringens. Auch wenn manch Hochhaus hier und da in den Jahren aufgehübscht wurde, versprüht die Gegend dennoch den Charme einer sozialistischen Planstadt, wie man sie unter anderem in China schon oftmals vor die Augen bekam.
Den Ortseingang hinter uns lassend erreichte man wenig später das Paradies, der große Park der Stadt. In selbigem liegt das Ernst-Abbe-Sportfeld, in direkter Nachbarschaft zur Saale, die dem alten Bau schon des Öfteren zum Verhängnis wurde. Das Auto fand indes einen Stellplatz in einer Seitenstraße, ehe es Schritt für Schritt gen Stadion ging. Am Eingang erstand man zwei Tickets à 16 Taler für den zentral gelegenen Block K der Gegengerade. Die hat zwar kein Dach, doch bei dem super Wetter konnte man sich die deutlich teureren Tribünentickets schenken.
Während es für uns als nächstes durch die Kontrollen ins Innere ging, schien die Staatsmacht in Gänze etwas übermotiviert. So erspähten die Blauen anscheinend zwei SVler der Heimszene, welche schlichtweg vorm Eingang standen. Jeweils fünf Mann nahmen es sich in der Folge zum Ziel, jeweils einen der SVler im Pulk zu bedrängen und schließlich, ohne Gegenwehr, diese rabiat zu den Streifenwagen zu zerren. Vom eigenen Standpunkt aus löste diese Szene erstmal Unverständnis aus, jedoch sind an dieser Stelle auch nicht alle Hintergrundinformationen bekannt. Somit bleibt es bei der Beschreibung des Gesehenen.
Im Anschluss gings weiter gen Futterbuden, denen als nächstes ein Besuch abgestattet wurde. Eine Thüringer wurde es dann aber doch nicht, zumal man eh nicht der absolute Bratwurst-Fan ist. Eher war es die Frikadelle, hier auch Boulette genannt, die unsere Gaumen verwöhnte. Absolut geiles Teil! Ein Schwarzbier im netten Becher gabs dann noch auf die Hand und schon gings hinein in die gute Stube.
Das Ernst-Abbe kommt im Großen und Ganzen sehr oldschoolig daher, wie man ja so gerne sagt. An allen Ecken und Kanten spitzt der Charme vergangener Tage hervor, wie in Form des großen, hölzernen Uhrenturms im Norden. Die ausufernde Haupttribüne stellt den nächsten Blickfang dar, während sich die berühmte zweigeteilte Südkurve zu unserer Linken erstreckte. Die freistehende Gegentribüne, auf welcher wir uns zunächst auf den erworbenen Plätzen niederließen, selbige aber wenig später gegen einen Stehplatz am oberen Ende und näher an der Süd eintauschten, bestach ebenfalls mit ihrer in die Jahre gekommenen Optik.
Ein kurzer Blick auf die im Vergleich recht kümmerliche Nordkurve lässt im Ansatz einen der Gründe erahnen, weshalb sich die Zeisser Fanszene seit Jahren gegen einen Umzug dahin sträubt. Entsprechend verwaist waren dortige Kurven, wobei ein Teil sogar lediglich als Platz für Zaunfahnen herhielt. Auch das Panorama konnte sich sehen lassen, sei es die Innenstadt mit dem markanten Jentower oder auch die Aussicht auf die die Stadt einrahmenden Berge. Hat was!
Während die Fahnenträger auf dem Rasen mit dem Wind kämpften und manch Werbebande den Kampf bereits verlor und durch die Gegend flog, startete so langsam das Treiben in den bis dahin noch stillen Kurven. Die Jenaer Südkurve startete mit einem geschlossenen Schalintro und zahlreichen Fahnen und Doppelhaltern ins Spiel, ehe der Startschuss für einen melodisch geilen Nachmittag folgte. Mit einer absoluten Top Quote, die besonders durch die leidenschaftlichen Ansprachen des Capos geformt wurde, trugen die Blau-Weiß-Gelben ihre Gesänge teils lautstark und mit einer beeindruckenden Konstanz aufs Spielfeld.
Gerade die eher ungewöhnlichen oder teils noch nie gehörten Melodien wie das „Stellt euch vor wir fahren nach Baku“ schafften es zum Ohrwurm, während der Einsatz verschiedener Trommeln und Trillerpfeifen den Support in Gänze außergewöhnlich machte. Gerade bei den häufigen Hüpf- und Klatscheinlagen wurde die schon angesprochene hohe Mitmachquote nochmals deutlich, während die Gesänge allgemein sehr lange gehalten wurden. Auch im späteren Verlauf wurde in Sachen Tifo nicht gespart. Immer wieder kamen alle Schwenkfahnen zum Einsatz, während sich die Zaunbeflaggung aufgrund der aktuellen Posse rund um die Südkurve größtenteils auf diese Thematik beschränkte.
