Bundesliga: Hertha BSC – VfL Borussia Mönchengladbach

22.09.2018
4. Spieltag Bundesliga
Hertha BSC - VfL Borussia Mönchengladbach
Olympiastadion Berlin
Endergebnis: 4:2 (2:1)
Zuschauer: 51.852 (ca. 6.000 Gäste)
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Nach dem nicht gerade wenig anstrengenden Auftakt am Vorabend in Szczecin ging man den Samstagmorgen etwas ruhiger an. Daher war erstmal Ausschlafen sowie ein gemütliches Frühstück aus dem lokalen Supermarkt angesagt. Nachdem man was zu beißen hatte und der Kaffee aus dem Kühlregal die Seele so langsam berührte, machte sich unser kleiner Haufen wieder auf in Richtung Innenstadt. An diesem Tag stand der erste Spielbesuch im Olympiastadion an, entsprechend groß mal wieder die Vorfreude. Besucht hatte man die Anlage zwar schon vor ungefähr 15 Jahren, damals allerdings noch ohne Spiel und ohne große Erinnerungen daran zu haben, den jungen Kindertagen sei Dank.

Auf dem Weg zum Stadion blieb aber auch noch genügend Zeit um für Berlin-Neuling Kev einige wichtige Ecken der Stadt abzugrasen. Bei, gegenüber dem Vortag, gefühlten 20° weniger gings per S-Bahn zunächst von Köpenick zur Warschauer Straße, wo neben der Oberbaumbrücke allen voran die East Side Gallery auf der Agenda stand. Hier wurden einige verbliebenen Meter der Berliner Mauer mit unzähligen Kunstwerken in Graffiti-Form verschönert, die nicht nur national große Bekanntheit finden. Aufgrund des wirklich enormen Touri-Andrangs passierten wir die Strecke jedoch recht schnell, nahmen die S-Bahn ab Ostbahnhof und widmeten uns als nächstes dem Hackeschen Markt. Dort gings auf eine kurze Tour durch die vielen kleinen Höfe, ehe man sich je ein saftiges Schweinesteak als kleines Mittagessen vor Ort einverleibte.

Der nächste Stopp sollte ursprünglich am Hauptbahnhof erfolgen, was man aufgrund einer dortigen Demo wieder verwarf und stattdessen sehr früh in Richtung Olympiastadion aufbrach. Auch hier wollte man sich noch etwas intensiver den örtlichen Gegebenheiten rund um die große Schüssel widmen, sodass man gut 90 Minuten vor Anpfiff am Bahnhof per S-Bahn eintrudelte. Schnurstracks ging es nun auf den unglaublichen Bau zu, der mit seinen unzähligen Säulen und Marmorsteinen stark an römische und griechische Bauten erinnerte. Mit jedem Schritt saugte man weitere Details des Kolosses auf und Begann, die komplette Anlage einmal zu umrunden.

Zuerst zum olympischen Platz, an dem der berühmte Torborgen mit den fünf olympischen Ringen thront, vorbei am Schwimmbad mit seinen beiden großen Tribünen bis zum Glockenturm und Marathontor, zu dessen Fuße sich der Gästeblock erstreckt. Auffällig war dabei, dass weder Zäune noch sonstige Absperrungen Heim- und Gästefans voneinander trennen. Man konnte sich schlichtweg frei bewegen und war nicht wie sonst üblich eingesperrt hinter eisernen Gardienen.

Im Anschluss an unseren kleinen Rundgang gings zu unserem ausgewählten Block 31.2. Im Oberrang gelegen, durfte man sich dadurch zusätzlich den oberen Umlauf anschauen, der ebenfalls durch seine Säulen, braune Farbe und unzählige Feuerhalter an alles, außer ein Stadion erinnert. Mit dem Eintritt durch die Pforte änderte sich dies natürlich schlagartig. Ein weitläufiger, dunkelgrauer Fussballtempel breitete sich vor unseren Augen aus, der im ersten Moment um einiges größer wirkt als seine letztendliche Kapazität von immer noch erstaunlichen 74.475 Plätzen. Dabei handelt es sich beim All-Seater um ein Erdstadion, bei dem lediglich der Oberrang über die Oberfläche herausragt.