Und auch die Haupttribüne und Gegenseite blieb keinesfalls die ganze Zeit still, sondern starteten immer wieder vereinzelte Rufe und Wechselgesänge. Im zweiten Durchgang wurde der Support sogar noch ein Stück weit leidenschaftlicher, bis hin zu einem spontanen Zünden eines Blinkers nach einem gehaltenen Elfmeter. Nach einer guten Stunde gabs dann noch was auf die Augen: Ohne erkennbare Vorbereitung oder große Ankündigung stieg plötzlich blauer, weißer und gelber Rauch in die Luft, der die Kurve binnen Sekunden komplett einnebelte. Leider blies der an diesem Nachmittag starke Wind einen Großteil des farbigen und wohlig duftenden Qualms wieder von dannen, was jedoch auch den Vorteil hatte, dass das Spiel nicht unterbrochen wurde. Zumindest aus finanzieller Sicht nicht verkehrt. Man merkt, wir waren insgesamt begeistert. Hätte ich in dem Ausmaß nicht erwartet. Eine Top Kurve, bei der an diesem Tag nahezu alles passte.
Ähnlich stark präsentierte sich auch der Gästeblock, bestehend aus gut 600 mitgereisten Karlsruhern. Auch hier startete man optisch ansprechend mittels vieler mittelgroßer Schwenker und dem Banner „Auf ihr Helden“, bevor der Spielsupport ebenso Lautstark von statten ging. Gerade die typischen Gassenhauer und Schlachtrufe schepperten so richtig, während man auch hier in Sachen Mitmachquote wenig zu meckern hatte.
Der Support selbst war dann aber wieder ein ganz anderer. Geprägt von schnellen Gesängen und häufigeren Liedwechseln konnten sich die Blau-Weißen so immer wieder besonders am Anfang eines Gesangs Gehör verschaffen. Besonders der Jubel nach dem Ausgleich kurz vor der Halbzeit brachte das Stadion zum Beben. Welche der beiden Kurven nun besser oder lauter waren? Keine Ahnung, zumal beide einfach nur Spaß machten. Vom eigenen Standort her kamen beide aber in etwa gleich laut rüber.
Sportlich schien die Partie eine klare Nummer zu werden. Der KSC könnte als Zweiter mit einem Sieg näher an den Spitzenreiter aus Osnabrück kommen, welcher am Vorabend bereits patzte. Jena hingegen steckte tief unten drin und braucht jedes Pünktchen für den Kampf um den Klassenerhalt. Doch auf dem Feld entwickelte sich schnell ein sehr starkes Spiel, in dem die Gäste, nach einer frühen Drangphase, das Heft aus der Hand gaben. Jena daraufhin besser und mit dem verdienten 1:0, ehe Karlsruhe mit der ersten Chance zum Pausenpfiff ausgleichen konnte.
In der 55. Minute verabschiedete sich zunächst der Karlsruher Torschütze mit Gelb-Rot zum frühen Duschen, ehe die Gäste in Unterzahl einen Strafstoß rausholten… und versiebten! Eskalation im Heimbereich mit anschließender Pyroshow, während es auf dem Feld keinen Sieger mehr geben sollte. Spielerisch verdient wäre es sicherlich für beide gewesen. Karlsruhe konnte, trotz einiger vergebener Großchancen, mit dem Punkt gut leben, entsprechend positiv verlief das Abklatschen mit der Mannschaft. Da hat man ja immerhin einen Punkt auf den Tabellenführer gut gemacht. Doch auch Jena feierte die eigenen Spieler, insbesondere aufgrund der aufopferungsvollen Haltung der Akteure. Insgesamt ein Kick, bei dem alles passte.
Im Anschluss gings für uns per Auto weiter in die Innenstadt, wo das Gefährt einen neuen Stellplatz auf dem zentralen Platz der Stadt fand. Per Pedes gings nun etwas durch die Stadt, vorbei am Carl-Zeiss-Platz und einem kurzen Abstecher ins Paradies schließlich durch die engen Gassen der Altstadt. Zu guter Letzt kehrte man ins Gasthaus „Zur Noll“ ein und erfreute sich an Schwarzbierbraten und anderen regionalen Köstlichkeiten aus der Thüringer Küche, ehe die wiederum unspektakuläre Rückfahrt anstand.
Die wurde erst ab dem Zeitpunkt nochmal spannender, als Mitten im Nirgendwo der Akku des Navis langsam schlapp machte. Glücklicherweise schaffte man es ohne unnötigen Umweg zurück in den Frankfurter Raum. Notiz an mich selbst: Ein Ladekabel hilft manchmal…