Trotz der völligen Abstinenz von Stehrängen und der großen, ungewöhnlich blauen Laufbahn, gefiel der Bau selbst unter dem Gesichtspunkt eines Fußballstadions über alle Maßen. Die Verbindung zwischen den alten Gemäuern und den modernen Umbauten, wie dem neuen Dach, verleiht dem aktuellen Olympiastadion eine wahre Einzigartigkeit, welche es für mich persönlich zu einem der Schönsten der aktuellen Bundesliga macht. Auch in Sachen Sicht konnte man, trotz runder Bauweise, wenig bis gar nicht meckern, wenngleich man das Ganze natürlich weniger für den Gästeblock und die Heimkurve behaupten kann. Ihr merkt, wir waren begeistert.

In Sachen Fans hatte man vereinzelte bis gar keine Erwartungen, zumal man bis dato recht wenige Kontaktpunkte mit der Hertha vorweisen kann. Ein Gastauftritt der Hauptstädter im Januar 2017 in Leverkusen stellte bisher unsere einzige Erfahrung mit dem blau-weißen Teil Berlins dar. Somit blieben lediglich die im Netz geläufigen Meinungen zur Hertha hängen: Verloren im zu großen Stadion, selbiges nur selten voll und eine extrem erfolgsabhängige Kurvenleistung. Dass ich für gewöhnlich nicht viel auf solche Behauptungen gebe und mich lieber persönlich eines Besseren überzeuge ist eine gesunde Einstellung, die halt eben nur nicht immer gelingt. Zu prägnant war einfach das schon so oft übermittelte Bild eines fast leeren Stadions, ganz egal ob im TV oder in einschlägigen Fanzines. Dennoch versuchte man, alles Negative im Vorhinein auszublenden, was glücklicherweise dann auch gelang.

So dürfte der gute Saisonstart der Berliner für eine gut gefüllte Hütte sorgen, während die immer stärker werdende Rivalität zwischen dem Herthaner Anhang und seinem Pendant auf Gladbacher Seite, welcher seit kurzem eine ganz offizielle Freundschaft  zu Union unterhält, dem Geschehen auf den Rängen nochmals etwas einheizen dürfte. Mit beiden Vorahnungen sollte man Recht behalten, knapp 52.000 Zuschauern sind für die Bundesliga definitiv mehr als in Ordnung, wovon gut 6.000 dem heutigen Gast die Daumen drückten. Selbige verteilten sich, neben dem gut gefüllten Gästeblock, auch auf so ziemlich alle anderen Bereiche des Stadions, weshalb eine genaue Schätzung schwer fällt.

Zur Spieleröffnung zeigte der Unterrang des Gästeblocks dann eine schwarz-weiß-grüne Fähnchenchoreo unter dem Motto „Fanprojekt MG… gegründet an der Spree“, welche den recht ungewöhnlichen Gründungsort des Gladbacher Fanprojekts in der Hauptstadt thematisierte. Die Choreo wusste optisch zu gefallen, wenn auch im Bereich der grünen Fähnchen gut die Hälfte der Plätze leer blieben und daher größere Lücken im ansonsten stimmigen Bild klafften. Passiert und ist sicherlich nicht die Schuld der Choreoarbeiter. Danach startete der weitläufige Block optisch mit vielen Klatsch- und Hüpfeinlagen sehr geschlossen in die Partie, während man zur Akustik aufgrund der eigenen Sitze nicht viel sagen kann. Da drang schlichtweg wenig bis gar nichts zu uns durch, was, neben der weiten Entfernung, aber auch an der gut aufgelegten Ostkurve lag. Doch dazu gleich mehr.

Nach Chancen konnte sich der grün-weiße Anhang dann ab und an Gehör verschaffen, insbesondere in den Momenten, in denen auch die Normalos in anderen Blöcken mitgenommen werden konnten. Ansonsten beschränkte sich der aktive Haufen auf die untere Hälfte des Unterrangs, was, in Zahlen gemessen, dennoch ein mehr als stattlicher Haufen zu sein schien. Hinter der schicken Zaunbeflaggung erblickten während des Spielverlaufs noch zwei Spruchbänder im Rahmen der deutschlandweiten Protestaktion gegen den DFB das Tageslicht. So kritisierte sowohl das „Wir brauchen keine gekaufte EM, sondern Veränderungen!“, als auch das im Stile des aktuellen Werbeslogans gehaltene „United by Money. Korrupt im Herzen Europas“, inklusive UEFA- und Kampagnenlogo, die Bewerbung Deutschlands um die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024.

Die Heimseite präsentierte derweilen keine optische Aktion, startete aber mit einer geschlossenen Schalparade zu Frank Zanders „Nur nach Hause“ eindrucksvoll in die Partie. Untermalt wurde das Ganze noch vom Spruchband „Und vergesst es nie: Im Herzen dieser Kurve ertönt auf ewig dieses Lied“, was den Standpunkt der Ostkurve in der vom Verein ausgelösten Debatte um einen Liedwechsel zum Einlaufen der Mannschaften zum Ausdruck brachte. Was folgte war ein zunächst guter Auftritt der Kurve mit durchweg bekanntem Liedgut, der sich, befeuert durch den Spielverlauf, später immer mehr in einen wahren Sahneauftritt wandelte. Zeigten zu Beginn schon weite Teile der Ostkurve eine hohe Teilnahmebereitschaft an Gesängen und Hüpfeinlagen, zogen im zweiten Durchgang oftmals weite Teile des Stadions mit und verwandelten das Olympiastadion in ein Tollhaus.

Wahnsinn, was die Kurve an diesem Tag auf die Beine stellte. Dabei waren es insbesondere die klassischen Schlachtrufe à la „Ha Ho He“ und weitere bekannte Lieder, die am lautesten schmetterten, ehe immer wieder der Ohrwurm auf „Was sollen wir trinken?“ mit dem abgewandelten Text „Wir werden ungeschlagen sein – 100 Punkte Hertha BSC“ durch das weite Rund schallte. Beeindruckend und besser als alles, was wir uns vor Spielbeginn ausmalten.

Ebenso zeigte die Heimseite etliche Spruchbänder, wobei man sich auch hier gegen die Ausrichtung der EM in Deutschland aussprach. Zusätzlich zeigte die Hauptstadtmafia noch einige Tapeten gegen den Vereinsvorstand („In Berlin kannst du alles sein – Auch arbeitslos – Keuter raus!“), bevor noch ein wenig in Richtung der neuen Freundschaft auf der Gegenseite gestichelt wurde („Hammerherzen und Ottos: Freundschaft in Erklärungsnot? Von Kutten gibt’s Kontaktverbot!“ und „Ihr [Union] lasst euch nicht vom Westen kaufen, aber stolz mit Wessis [BMG] saufen?!“). Zudem folgte mit einem „Macht euch grade“ noch eine Aufforderung an die Unioner zum gemeinsamen Tanz.

Sportlich wurde man Zeuge des wohl besten Bundesligaspiels des Spieltages, wenn nicht sogar der bisherigen Saison. Dabei gingen die Gäste zunächst in der 29. Minute durch einen Elfmeter in Führung, was die Hausherren nach keiner Minute egalisierten und zur 34. sogar zur eigenen Führung drehen konnten. Kurz nach Wiederanpfiff erhöhte Hertha mit einem weiteren Treffer, worauf Borussia mit dem 3:2 antwortete. Kurz vor Schluss machte Berlin mit dem 4:2 den Deckel drauf und lies die Tribünen des Stadions beben. Ein astreines Spiel endete somit mit für die Bundesliga ungewöhnlichen sechs Treffern und einer begeisternden Ostkurve, welche noch lange die insgesamt dreistündige Spitzenreiterposition inbrünstig feierte. Sowas sieht man doch gerne!

Mit abklingender Euphorie der Kurve gings für uns wieder nach draußen und per Pedes zur U-Bahnstation. Nach einiger Zeit des Wartens und einer Fahrt in der völlig überfüllten Bahn erreichten wir wenig später das KaDeWe, welches an diesem Tag jedoch kurzerhand von der Programmliste flog. Brauch man auch ehrlich gesagt kein zweites Mal. Vielmehr waren wir nun an der Futtersuche interessiert, wobei man einer dortigen lokalen Bäckerei einen Besuch abstattete.

Den Abend verbrachte man zunächst mit unseren zwei spanischen Bekannten (und damit dem ursprünglichen Grund der Anreise) im ebenfalls schon im letzten Jahr besuchten Kneipenrestaurant „Dicke Wirtin“ in Charlottenburg, welches auch dieses Mal wieder vollends überzeugte. Im Anschluss gings noch in eine mexikanische Bar auf dem Prenzlauer Berg, die um unsere Gunst der Anwesenheit warb. Nach ein paar Cocktails dank Happy Hour gings kurz nach Mitternacht wieder zurück nach Köpenick, wo man gegen ein Uhr in die Kiste fiel.

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Beim Blick auf den Wecker, der uns am nächsten Morgen noch vor sieben wieder aus dem Bett werfen sollte, erhielt der Schlaf in der Folge absoluten Vorrang. Ist ja schließlich kein Urlaub hier!